Pascow, Razzia, Weller im Schnellcheck Der grösste Trick des Punkers
Kultur
Dass Punk nie alt wird, habe ich mir so lange eingeredet, bis mich kürzlich junge Leute darauf aufmerksam machten, „in Deutschland“ seien auf Konzerten nur „weisse Köppe“. Damit waren Weisshaarige gemeint und die Beobachtung wäre noch um „Billiardkugeln“ zu ergänzen.
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2. März 2019
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Korrektur
Jade, das neue Album der Gruppe aus dem Saarland hat eine gehetzte Horde typischer Pascow-Stampfer dabei. Das Gekeife und Gewüte von Sänger Alex Pascow ist wirklich Quelle unendlicher Freude und Punk-Hymnen wie „Silberblick und Scherenhände“, oder „Sturm der durch Erlen zieht“ dürften demnächst Mixtapes, Playlists und Konzertsets bevölkern – zu Recht. Pascow heben sich aus der sonst oft genug kaum erträglichen Deutschpunk-Szene nach wie vor positiv ab.
Die Herren versuchen auch einiges, um den Pascow-Sound weiterzuentwickeln: In den Videos zu den beiden Vorabsingles „Silberblick und Scherenhände“ und „Wunderkind“ präsentieren sie junge Frauen in Ausreisserpose, in mehreren Songs auf der Platte ist Frauengesang integriert. Neben der Feminisierung versuchen sich Pascow an neuen Stilelementen. So klingt das feine „Unter Geiern“ schwer nach Marilyn Manson, „Marie“ versucht es mit Off-Beats, in „Schmutzigrot“ wird im Duett gesungen und „Wunderkind“ ist eine klassische Rock-Ballade. Ob es solche Spielereien wirklich braucht, sei dahingestellt, die besten Songs auf Jade sind die straighten Punkrocker.
Textlich halten sich Pascow weiterhin von allzu platten Parolen fern, es bleibt bei etwas kryptisch-pathetischen Versen, die eher musikalisch wirken sollen, als im Mittelpunkt des Geschehens zu stehen – vielleicht das wichtigste Pfund, mit dem Pascow im Vergleich zu Bands wie etwa Dritte Wahl oder Feine Sahne Fischfilet oder den neuen Slime-Sachen wuchern können: Die Songs klingen nicht wie vertonter Text. Auf die übliche verschrobene Art wird über die Szene, Politisches oder auch die Liebe reflektiert. Dabei bleibt der Sound so düster wie das Cover-Artwork: „Und nach dem letzten Stück hör ich den Teufel sagen: Der grösste Trick des Punkers war es, nicht mitgemacht zu haben.“
Auch die Deutschpunk-Veteranen von „Razzia“ haben ein neues Album produziert, von der ursprünglichen Besetzung von 1979 sind mit Andreas und Peter Siegler, sowie dem zurückgekehrten Sänger Rajas Thiele noch drei Stammkräfte dabei.
„Am Rande von Berlin“ hört man dann doch stark die Jahre an, in die das Genre und seine Protagonisten gekommen sind. Und auch das Problem mit dem Akkordegeschrubbe nebst Parolengedresche: Man hat es halt wirklich Millionen mal in allen verkürzten, unterkomplexen, irreführenden Variationen gehört. Dem fügen Razzia nun nochmal 14 neue Songs hinzu (Bsp. Aus „Nicht in meinem Namen“: „Ein Kontinent verdurstet/ ein Kontinent verbrennt/ er stirbt an einer Krankheit/ die sich Menschheit nennt/ Nicht in meinem Namen! / Nicht mit mir!“), die durchaus enthusiastisch vorgetragen werden und auch um Abwechslung bemüht sind – fast alle Songs sind mit Riffs und ruhigeren Parts versehen – und aus denen der Opener „Intro“ (instrumental) und der Titeltrack „Am Rande von Berlin“ etwas herausragen.
Allein: Vom Hocker reisst einen das nicht mehr. Obwohl: Mit ein paar Kumpels von früher und Dosenbier an den Bahnsteig hocken, rumpöbeln und dann die neue Razzia anmachen, da würde man sich wieder wie 16 fühlen. Oder? Vielleicht auch eher sehr alt.
Aber schnell noch zu „Weller“: Das ist eine Band aus Philadelphia, deren selbst betiteltes Debütalbum bereits im Juni 2018 erschien, auf das hier aber ausdrücklich hingewiesen sein soll. Die jungen Herren erinnern an die grossartigen The Weakerthans, machen leicht punkigen, aber immer sehr schön gechillten Indierock. Wer sich für Death Cab For Cutie et al interessiert, sollte sich das unbedingt einmal anhören, Anspieltipp: „Learning Curves“.
Pascow: Jade. Rookie Records 2019. / Razzia: Am Rande von Berlin. 2019. / Weller. 2018.