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Interview mit Bujar, dem Kulturpreisträger von Emmen

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Dieb Bujar hat den Emmer Kunstpreis 2020 erhalten Interview mit Bujar, dem Kulturpreisträger von Emmen

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Kultur

Dieb Bujar hat den Emmer Kulturpreis des Jahres 2020 erhalten. Ein Interview über seine Entwicklung, die Kulturszene in Emmen (welche nicht existiert) und über die Kunst als freiste wissenschaftliche Form.

Dieb Bujar.
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Dieb Bujar. Foto: diediebe.ch

Datum 8. Dezember 2020
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Lesezeit8 min.
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Wie fühlt es sich an, Kulturpreisträger von Emmen zu sein?

Das ist eine schwere Frage. Ich bin das noch nicht so lange. Gefühle sind nach meiner Erfahrung etwas, das wir erst im Nachhinein durch Reflexion wahrnehmen. Wenn es sie überhaupt so gibt wie wir denken, dass es sie gibt. Gefühle sind vielleicht am nächsten an Emotionen oder vielleicht das Selbe. Schliesslich sind wir in der Lage unendliche Variationen an Wörtern für das Selbe zu gebrauchen. Und eigentlich wollen wir uns nur verstehen. Emotionen fordern mich schon mein Leben lang. Motion bedeutet Bewegung und in diesem Sinne bewegt es mich, mich damit auseinander zu setzen.

Eine Bewegung kann aber in alle Richtungen gehen, somit muss ich gut schauen, dass es nicht in die falsche Richtung geht. Ja, es bewegt mich, es macht mich aufrechter und treibt mich zusätzlich an. Was ich bisher gemacht habe scheint nicht nur unverstandene Kunst zu sein. Scheinbar bin ich auf dem richtigen Weg. Eine Auszeichnung zu bekommen ist immer was schönes. Es schmeichelt mich. Es gibt mir Auftrieb. ich fühle mich verstanden und wahrgenommen. Das wünscht sich wohl jeder Mensch. Vielleicht werde ich genau deswegen, mit meiner Kunst, den Menschen, dies noch mehr weitergeben. Dies wünscht sich wohl auch jeder Mensch, einen Auftrieb zu erhalten durch einen solchen Preis.

Inwiefern haben Sie die Kunstszene in Emmen geprägt und gefördert?

Zuerst wurde ich gefördert in Emmen. Kurt Wiprächtiger, mein 5./6.-Klasse-Primarlehrer erkannte mein Potential oder wir verstanden uns, wie auch immer es genau war. Unsere Klasse war sehr gut im Handball und wir wurden schliesslich Vizeschweizer Meister von unserem Jahrgang. Seine grosse Erfahrung im Sport habe ich irgendwie verstanden und konnte sie in meinem Leben einsetzen. Schliesslich kämpft man nicht nur im Sport gegen seinen eigenen Sauhund. Was ich mittlerweile nicht mehr als Kampf sehe. Eher als Akzeptanz. Tanzen ist einiges schöner als Kämpfen, erreicht dasselbe Ziel mit mehr Energie als vorher, anstatt sie zu verlieren in einem Kampf.

Mein erster Musiklehrer, Herr Löffel in der Sekundarschule im Gersag, zeigte mir, dass niemand Wissen mit dem Löffel gegessen hat und Instrumente spielen alle selber lernen können. Mein Sekundar-Klassenlehrer, Herr Waltert, erklärte mir, dass wir mit einem Gedicht auch etwas erzählen oder den Menschen geben können. Und von Faruk Muslijevic verstand ich, dass es keine Fehler gibt in der Musik, nur Spielregeln. Schliesslich wurde ich von meinen Eltern in meiner Kunst nie wirklich gehindert, was sonst der Normalfall wäre. Denn wer will einen armen Künstler als Sohn. Ich wurde sogar gefördert. Und ganz wichtig bis jetzt waren Angela und Lili, die mich mehr als unterstützt haben. Ohne Angela wäre ich wohl nie da wo ich bin und ohne Lili hätte ich nie soviel geschafft wie bisher.

Ich empfinde nicht, dass Emmen eine Kunstszene hat. Vielleicht seit dem NF49. Vielleicht habe ich auch einfach nicht dazugehört und so nicht mitbekommen, dass es eine gab. Wie ich sie geprägt habe, kann ich selber nicht beurteilen. Ich denke, wenn, dann geschieht das noch. Zum Beispiel durch die unkonventionellen Newsletter unserer Musik- und Kunstagentur Die Diebe und mit dem Naturfreundehaus im Brünig, das ein Kunst- und kultureller Ort am werden ist. Ich sehe die Kunst als freiste wissenschaftliche Form und nicht als Selbstverwirklichung, wie sie oft verstanden wird. Und weil ich nicht alleine bin, versuche ich die Welt besser zu gestalten. Somit wird sie automatisch Philosophie. In diesem Sinne präge ich meine auch fernere Umgebung sicher.

Seit 2012 vergibt die Gemeinde Emmen den Kulturpreis. Was denken Sie macht gerade Sie aus, dass Sie in diesem Jahr vorgeschlagen und gewählt wurden?

