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Antifa in den Kleinstädten Griechenlands

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Kein ruhiges Hinterland Antifa in den Kleinstädten Griechenlands

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Politik

Die Krise hat Griechenland weiterhin fest im Griff: Nach offziellen Statistiken ist nach wie vor jeder dritte Grieche arbeitslos. Für viele Menschen ist das tägliche Überleben nach den umfassenden staatlichen Kürzungsmassnahmen bei gleichbleibenden oder sogar steigenden Lebensmittelpreisen zum Kunststück avanciert.

Stock, Helm, gute Laune: Oldschool-Antifa-Demo in Kavala, Griechenland.
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Stock, Helm, gute Laune: Oldschool-Antifa-Demo in Kavala, Griechenland. Foto: LCM

Datum 17. September 2014
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Gleichzeitig versinken weite Teile der Bevölkerung angesichts der Wirkungslosigkeit der inzwischen verbotenen Generalstreiks in ängstliche Apathie. In dieser Situation sehen viele Menschen in der neuentstandenen sozialdemokratischen Syriza-Partei, oder aber auch in den griechischen Neo-Faschisten von Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte) eine Alternative zu den etablierten Parteien.

Letztere waren in den vergangenen zwei Jahren nicht nur aufgrund ihrer mörderischen Angriffe auf Migranten und ihres offenen Bekenntnisses zum deutschen Faschismus in die internationalen Schlagzeilen gekommen, sondern auch durch ihre engen Verbindungen mit dem griechischen Staatsapperat und dem gemeinsam Vorgehen mit der griechischen Polizei gegen Linke und Migranten. Wer glaubte, dass sich das Problem mit der Inhaftierung der führenden Mitglieder der neofaschistischen Partei nach der Ermordung von Pavlos Fyssas, einem griechischen Antifaschisten und Rapper, durch Mitglieder der Partei erledigt hat, muss eines Besseren belehrt werden: Die Partei rangiert nach wie vor mit 9 Prozent auf Platz 3 der Umfragewerte. In weiten Teilen Griechenlands sind ihre Mitglieder – gerade aufgrund ihrer engen Verzahnung mit dem Polizeiapparat – nach wie vor eine tägliche Bedrohung für Antifaschisten und Migranten.

Dagegen gab es in den vergangenen Jahren vermehrt Widerstand: Während die kommunistische Partei Griechenlands (KKE) und das Linksbündnis SYRIZA auf legalistische Arbeit setzten, waren es vor allem Aktivisten der diversen anarchistischen Zusammenhänge, die den Neofaschisten auf der Strasse Paroli geboten und ihre Mitglieder attackiert haben, oftmals unter Inkaufnahme mehrjähriger Haftstrafen. Besonders populär waren sogenannte Motorraddemos, auf denen sich antifaschistische AktivistInnen mit ihren Motorrollern versammelten und Parolen skandierend durch von faschistischer Gewalt betroffene Viertel zogen. Dabei kam es jedoch nicht nur in den Grossstädten Athen und Thessaloniki zu solchen antifaschistischen Aktionen, sondern auch in diversen griechischen Kleinstädten, u.a. in den als Antifa-Hochburg geltenden Städten Xanthi und Kavala.

Kavala – mit 80.000 Einwohnern gemessen an deutschen Standards eher eine Kleinstadt – liegt im äussersten Nordosten Griechenlands und war in der Vergangenheit als kommunistische Hochburg bekannt, bevor der damalige faschistische Junta-Staat in den 70er Jahren begann, loyale Bevölkerungsteile aus dem Süden vermehrt im Norden anzusiedeln. Heute ist die Gemeinde daher eher ein konservatives Nest und hat es, wie viele grössere Gemeinden in Griechenland, gleich mit mehreren neofaschistischen Gruppierungen zu tun. Neben Chrysi Avgi, die ein Büro in der Stadt unterhält, existiert auch eine örtliche Gruppe der Patriotischen Allianz – eine Abspaltung von Chrysi Avgi und der rechtspopulistischen LAOS-Partei mit guten Kontakten zum griechischen Militär, dem Polizeiapperat und lokalen Sicherheitsdiensten.

