Warum ist Rohstoffexportabhängigkeit schädlich?
Während die meisten wohlhabenden Gesellschaften Industriegüter herstellen und Dienstleistungen anbieten, ist ein Grossteil der weniger wohlhabenden Länder von Rohstoffexporten abhängig. Ins Auge fällt auch, dass Afrika als wirtschaftlich und sozial am wenigsten entwickelter Kontinent 46 rohstoffexportabhängige Staaten aufweist.[i]Eine wichtige Ursache der ausbleibenden wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung rohstoffabhängiger Staaten sind sinkende Skalenerträge im Rohstoffsektor. Fallende Erträge bedeuten, dass rohstoffreiche Länder ab einem gewissen Punkt in der Produktion für jede zusätzlich geförderte Tonne eines Rohstoffs mehr Kosten aufwenden müssen als für die zuletzt geförderte. Denn es ist davon auszugehen, dass sie die ertragreichsten und am einfachsten zugänglichen Rohstoffvorkommen als Erstes ausbeuten.
Ein Beispiel: Wenn Ghana mehr Gold exportieren will, muss es irgendwann auf Vorkommen zurückgreifen, die weniger Gold pro Tonne Gestein enthalten. Die Förderung wird also weniger ertragreich. Im Hinblick auf die gesamte Goldproduktion Ghanas heisst das, dass bei einer Ausweitung der Produktion die Kosten zur Förderung einer Tonne Gold im Durchschnitt steigen. Die Marge des Staates oder der Gold fördernden Unternehmen sinkt also trotz Ausweitung der Produktion (was auch durch technologischen Fortschritt kaum zu kompensieren ist und worin sich die Gewinnung von Gold von der Herstellung von Industriegütern unterscheidet).[ii]
Eine Ausweitung der Produktion im Rohstoffsektor geht häufig nicht mit einer steigenden Arbeitsproduktivität einher. Ganz im Gegenteil: Ab einem gewissen Punkt führt sie zu höheren Kosten, da die Erträge und somit die Arbeitsproduktivität sinken. Dementsprechend wird der zwischen den ArbeiterInnen und UnternehmerInnen zu verteilende «Kuchen» kleiner und es besteht weniger Raum für Lohnerhöhungen.[iii] Ab einem gewissen Punkt der Produktionsausweitung sind die Erträge dann so stark gesunken, dass sich zusätzliche Investitionen nicht mehr lohnen.
Dieser Punkt ist bei Industriegütern mit ihren steigenden Skalenerträgen nicht in erster Linie durch den «Produktionsinput» beschränkt, sondern durch die Nachfrage, sodass er erst viel später erreicht wird. Zumal im Industriesektor durch die steigenden Skalenerträge der zu verteilende Kuchen kontinuierlich grösser wird[iv] und somit mehr Spielraum für Lohnzuwächse vorhanden ist, was wiederum die Nachfrage ankurbelt. In Bezug auf diesen Mechanismus besteht ein grundlegender Gegensatz zwischen rohstoffproduzierenden Staaten und Industrienationen.
Auch die im Rohstoffsektor bestehende Wettbewerbssituation schränkt die Entwicklungsperspektiven rohstoffreicher Länder ein. Öl, Gold, Kupfer und andere Rohstoffe werden von einer Vielzahl von Ländern produziert und unterscheiden sich in ihrer jeweiligen Beschaffenheit kaum (im Gegensatz zu den Unterschieden zwischen einem Kompaktwagen und einem Sportauto). Dadurch können die Produzenten der Rohstoffe nicht den Preis bestimmen (wie es etwa Apple oder Volkswagen mit ihren differenzierten Produkten tun können). Die Rohstoffproduzenten konkurrieren also nicht über Warenmerkmale, sondern über den Preis. Werden zudem mehr Rohstoffe gefördert, steigt das auf dem Weltmarkt verfügbare Angebot und der Preis sinkt. Auch hier zeigt sich wieder: Produktivitätsfortschritte werden durch sinkende Preise an die Käufer weitergegeben, statt an die ArbeiterInnen in Form höherer Löhne.
