In Zusammenarbeit mit der Non-Profit-Organisation «Norbert Zongo Cell for Investigative Journalism in West Africa» hat das ICIJ die «West Afrika Leaks» veröffentlicht. Die Recherchen umfassen elf Artikel aus den Ländern Senegal, Mali, Niger, Nigeria, Benin, Togo, Ghana, Burkina Faso, Liberia und der Elfenbeinküste in französicher und englischer Sprache.
Während «Offshore Leaks», «Swiss Leaks», die «Panama Papers» und die «Paradise Papers» in den europäischen Ländern zu Millioneneinnahmen führten, sind die Enthüllungen an den afrikanischen Staaten vorbeigegangen. Dabei ist die Neigung afrikanischer Kleptokraten, Verwandte und hilfreiche Freunde mit Geldern, Grundstücken und sonstigen Vorteilen zu versorgen, bekannt. Diese werden auch gerne in Offshore-Konstrukten untergebracht.
Die Geschichten sind nicht lückenlos. Oft war nicht zu ermitteln, um wieviel Geld es geht, wo es herkam oder wo es landete. Grundsätzlich ist es auch nicht illegal, Offshore-Firmen zu eröffnen.
Die Gelder landen auch in der Schweiz
Die Spuren führen auch in die Schweiz. So wurden 2013 zwei Firmen mit Konten bei der HSBC-Niederlassung Schweiz und bei der UBS geschlossen. Bickwall Holdings Inc. und Tarita Management Corp. mit Sitz in Panama waren nach Unterlagen aus den «Panama Papers» in 2009 gegründet worden. Aktien dieser Firmen gingen an einen gewissen David Abtour, dessen Identität dabei geheim bleiben sollte.Ein Jahr vorher hatte Tschad seinen Verteidigungsminister ausgetauscht. David Abtour, einer der Geschäftspartner des alten Amtsinhabers, fiel dabei in Ungnade. Der Unternehmer hatte die Regierung im Tschad zwei Jahre lang mit Munition und wahrscheinlich auch anderem Kriegsmaterial für den Bürgerkrieg gegen die vom Nachbarland Sudan unterstützten Rebellen versorgt.
Abtour, der aus Libyen stammt, ist mit einer Verwandten der Ex-Frau des tschadischen Präsidenten Idriss Déby verheiratet und handelte bis 2006 unter anderem mit Motorrädern. Mit der Vermittlung russischer Helikopter an die Luftwaffe des Tschad stieg er ins Waffengeschäft ein. Wieviel ihm das einbrachte und ob er dafür Steuern zahlte, bleibt offen.
Ein Geister-Schlachthof im Niger
Gelder, von denen niemand weiss, wo sie geblieben sind, gibt es auch im Niger. Im Februar 2009 eröffnete der Neuseeländer Bryan Rowe sieben Unternehmen auf den britischen Jungferninseln. Zwei Monate später übertrug er einer dieser Firmen im Niger einen Auftrag über 31,8 Millionen Dollar zum Bau des zu dieser Zeit modernsten Schlachthauses Afrikas.Ausgewählt hatte Seyni Oumorou, der damalige Premiermister Nigers, Rowe und die Firma Agriculture Africa Ltd. wegen «seiner Expertise, seines Know-Hows und seines Leumunds». In der Branche waren sowohl das Unternehmen wie auch der Neuseeländer, der bisher vor allem im Bereich Telekommunikation aktiv gewesen war, weitgehend unbekannt. «Nie von ihnen gehört», sagte David Love, ein Experte für den Bau und Betrieb von Schlachthäusern, den Journalisten.
Der Bau des Schlachthauses wurde begonnen, aber nie vollendet. Nach einem Militärputsch wurde der Bau 2010 eingestellt. Die neue Regierung weigerte sich, die seit 2009 angefallenen Rechnungen zu bezahlen. Neun Jahre und drei Gerichtsverhandlungen später hat Rowe Zahlungen für geleistete Arbeiten zugesichert bekommen. Die Urteile wurden jedoch nie durchgesetzt.
Wie viel Geld bis 2010 geflossen ist und ob es versteuert wurde, ist unbekannt. Die Regierung von Niger beantwortete die Fragen des ICIJ nicht, Rowe verweist auf vertrauliche Vereinbarungen. Dazu, warum er zur Erfüllung des Auftrags eine Offshore-Firma gründete, hat er sich nie geäussert.
Selbst wenn der Diebstahl öffentlich wird, hat das oft keine Folgen
Durch solche und ähnliche Transaktionen gehen afrikanischen Ländern jährlich Milliarden Dollar verloren. Ein Drittel der geschätzt 50 Milliarden Dollar, die den Kontinent undokumentiert und unversteuert verlassen, kommt nach Angaben der Vereinten Nationen aus den Ländern Westafrikas. Dadurch werden gerade den Ländern öffentliche Mittel entzogen, die diese am nötigsten brauchen.Steuerfahnder westafrikanischer Länder haben meist nicht die Mittel, komplexe Offshore-Transaktionen zu verfolgen. Schaffen sie es doch, bekommen sie oft Gegenwind von ihren Regierungen. Medien und Journalisten arbeiten unter schwierigen Bedingungen. Wenn sie Artikel über Geld und Besitz der Mächtigen in Steueroasen veröffentlichen, sind sie Schikanen oder Schlimmerem ausgesetzt und können ihre Recherchen im eigenen Land oft nicht publizieren.
Werden die Offshore-Millionen trotz allem öffentlich, hat das meist keinerlei Folgen. Während europäische Länder infolge der verschiedenen «Leaks» und «Papers» Millionen einforderten, habe kein einziges afrikanisches Land auch nur einen Cent zurückerhalten, schreibt das ICIJ.
«Es gibt in fast jedem Land eine Geschichte zu erzählen»
Ob es ein ungünstiger Steuerdeal ist, wie eine Vereinbarung, die es Firmen aus Mauritius erlaubt, im Senegal steuerfrei Geschäfte zu machen. Ob es multinationale Firmen sind, die um die Möglichkeiten der Steuerflucht genau Bescheid wissen, wie im Niger. Oder ob es Besitz ist, der einer mächtigen Familie oder deren Freunden gehört wie in Liberia – in den «Panama Papers» finden sich Personen und Unternehmen aus 52 der 54 afrikanischen Länder. «Es gibt in fast jedem Land eine Geschichte zu erzählen», sagt der ICIJ.Doch es gibt einen Funken Hoffnung: Im März 2018 rief eine Organisation namens «West African Tax Administration Forum» eine Kampagne ins Leben, die die Zusammenarbeit der westafrikanischen Regierungen verbessern und die Steuerflucht eindämmen soll – keine einfache Aufgabe.
Der Geschäftsführer Babatude Oladapo aus Nigeria zeigte sich dennoch optimistisch: «Wir sind hier, weil wir gemeinsam glauben, dass wir es schaffen können», sagte er nach dem Treffen.