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Schweiz: Der Bund bricht mit der kulturellen Vielfalt - Die DEZA streicht alle Kultur-Partnerschaften

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Die DEZA streicht alle Kultur-Partnerschaften in der Schweiz Schweiz: Der Bund bricht mit der kulturellen Vielfalt

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Kultur

Nach drastischen Kürzungen im 2024 kündigt die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) ab 2029 all ihre strategischen Partnerschaften mit Schweizer Kulturinstitutionen auf.

Die Piazza Grande in Locarno (Schweiz) während des Internationalen Filmfestivals.
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Die Piazza Grande in Locarno (Schweiz) während des Internationalen Filmfestivals. Foto: Simone1986 (PD)

Datum 12. Februar 2025
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Die verhältnismässig kleine Einsparung im DEZA-Budget trifft die 12 betroffenen Institutionen zum Teil existenziell und ist ein herber Verlust für das Schweizer Publikum, den gesamten Kultursektor sowie unzählige Kulturschaffende im globalen Süden. Die langjährigen DEZA-Partnerinnen und -Partner, die vor diesem Entscheid nicht konsultiert worden sind, fordern den Bund dringend auf, den kulturellen Kahlschlag bei Kunstschaffenden, Festivals, Clubs, Theater und Kinos zu stoppen und mit ihnen in Dialog zu treten.

Seit 29. Januar ist klar: Die DEZA stellt ihre langjährige Zusammenarbeit mit renommierten Schweizer Partnerinnen und Partnern im Kulturbereich per Ende 2028 komplett ein. Bereits ab 2025 hatte sie ihre Förderung von Kulturakteur:innen in der Schweiz um 45% gekürzt, von jährlich 3,7 Mio. auf 2 Mio. Franken. Die verbleibenden 2 Mio. fallen nun den drastischen Sparmassnahmen im Bereich der Internationalen Zusammenarbeit (IZA) zum Opfer. Das im Dezember vom Parlament verabschiedete Budget sieht Kürzungen von 110 Millionen Franken im Budget 2025 und von 321 Millionen Franken im Finanzplan 2026-2028 im Bereich der IZA vor.

Zu den langjährigen strategischen Partner:innen der DEZA gehören artlink, das Festival Culturescapes, das Locarno Film Festival (Open Doors), das Festival International du Film de Fribourg (FIFF), die Internationalen Kurzfilmtage Winterthur, der Salon africain du salon du livre de Genève, der Filmverleih trigon-film, der UNESCO Fonds international pour la diversité culturelle, das Festival Visions du Réel, der Filmproduktionsfonds Visions Sud Est und das Zürcher Theater Spektakel. Ausserdem schliesst die DEZA per Ende 2028 den Südkulturfonds. Der Fonds unterstützt jährlich hunderte Kulturveranstaltungen, -festivals und -projekte mit insgesamt 720'000 Franken und leistet einen zentralen Beitrag zur kulturellen Vielfalt auf Schweizer Bühnen, Leinwänden und Konzertsälen.[1]

Kunst und Kultur wurden als wesentliche Faktoren einer nachhaltigen Entwicklung verstanden: Die konkrete Förderung von Künstler:innen aus Afrika, Asien, Lateinamerika und osteuropäischen Ländern ausserhalb der EU öffnete Zugänge zum hiesigen Kulturmarkt und zu professionellen Netzwerken und stärkte die lokalen Kulturszenen und deren immense Vielfalt. Durch den jüngsten Parlamentsentscheid und dessen Umsetzung durch die DEZA werden diese langjährig aufgebauten Netzwerke nun ohne Vorwarnungen zerstört, beliebte Schweizer Organisationen geraten immens unter Druck.

Die betroffenen Kulturinstitutionen sind über diese Entwicklungen zutiefst bestürzt: „Die Schweiz, die sich der humanitären Tradition verpflichtet fühlt und Unterzeichnerin der UNESCO-Konvention für kulturelle Vielfalt ist, sendet mit diesem Schritt in Zeiten zunehmender Polarisierung ein besorgniserregendes Signal der Abschottung, das den wachsenden Populismus begünstigen könnte. Kulturförderung gehört zu den essenziellen Werkzeugen der Entwicklungszusammenarbeit und sollte als solches ein wichtiger Bestandteil der DEZA bleiben. Die Unterstützung der kulturellen DEZA-Partner:innen ist ein kleiner Beitrag mit grosser Wirkung: Eingebettet in ein einzigartiges Netzwerk in den Bereichen Film, Literatur, Musik, Visuelle Kunst und Theater eröffnet sich den Kulturschaffenden aus dem globalen Süden neben finanzieller Unterstützung durch sie ein unkomplizierter Zugang zur Schweizer Kulturszene. Über mehrere Jahrzehnte wurden mit vergleichsweise wenig Mitteln diese effizienten und hochwirksamen Netzwerke aufgebaut. Die Konsequenzen, die sich durch die verhältnismässig kleinen Einsparungen ergeben, sind schwerwiegend, nicht zuletzt für das Schweizer Publikum.“

In der Schweiz gibt es keine vergleichbaren Fördermöglichkeiten an der Schnittstelle zwischen Kunst- und Kulturschaffen und Entwicklungszusammenarbeit. Durch den jüngsten Entscheid ist somit eine drastische Minderung an Vielfalt in der Schweizer Kulturlandschaft zu befürchten. Auch für ihr Image tut sich die Schweiz damit keinen Gefallen: Ihr Engagement war gerade durch die Strahlkraft von Open Doors oder Visions Sud Est von hoher internationaler Relevanz und weltweit renommiert, Letzterer wie auch der Salon africain du salon du livre de Genève stehen schon mit der ersten Kürzungsrunde vor dem sicheren Aus.

“In einer Welt, in der Räume für den internationalen Dialog immer enger werden, sind Angebote, die kulturelle Vielfalt, freie Meinungsäusserung, ökonomischen Wandel und sozialen Zusammenhalt fördern, wichtiger denn je. Die Kultur-Partnerschaften leisten einen wichtigen Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung, demokratischer Teilhabe, Konfliktprävention und Frieden. Kunst und Kultur bieten insbesondere Raum für kritische Debatten und friedliche Dialoge. Die Schweiz sollte eine Vorreiterrolle einnehmen, Stabilität in diesen Regionen bringt Frieden und Sicherheit für die Welt. Deshalb setzen diese Kürzungen für uns die falschen Signale und sind ein alarmierender Schritt in Richtung Kulturabbau auf Bundesebene.”, halten die Institutionen fest.

pm

Fussnoten:

[1] Beispiele von unterstützten Kulturveranstalter:innen: Moods, Zürich; Bee Flat, Bern; Digitale Plattform Norient, Bern; Label Bongo Joe, Genf; La Batie, Genf; Festival de la Cité, Lausanne; Theater Festival Basel; Theater Gessnerallee, Zürich; Festival Belluard/Bollwerk, Fribourg; Kunsthalle Bern; Image Vevey; Kunstmuseum Luzern; MUDAC Lausanne; Centre de Photographie Genf; Black Movie Festival, Genf