Die wirtschaftliche und soziale Entwicklung rohstoffexportabhängiger Länder wird ebenso durch die stark schwankenden Weltmarktpreise für Rohstoffe erschwert. In Phasen steigender Preise erzielen rohstoffexportabhängige Länder häufig Aussenhandelsüberschüsse. Wertmässig führen sie dann weitaus mehr Güter aus als sie importieren. Das hat eine Aufwertung ihrer Währung zur Folge. Für den Import verarbeiteter Produkte aus dem rohstoffreichen Land muss das Ausland also mehr Geld aufwenden. Die verarbeiteten Produkte des rohstoffreichen Landes werden dementsprechend relativ teurer.
Sie verlieren an Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt, wohingegen der Import von verarbeiteten Produkten aus dem Ausland aufgrund der Währungsaufwertung günstiger wird. Häufig verkümmert dadurch das verarbeitende Gewerbe des rohstoffreichen Landes. Die Rohstoffexportabhängigkeit steigt also weiter. Die negativen Auswirkungen einer Währungsaufwertung auf andere Wirtschaftssektoren sind zudem schwer wieder rückgängig zu machen, wenn die Währung wieder abwertet.
Eine Währungsaufwertung kann durch sogenannte Stabilisierungsfonds verhindert werden. Dabei fliessen die Staatseinnahmen nicht direkt in den Haushalt des rohstoffreichen Landes, sondern werden beispielsweise in Staatsanleihen anderer Staaten angelegt. Viele Länder des globalen Südens brauchen die Staatseinnahmen jedoch dringend für produktive Investitionen und Sozialausgaben, sodass die Einrichtung von Stabilisierungsfonds nur schwer zu vermitteln ist. Auch korrupte EntscheidungsträgerInnen oder die Verschwendung von Staatsgeldern stehen der Einrichtung solcher Fonds entgegen.
Auch die Wirtschaftsgeschichte zeigt, dass der Wohlstand einer Gesellschaft nicht auf ihrem Rohstoffreichtum basiert. Mit Ausnahme kleiner «Erdöl-Emirate» hat kein Land der Welt anhaltende Wohlstandsgewinne durch einen alleinigen Fokus auf den Rohstoffsektor zustande gebracht. Rohstoffreiche Länder wie die USA, Kanada oder Australien haben die Probleme der Rohstoffabhängigkeit frühzeitig erkannt und ihre Wirtschafts-, Industrie- und Handelspolitik auf die Förderung und den (übergangsweisen) Schutz industrieller Sektoren ausgerichtet. Die Industrieländer haben einen Weg verfolgt, der der heutigen Liberalisierungs- und Freihandelsdoktrin komplett entgegenläuft.[v]
Warum verhindert Freihandel eine Verringerung der Rohstoffexportabhängigkeit?
Aufgrund der besonders hohen Rohstoffexportabhängigkeit afrikanischer Länder werden im Folgenden die EU-Afrika-Freihandelsabkommen genauer untersucht.[vi] Die EU verhandelt seit mittlerweile 15 Jahren Handelsverträge (Wirtschaftspartnerschaftsabkommen; engl. Economic Partnership Agreements – EPA) mit den afrikanischen Staaten. Seitdem wurden ein EPA mit der SADC-Gruppe[vii] und zehn bilaterale EPAs abgeschlossen.[viii] Inwiefern schränken die EPAs[ix] die Anwendung industriepolitischer Instrumente zur Überwindung der Rohstoffexportabhängigkeit ein?Ein Instrument, die Rohstoffexportabhängigkeit zu verringern, stellen Steuern auf die Rohstoffausfuhr und/oder die mengenmässige Beschränkung des Exports dar. Exportsteuern führen dazu, dass die Ausfuhr der Rohstoffe teurer wird. Wollen die Rohstoff fördernden Unternehmen beispielsweise Mineralien ausführen, müssten sie eine Steuer zahlen. Diese Kosten geben sie an die Importeure weiter. Deswegen und weil die Exportsteuer innerhalb des rohstoffreichen Landes nicht zu zahlen ist, wird der Rohstoff im Ursprungsland günstiger als im Ausland. Exportsteuern schaffen also Anreize, in die lokale Weiterverarbeitung der Rohstoffe zu investieren. Die einheimische Industrie wird durch den geringeren Preis, den sie im Vergleich zur ausländischen Industrie zahlen muss, indirekt subventioniert.
