Filmkritik: Tod den Hippies – Es lebe der Punk! Als Film Scheisse, als Punkfilm völlige Scheisse
Kultur
Mit „Tod den Hippies – Es lebe der Punk!“, der seit vergangenem Donnerstag in Kino läuft, soll Regisseur Oskar Roehler ein teilautobiographisches Stück seiner Jugend als Punk in Westberlin verfilmt haben.
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30. März 2015
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Die Geschichte ist schnell erzählt: Dorfjunge Robert (gespielt von Tom Schilling) erstickt am Kleinstadtmief, rasiert sich einen Iro, baut Mist an seiner Schule und macht sich auf in die verheissungsvolle Grossstadt, hier West-Berlin im Jahr 1980. Tagsüber verdient er dort sein Geld als Spermawegputzer in einer Peepshow, nachts taucht er ein in die örtliche Punkszene, die offenbar nur aus Blixa Bargeld als Kneipenwirt besteht. Er verliebt sich in eine Mitarbeiterin der Peepshow, die aber auf Heroin ist, klaut seinem Vater, der mal „Kassenwart bei der RAF“ war (hier immerhin schönes Boxhamsters-Zitat!) ganz viel D-Mark, muss die gestörte Beziehung zu seiner Mutter (gespielt von Hannelore Hoger) bewerkstelligen, begleitet später seinen Nazi-Jugendfreund aus Dorftagen in die schwule Lederszene, plant mit einer Band gross rauszukommen und macht so dieses und jenes ohne wirklichen Plan.
An sich kann man daraus was machen. Das wollte aber wohl keiner der Beteiligten. Fast alle Figuren sind so grotesk überzeichnet, dass man sich fast schon für die armen Schauspielerinnen und Schauspieler schämt, die so einen Unsinn zusammen spielen müssen. Das Ganze wirkt wie ein zweistündiger Sketchup-Clip aus den 80er Jahren mit Diether Krebs und Iris Berben, wenn auch ohne Flaschenbodenbrillen aber dafür auf schlechtem Koks. Den Gnadenschluss gibt „Tod den Hippies – es lebe der Punk!“ nur noch das völlig absurde und unlogische Ende, bei dem ein erleichtertes Ausatmen durch das Kino ging.
Das Ganze soll vielleicht bewusst dilettantisch und aufrührerisch daher kommen. Vielleicht sogar in einem punkigen Sinne extra schlecht. „Tod den Hippies – Es lebe der Punk!“ wäre gern ein Low-Budget-Trashfilm, erdacht und gedreht im Suff und umgesetzt als grosse Party für alle am Set. Und am Ende ist es wichtiger, dass der Dreh Spass gemacht hat und die Meinung der Kritiker und des Publikums völlig egal. Dann wäre es sogar gelungen. Aber dem mit üblichen Filmförderungen finanzierte und durch professionelle Strukturen erstellte Streifen aus der Mitte der deutschen Kulturlandschaft mit etablierten Schauspielerinnen und Schauspielern aus dem Hirn des Profi-Regisseurs Oskar Roehler nimmt man das keine Sekunde ab.
Soweit das Inhaltliche. Einen lieblosen Film rauszurotzen, ist das eine – ihn dann aber offensiv als Punkfilm zu promoten, das andere. Denn ausgerechnet „Tod den Hippies – Es lebe der Punk!“ kommt fast völlig ohne Punk aus. Natürlich ist es ein Spielfilm und keine Doku, aber wenn man einen Film schon in eine gewisse Epoche und Subkultur platziert, sollte man zumindest ein bisschen um Authentizität bemüht sein. Hier fehlt es an allem. Man muss kein Punk-Chronist zu sein um sich zu fragen: War da nicht noch was mit Punk in Berlin um die Zeit? SO36? Bands wie PVC? Die Hausbesetzerszene? Nichts!
Nicht einmal die musikalischen Referenzen haben viel mit dem Punk-Spirit der frühen 80er zu tun. Bands wie Slime, Neurotic Arseholes, HASS oder Razzia, um nur einige zu nennen, fehlen völlig. Stattdessen: Prä-Punk von Iggy Pop, Post-Punk von Public Image Limited und die maximal Punk-beeinflussten Industrial-Musiker der Einstürzenden Neubauten. Und die Helden heissen nicht Joe Strummer, Jello Biafra oder von mir aus Peter Hein, sondern Nick Cave und eben Blixa Bargeld.
Besonders ärgerlich ist aber, wie konservativ „Tod den Hippies – Es lebe der Punk!“ eigentlich daher kommt. Denn die Hippies, das sind die Alt-68er-Spinner an Roberts Schule: Die gehen ihm und seinem Neonazi-Freund Gries gewaltig auf die Eier und vor denen muss er flüchten. Natürlich gehört es seit jeher zum Selbstverständnis eines jeden Punks, die oder der etwas auf sich hält, die Hippies zu hassen. Aber meist weniger wegen der politischen Inhalte, sondern wegen ihrer peacigen und pazifistischen Attitüde und Musik. Tatsächlich spielt der Film zu einer Zeit, als sich die Punkszene (übrigens in Ost und West) zunehmend nach links politisierte. „Tod den Hippies – Es lebe der Punk!“ zeigt das genaue Gegenteil.
Das ist gerade mit Blick auf Berlin falsch und wird nur durch die oben genannten demonstrativen Auslassungen überhaupt realisierbar. Auf der anderen Seite ist Nazi Gries. Sein bester Freund Robert hat mit den Hitlergrüssen seines Kumpels offenbar weniger Probleme als den marxistischen Unterrichtselementen seiner Lehrer. Da Gries schwul ist, ist das auch alles nicht weiter schlimm, denn seine Homosexualität geht im Laufe des Films eine Art Metamorphose mit seinen politischen Einstellungen ein, wenn er mit ins Brusthaar rasiertem Hakenkreuz in Ledermontur sich in einem überraschend hellen Darkroom dominieren lässt. Neonazismus als sexueller Fetisch. Michael Kühnen hätte seine helle Freude dran gehabt. Zu guter Letzt noch Roberts Vater, dessen Vergangenheit bei der Roten Armee Fraktion sich auf seine unerfüllte Liebe zu „Gudrun“ beschränkt.
Trotz aller Parodie und Überzeichnung wird klar: Der Feind steht links.
„Tod den Hippies – Es lebe der Punk!“ ist ein weiteres Dokument der Verklärung und Verkitschung der deutschen Punkwurzeln im Stile von Jürgen Teipels Punkerzählung „Verschwende deine Jugend“, die eine facettenreiche und auch widersprüchliche Subkultur auf wenige leicht konsumierbare Happen beschränkt. Als Film Scheisse, als Punkfilm völlige Scheisse. Die Dame an der Kasse meinte beim Ticketkauf übrigens „Hätte mich auch wundert, wenn ihr in einen anderen Film gegangen wärt.“ Im Nachhinein kann man das durchaus als Beleidigung verstehen.