Jeder dritte Erwerbstätige ist im Dienstleistungssektor tätig, die Landwirtschaft ist in Marokko aber der bedeutendste Wirtschaftszweig (Anteil am BIP etwa 20 %). Rund 40 % der Arbeitsplätze sind in dem Sektor angesiedelt, für etwa 75 % der Landbevölkerung ist er die Einkommensquelle (3).
Es gibt rund 1,5 Millionen landwirtschaftliche Betriebe, davon verfügt ungefähr eine Million über weniger als drei Hektar Land. Diese Kleinstbetriebe sind am Export lediglich mit circa 4 % beteiligt. Anders gesagt: Ein Grossteil der ländlichen Bevölkerung wurschtelt sich irgendwie durch und spielt auf der Klaviatur der globalen Ökonomie keine Rolle.
Dromedare, modernste Quads und kiffende Surfing Birds
Ländliche Produkte, Kleidung und Souvenirs werden auf den lokalen Märkten feilgeboten; Friseure, Barbiere und verlockende Trekkingtouren durch die Wüste – Dienstleistungsangebote finden sich in jedem Winkel. Einheimische können sich kostspielige Offerten aber nur selten leisten. Das Jahreseinkommen liegt im Schnitt bei etwa 3400 US-Dollar.Es lässt sich vielleicht erahnen, welche Wirkung es auf den Dienstleistungssektor und die Einkommenssituation hat, wenn durch Lockdowns und Einreiseverbote in Städten wie Marrakesch, Casablanca, Tanger, Agadir, Fès, Rabat, Meknès, Essaouira oder der Kleinstadt Sidi Kaouki, einem der bekanntesten Allround-Spots für Surfer an der marokkanischen Atlantikküste, die Touristen ausbleiben. Im Reisesegment, das den grössten Anteil an Dienstleistungstransaktionen ausmacht, büsste der „Incoming-Tourismus“ in der Coronakrise fast 70 % ein (3).
Das hört sich dramatisch an, ist es sicher auch, aber es ist auch ein guter Grund, genauer nachzuschauen, ob der Tourismus grundsätzlich ein so verlässliches und auskömmliches Geschäftsfeld darstellt, dass sich die Masse der Bevölkerung darauf eine ökonomische und somit soziale Perspektive aufbauen kann. Am Beispiel Sidi Kaouki lassen sich erste Entwicklungslinien ablesen.
Die Fahrt mit dem Bus von Essaouira nach Sidi Kaouki kostet sieben Dirham, das sind rund 0,70 Euro. Am Strand warten Fremdenführer auf Kundschaft. An zahlreichen Verkaufsbuden werden Wellenbretter und Quads vermietet, und für den Ritt in den Sonnenuntergang Pferde und Dromedare. Ein Geschäft ist zurzeit aber kaum zu machen – die Touris fehlen. Ein paar Enthusiasten des Wassersports sind natürlich da und einige Freunde der leichten Bedröhnung. Drogen sind illegal und auch der Konsum von Hasch oder Marihuana ist verboten, aber niemand kümmert sich wirklich darum. So hängt jeder irgendwie ab, ist dennoch geschäftig und schleppt sich durch den sonnigen Tag … Aber wohin?