Während eine Beschränkung der Exportmenge eines Rohstoffs auch durch Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) verboten ist, schränken die EPAs die Nutzung von Exportsteuern noch stärker ein. Laut EPAs dürfen die unterzeichnenden Staaten Exportsteuern nur für einen begrenzten Zeitraum und für eine begrenzte Anzahl von Produkten einführen. Das SADC-EPA begrenzt zusätzlich die Höhe des Steuersatzes.[x] Durch diese Beschränkungen droht das industriepolitische Mittel der Exportsteuern nutzlos zu werden.
Die Anwendung von Exportsteuern beinhaltet allerdings auch immer hohe Kosten und Risiken. Auf kurze Sicht brechen Exporteinnahmen weg – während die Rohstoffimporteure ihren Bedarf oftmals auch in anderen Ländern decken können. Die rohstoffreichen Länder müssten sich nicht nur gegen die EPAs wehren, sondern sich auch zu einer Art Rohstoff-OPEC zusammenschliessen, damit Exportsteuern nicht zu Einnahmerückgängen führen.
Um einheimische Industrien zu fördern, die den Rohstoffsektor mit Waren und Dienstleistungen beliefern, kann der Staat Vorgaben für den Bezug einheimischer Produkte machen. Förderfirmen können dann nicht mehr alle Werkzeuge, Dienstleistungen und andere Inputs importieren, sondern müssten sie auch lokal einkaufen. In Nigeria haben diese Vorgaben zur Schaffung von 30.000 Arbeitsplätzen und zur Erhöhung des Anteils lokal produzierter Investitionsgüter im Öl- und Gassektor von fünf (2000) auf 40 Prozent (2012) beigetragen. Zudem hat sich die Anzahl lokaler Zulieferfirmen zwischen 2004 und 2008 von fünf auf 60 verzwölffacht.[xi] In Anbetracht der Grösse des Landes sind diese Erfolge zwar bei Weitem nicht ausreichend, um ein breitenwirksames Wachstum in Gang zu bringen. Dennoch zeigt das nigerianische Beispiel, dass eine Industriepolitik, die auf Klauseln über den Bezug einheimischer Produkte setzt, durchaus erfolgreich sein kann.
Vorgaben über den Bezug einheimischer Vorprodukte sind in Afrika mittlerweile üblich. Der Text der EPAs schränkt die Anwendung dieser Vorgaben stark ein.[xii] Inwiefern die EU die EPA-Staaten auch faktisch zu einer Einschränkung ihrer Vorgaben zum Bezug einheimischer Produkte zwingen wird, bleibt abzuwarten. Im Rahmen der WTO scheint diese Politik bisher geduldet worden zu sein, obwohl die WTO-Richtlinien sie auch schon stark einschränken.
Bisher gab es noch keine Klagen vor dem WTO-Streitschlichtungsgericht gegen Vorgaben über den Bezug einheimischer Produkte. Die Zukunft wird zeigen, ob die EU die EPA-Staaten unter Druck setzen wird, wenn sie gegen die EPA-Vereinbarung verstossen. Schliesslich hätten die EU-Staaten dies auch schon im Rahmen der WTO machen können. ExpertInnen mutmassen, dass die EU afrikanische Staaten eher nicht verklagen wird, da Letztere das «Entwicklungs»-Argument nutzen würden. Die EU werde zudem kaum die negative öffentliche Aufmerksamkeit riskieren. Vor allem auch, da Investoren Staaten theoretisch schon im Rahmen von bilateralen Investitionsschutzabkommen verklagen können[xiii].