Auch in Kavala tun sich diese Gruppen durch geschmacklose und gewalttätige Aktionen hervor. Als die Kommune etwa plante, in einem Teil der historischen Altstadt, in dem vorwiegend Muslime lebten, ein Ausstellungsgebäude über die Geschichte der muslimischen Community zu eröffnen, nagelten Anhänger der Patriotischen Allianz demonstrativ einen blutigen Schweinskopf an das vorgesehene Gebäude. Zusammen mit Chrysi Avgi versuchen sie ausserdem jedes Jahr eine grössere antitürkische Demonstration in der Stadt abzuhalten und damit an traditionelle Ressentiments anzuschliessen; schliesslich griffen 30 Mitglieder der Goldenen Morgenröte im Januar 2013 das Auto des türkischen Diplomaten İlhan Şener an. Der Gipfel der Geschmacklosigkeiten war jedoch zweifellos der Versuch der Chrysi Avgi, die Ermordung des Antifaschisten Pavlos Fyssas durch ihre Mitglieder öffentlich in den Strassen Kavalas zu feiern.

Natürlich formiert sich auch in Kavala Widerstand gegen solche Aktionen. Um den lokalen autonomen Infoladen organisiert sich eine stetig wachsende Gruppe von AntifaschistInnen, die sich eher dem anarchistischen Millieu zuordnen lässt und einen aktionsorientierten Ansatz verfolgt. Als organisierte*r AntifaschistIn unterliegt man, mehr vielleicht noch als in Deutschland, dem Problem, dass die zahlreichen rechtsradikalen Gruppierungen in der Regel gute Kontakte zum örtlichen Polizeiapparat unterhalten – man kennt sich eben, auch in Griechenland. Die Folge ist eine weitaus schärfere Repression gegen jede Form antifaschistischen Protests. Nicht wenige AktivistInnen der Gruppe sind daher bereits von mehrjährigen Haftstrafen bedroht – ein Mitglied ist bereits seit Längerem hinter Gittern.

Folge dieser Situation ist, dass der Protest sich um einiges militanter artikuliert. Die Demonstrationen der autonomen Gruppe sind gut organisiert – TeilnehmerInnen laufen in organisierten Reihen mit Helmen, Schlagstöcken und anderen Utensilien, da jederzeit mit gewalttätigen Übergriffen durch die Bullen gerechnet werden muss. Öffentliches Auftreten der Patriotischen Allianz oder Chrysi Avgis beantwortet die Gruppe mit militanten Aktionen und hatte damit bereits Erfolg: Chrysi Avgi traut sich nicht mehr abseits von angemeldeten Kundgebungen und entsprechendem Polizeischutz offen in der Stadt Präsenz zu zeigen. Auch ihre "Siegesfeier" anlässlich der Ermordung von Pavlos fand dank beherzten Eingreifens der griechischen GenossInnen ein vorzeitiges Ende.

Auch um Vermittelbarkeit ist man bemüht: So versucht man die lokale Bevölkerung mit Infobroschüren aufzuklären oder öffentlich diskutierbare Probleme in offenen Versammlungen zu verhandeln. Jüngst gab es auch Annäherungsversuche der lokalen Syriza-Gruppe. Diesen Annäherungen steht die autonome Gruppe jedoch skeptisch gegenüber. "Syriza wird die nächste Regierung stellen und wenn sie es verkacken – und sie werden es verkacken -, dann ist Golden Dawn dran und dann haben wir ein richtiges Problem", kommentiert Dimitris, ein Aktivist der lokalen autonomen Gruppe, ihr Verhältnis zur sozialdemokratischen SYRIZA. Mit der kommunistischen Partei (KKE) sei keine Zusammenarbeit möglich. Die Partei lehne jede Kooperation mit anderen Gruppen ab. Ausserdem sei es in der Vergangenheit zu körperlichen Auseinandersetzungen mit Anhängern der Partei gekommen. Schlechte Zeiten für AnhängerInnen des bündnisbetonten massenhaften zivilen Ungehorsams in Griechenland, hier heisst die Devise den Umständen entsprechend noch: "Antifa heisst Angriff!".

Jan Ronahi / lcm