„Die Bitch muss bügeln, muss sein, enn nicht, gibt's Prügel, muss sein“ (Majoe, „Charlie Sheen“ mit Kurdo)
„Machen wir Liebe, Babe, im Bett, dann schreist du: „Arrêté!““ (Rin, „Arrêté“)
„Baller der Alten die Drogen ins Glas. Hauptsache, Joe hat sein'n Spass“ (Gzuz, „Lebenslauf“ mit Bonez MC)
Okay, klare Antwort. Drei Beispiele, die zeigen: Wir haben in der Tat ein Problem. Lines über Gewalt gegen Frauen, über häusliche Gewalt und über Vergewaltigung sind fester Bestandteil unserer Kultur.
Kunst darf alles?
Meistens wird argumentiert, dass das von der Kunstfreiheit gedeckt sei. Juristisch stimmt das vermutlich auch. Und auch ich war lange jemand, der sich diese Haltung zu eigen machte. Sozialisiert mit sexistischen, misogynen Rapsongs von N.W.A. bis Westberlin Maskulin habe ich mir bis ins fortgeschrittene Erwachsenenalter eine spätpubertäre Einstellung bewahrt, die mir heute peinlich ist. Motto: Solche Inhalte provozieren, Provokation ist Kunst, Kunst darf alles.Ziemlich kurz gedacht. Ich hätte es besser wissen können. Schon 2009 stellte eine Studie der Universität Granada fest, dass Männer schon durch sexistische Witze eher bereit sind, Gewalt gegen Frauen zu tolerieren oder gutzuheissen.
Es geht nicht um Moral
Wenn bereits Witze diesen Effekt haben – welchen Effekt haben dann Lines wie die oben zitierten? Es ist nicht besonders verwegen zu vermuten: Einen gewaltigen. Sie bereiten den Boden für konkrete Handlungen. Um moralische Empörung geht es – anders als oft behauptet wird – also keineswegs. Es geht vielmehr ganz konkret um Machtmissbrauch und Gewalt.Und es ist weiter zu vermuten, dass es nicht allein bei Texten bleibt, sondern Gewalt gegen Frauen auch Praxis ist. Die Schilderung von Helen Fares über ihre Erfahrung mit übergriffigem Verhalten auf dem Frauenfeld-Festival ist nur ein Beleg. Sie zeigte aber auch, dass ein konkretes Outcalling mit Namen bisher kaum stattfindet – aus verschiedenen Gründen.
Einer davon ist: Viele Rapper haben sehr gute Anwälte. Diese verhindern eine (ohnehin schwierige) Verdachtsberichterstattung mit allen Mitteln. Das fällt ihnen angesichts der geringen Finanzkraft vieler HipHop-Medien nicht schwer.
Deutschrap braucht ein #metoo
Deshalb ist ein #metoo für Deutschrap überfällig. Denn die Probleme sind – genau wie in der Filmindustrie – strukturell. Es ist kein Fehlverhalten Einzelner dafür verantwortlich. Nein, dahinter stehen handfeste, männlich dominierte Machtstrukturen.Wir alle, Medien, Künstler, Fans und nicht zuletzt auch die grossen Labels und Werbepartner, müssen das Thema viel ernster nehmen. In den USA hat Rick Ross seinen Reebok-Deal wegen einer Rape-Line verloren. Ähnliches ist in Deutschland (noch) undenkbar – obwohl die oben erwähnte Line von Gzuz inhaltlich sehr nah an der von Ross ist.
Was passieren muss
Das Verharmlosen von sexistischen Texten, Darstellungen in Videos und Verhalten von Künstlern mit dem Totschlagargument „Kunstfreiheit“ muss aufhören. Nein, niemand will solche Texte verbieten. Aber ja, sie müssen kritisiert werden.Victim Blaming, also das (mit)verantwortlich machen von Opfern, muss aufhören. Der Hinweis, wer sich mit Rappern einlasse, müsse mit so etwas rechnen, ist Quatsch.
Frauen, die über Sexismus, Gewalt und Missbrauch berichten, muss zugehört werden. Wir alle, Medien, Fans und Künstler*innen, müssen dazu beitragen, dass eine Atmosphäre geschaffen wird, in der Opfer von (oft sexualisierter) Gewalt und Sexismus sich trauen können, offen über das zu sprechen, was ihnen angetan wurde.
Und schliesslich: Die gesellschaftlichen Strukturen, die es Männern ermöglichen, Frauen sexistisch abzuwerten und/oder ihnen Gewalt anzutun, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen, müssen sichtbar gemacht werden. Auch im Deutschrap gibt es eine rape culture. Das längerfristige Ziel muss es sein, dies zu ändern.