Zentraler Bestandteil der EPAs ist der stufenweise Abbau von Zöllen. Entwicklungspolitisch problematisch dabei ist: Bisher haben schon viele afrikanische Staaten einen zollfreien Zugang zum EU-Markt. Mit den EPAs behalten sie diesen Zugang zwar, müssen aber im Gegenzug rund 80 Prozent ihres Marktes für europäische Güter öffnen, das heisst, schrittweise Zölle senken und Mengenbeschränkungen bei den Importen abschaffen. Der Abbau von Zöllen führt dazu, dass sie ihre Industrien nicht mehr vor der europäischen Konkurrenz schützen können. Dies ist äussert problematisch, da die Länder Afrikas (je nach Region) nur bei 15 bis 35 Prozent der Produkte wettbewerbsfähig sind.[xiv]
Zwar können die afrikanischen Staaten auch unter den EPAs noch etwa 20 Prozent aller Produktlinien durch Zölle schützen. Doch sie müssen schon bei den Verhandlungen zum EPA festlegen, welche Produktlinien das sein sollen. Diese Festlegung schränkt den Handlungsspielraum für zukünftige Industriepolitiken massiv ein. Denn sollen in 10 oder 20 Jahren Industriesektoren gefördert werden, die nicht unter die 20 Prozent fallen, ist ein Zollschutz nachträglich eigentlich nicht mehr möglich, sodass die Sektoren vom ersten Tag an mit europäischen Unternehmen konkurrieren müssten.
Ebenso ist die Effektivität der in den EPAs enthaltenen Ausnahmeklauseln zum Aufbau einheimischer Industrien zweifelhaft. Sie erlauben zwar zusätzliche Schutzzölle, beschränken den Schutz aber auf acht bis zwölf Jahre. Es ist äusserst fraglich, ob junge Industrien in oft schwierigen Umfeldern (instabile Energieversorgung, Infrastrukturmängel) nach dieser kurzen Frist schon eine ausreichend hohe Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt erreichen können. Damit die Ausnahmeklausel angewandt werden darf, muss der betreffende Staat zudem nachweisen, dass der Aufbau eines neuen Industriezweigs durch erhöhte Einfuhren aus der EU erschwert wird. KritikerInnen fordern hier eine Beweislastumkehr.
Dann müsste die EU nachweisen, dass ihre Subventionen oder andere marktverzerrende Massnahmen keinen negativen Einfluss auf afrikanische Produzenten haben. Die Ausnahmeklausel hat zudem zwei «logische Fehler»: Erstens darf sie nur im Anschluss an eine Zollsenkung angewandt werden. Dann können einheimische Industrien durch Importe allerdings schon geschädigt und verdrängt worden sein. Zweitens: Wenn die Zölle nach den Übergangsfristen ganz abgebaut sind, kann es, rein logisch gesehen, gar keinen Fall mehr geben, in dem ein Schaden «im Anschluss an eine Zollsenkung» entstehen kann. Nach dem Abbau der Zölle wird die Anwendung der Schutzklausel also unmöglich.
Zudem machen Zolleinnahmen heute teilweise bis zu zehn Prozent der gesamten Staatseinnahmen afrikanischer Staaten aus. Ohne diese Einnahmen verringert sich der Spielraum, neue Industrien durch Subventionen, die Verbesserung der Infrastruktur oder die Ausbildung junger Menschen zu fördern. Die rohstoffreichen Länder werden so noch abhängiger von den Einnahmen aus dem Rohstoffexport.
Welche Zukunft hat die EU-Afrika-Partnerschaft?
Ein Umlenken in Sachen Handelspolitik ist von der EU kaum zu erwarten. Ende 2017 veröffentlichte die EU-Kommission erste Vorschläge zur Neuverhandlung des AKP-EU-Vertrags[xv] für die Zeit nach 2020.[xvi] Diese Abkommen werden in unregelmässigen Abständen ausgehandelt und formulieren die Leitlinien der Zusammenarbeit in den Feldern der Entwicklungs- und Handelspolitik sowie der politischen und kulturellen Kooperation.In ihrem ersten Entwurf eines Verhandlungskonzepts zielt die EU darauf ab, die EPAs sogar noch zu vertiefen und auf den Investitionsschutz, die Wettbewerbspolitik und das Thema geistiges Eigentum auszuweiten.[xvii]
Die afrikanischen Partnerländer lehnen Zugeständnisse in diesen Bereichen seit Langem ab. Denn noch strengere Investitionsschutzregeln würden es ausländischen Konzernen noch mehr erleichtern, die Gastländer bei Gesetzesänderungen oder politischen Massnahmen zur Förderung der lokalen Weiterverarbeitung von Rohstoffen vor Schiedsgerichten zu verklagen.[xviii] Eine Ausweitung des Schutzes geistigen Eigentums würde es für afrikanische Unternehmen zusätzlich erschweren, sich Innovationen und technologische Fortschritte europäischer Konzerne abzuschauen (wie es historisch alle erfolgreichen Länder getan haben). Die EU-Forderungen würden also den Handlungsspielraum zur Diversifizierung der Wirtschaft weiter einschränken.