Vielleicht genau darum, weil ich die Kunst als Wissenschaft sehe und nicht als Selbstverwirklichung. Denn seit dem Frühjahr ist es schwerer geworden, sich selber zu verwirklichen. Vielleicht ist es aber auch nur Zufall. Mir geht es darum, Lösungen zu suchen. Als ich im Einwohnerrat in Emmen war, sah ich ein ganz anderes Bild unserer Demokratie als wir es eigentlich lernen oder zu glauben wissen. Wir glauben den Idealfall und die Realität ist ganz was anderes. Darum kam mir die Idee der Nicht Gewählten Partei (DNGP.ch). Sie nimmt die Stimmen in Anspruch, die nicht gebraucht werden. Und somit ist sie automatisch die stärkste Partei. Sie zeigt die Schwächen der real existierenden Demokratie. In meiner Kunst und mit dem Kollektiv Die Diebe versuchen wir unsere Welt besser zu gestalten oder zumindest zu zeigen, wie es besser sein könnte oder wo der Haken liegt. Vielleicht wurde dies gesehen. Obwohl wir Die Diebe heissen. Beim Startschuss von Emmen am See waren wir auch dabei und begleiten das Projekt gerne weiter. Unmöglich ist nur, was als unmöglich angesehen wird.

Haben Sie schon einen Plan, was Sie mit dem Preisgeld machen möchten?

Ja, Ich werde es in unser frisches Kulturhaus investieren. Das dann schliesslich allen zugute kommt. Die Naturfreunde sind demokratisch sozialstisch aufgebaut. Vielleicht ist das die Zukunft.

Worauf sind Sie in Ihrer beruflichen oder auch privaten Karriere besonders stolz?

Dass ich da bin wo ich bin. Privat und Beruf sind Begriffe die ich verstehe aber ich kann nicht viel damit anfangen. Ich bin am Leben und habe scheinbar unendliche Möglichkeiten. Richtig und Falsch wird von der Gesellschaft bestimmt. Irgendwo dazwischen sind wir glücklich und Geld ist unsere einzige, materielle Hürde. Vielleicht bin ich auf eines besonders stolz: dass ich das Glück habe mit den Menschen zu leben die ich liebe.

Was bringt die Zukunft bei Ihnen mit sich? Haben sie bestimmte Visionen?

Alles ist Möglich. Darum können wir uns überlegen, was wir wirklich brauchen und was nicht nötig ist. Wir nennen uns die Krönung der Schöpfung. Somit ist es möglich, bewusst ein lebenswürdiges Leben zu haben. Das Leben ist keine Qual und muss auch keine sein. Wir können einen Zaun um unser Haus machen und sind so sicher vor allen Landtieren. Wir haben ein Immunsystem, das nur funktioniert, wenn wir nicht unter Stress stehen. Wir können eine Türe bauen am Zaun und eine liebenswerte und liebenswürdige Begrüssung hinschreiben. Das Naturfreundehaus auf dem Brünig wird ein begegnungs-, erholungs- und Arbeitsort von Künstler*innen werden. Es gibt Räume, um an einem Buch zu arbeiten, eine kreative Pause zu machen oder sich inspirieren zu lassen. Für Musizierende steht ein Musikstudio zu Verfügung. Sie können hier übernachten und sich voll dem kreativen Arbeiten widmen. Ohne die Ablenkungen einer Grossstadt.

Sie sind ein sehr engagierter Mensch. Von wo nehmen Sie all die Energie? Was motiviert Sie dazu?

Ich weiss nicht ob es endlich ist oder unendlich. Alles lebt und ist voller Energie. Ausser bei minus 273 Grad Celsius also 0 Kelvin. Das klingt vielleicht lustig aber da ist keine Energie mehr. Aber Moment, wieso existiert dann noch was, wenn es keine Energie mehr hat? Was hält es noch zusammen?

Vielleicht gibt mir meine Motivation die meiste Energie oder verführt mich zum Tun. Schliesslich wünsche ich mir ein Leben in Würde und das für alle Menschen. Ich kann es aber niemandem geben ohne dass sie oder er es selber annimmt, darum versuche ich es vorzuleben wie ich denke das es richtig wäre. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass affektiertes und schnelles, unüberlegtes Handeln nur Energie kostet. Daher schöpfe ich die Energie immer mehr aus der Ruhe.

Stichwort Naturfreundehaus Brünig. Wie geht es mit dem kulturellen Begegnungsort voran? Was sind die nächsten Schritte?

Wir sind gerade am Umbauen und Aufbauen. Bis jetzt läuft alles bestens. Wir wurden sogar positiv überrascht, wie gut es schon läuft. Es wird ein kultureller und künstlerischer Ort werden. Als nächstes produzieren wir den Jahreskalender der Diebe. Das Studio ist bereits fertig aufgebaut. Mehrere Musikbands nehmen bei uns im Monat November einen inhaltlichen relevanten Song auf und wir veröffentlichen ihn mit dem Songtext im Kalender. Neben dem Betrieb wie bisher, einfach im kleineren Rahmen, bieten wir Künstlerinnen und Künstler aller Art zwei Zimmer als Atelier. Dies werden wir bald ausschreiben. Wir haben auch Platz für eine weitere Familie mit Kinder. Mein Sohn Rron geht in Lungern in die erste Klasse und meine Tochter Era hilft uns beim aufbauen. Da wir jetzt eine finanzielle Unterstützung bekommen haben werden sich die nächsten Schritte wohl beschleunigen.

Was sind Ihre aktuellen Projekte? Auf was kann man sich als nächstes freuen?

Die nächste EP meiner Band DIE DIE BE erschien am 27.11.2020 unter dem Label Die Diebe und wird von Bite it Promotion von Hamburg in Deutschland und in der Schweiz promoted. Bis Ende Jahr werden die nächsten DANACHRICHTEN erscheinen sowie der Jahreskalender und vielleicht auch spontane, politische Aktionen, da unsere Welt im Moment sich rasch ändert und viel Interpretationsspielraum und somit auch Chancen bietet.

pm