Überraschend ist, wie unverblümt die EU ihr Interesse an einem freien Zugang zu den afrikanischen Rohstoffen kundtut. So ist die Rede von einem «fairen, nachhaltigen und unverzerrten Zugang zu den Rohstoffen, der die Souveränität der rohstoffreichen Länder vollständig anerkennt».[xix] Das ist jedoch ein Widerspruch zu den EPAs, denn diese nehmen den rohstoffreichen Staaten durch die Einschränkung von politischem Handlungsspielraum die Souveränität über den Zugang zu ihren Rohstoffen selbst zu entscheiden.
Schlussbemerkungen
Die EPAs und die so durchgesetzte Freihandelsdoktrin stellen eine (weitere) Hürde zur Überwindung der Rohstoffexportabhängigkeit dar. Länder wie Tansania und Nigeria lehnen die EPAs deswegen ab: Nigerias Präsident Buhari fürchtet «negative Folgen für Nigerias Industrialisierung»; der tansanische Parlamentspräsident Job Ndugai sagt, «man müsse verrückt sein, das Abkommen […] zu ratifizieren», und Tansanias Präsident Magufuli spricht von einer weiteren Form des Kolonialismus und hält die Abkommen für schlecht für sein Land.[xx]Wie aufgezeigt, wird die EU ihre Handelspolitik mittelfristig nicht ändern. Dies liegt auch an der Rohstoffimportabhängigkeit der europäischen Länder. So ist Deutschland beispielsweise bei Metallrohstoffen zu nahezu 100 Prozent importabhängig. Die deutsche Industrie, aber auch wir BürgerInnen leben auf Kosten anderer, die nicht nur den «Fluch» der Rohstoffexportabhängigkeit, sondern auch die menschenrechtlichen, Umwelt- und Klimakosten zu tragen haben. Deutschland und die EU-Staaten haben aufgrund dieser Rohstoffimportabhängigkeit ein Interesse an der Beibehaltung des Status quo: dem freien Zugang zu Rohstoffvorkommen.
Die Befürchtung europäischer Regierungen ist, dass die Weltmarktpreise steigen und es bei einigen Rohstoffen gar zu Angebotsverknappungen kommen könnte, sollten die rohstoffreichen Länder einen Teil ihrer Rohstoffe selbst verarbeiten. Es werden De-Industrialisierung, Arbeitslosigkeit und Wohlstandsverlust befürchtet. Um solchen Befürchtungen entgegenzuwirken, werden restriktive Freihandelsabkommen wie die EPAs abgeschlossen, wobei die EU nicht davor zurückschreckt, mit dem Entzug von Entwicklungshilfe und anderen Vorteilen zu drohen.[xxi] Dieses Machtungleichgewicht zwischen rohstoffexportabhängigen Ländern und -importabhängigen Ländern steht einer selbstbestimmten wirtschaftlich-sozialen Entwicklung rohstoffreicher Staaten im Weg. Das kann nur überwunden werden, wenn die afrikanischen Regierungen ihre Interessen bündeln und sich gemeinsam mehr politischen Handlungsspielraum erkämpfen.
Fakt ist jedoch auch: Ein Aufholprozess anderer Weltregionen ist kein Nullsummenspiel, bei dem die eine Seite gewinnt und die andere verliert. Eine breitere wirtschaftliche und soziale Entwicklung in den Ländern Afrikas würde auch die Nachfrage nach deutschen Gütern erhöhen. Gleichwohl würde eine Industrialisierung in afrikanischen Staaten zu einer Art Strukturwandel in einigen deutschen Industriebereichen führen, da arbeitsintensive Industrien eine höhere Weltmarktkonkurrenz hätten. Das darf aber kein Grund sein, die Industrialisierung Afrikas zu verhindern. Im Gegenteil: Es braucht eine innovative, deutsche Industriepolitik, um diese Folgen abzufangen.