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China: Korruption, Machtmissbrauch und Geheimnisverrat

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Der ehemalige chinesische Sicherheitschef zu lebenslanger Haft verurteilt Korruption, Machtmissbrauch und Geheimnisverrat

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Politik

Zhou Yongkang, einer der einst mächtigsten Männer Chinas, muss lebenslang ins Gefängnis. Die Strafe fiel relativ milde aus.

Der ehemalige chinesische Sicherheitschef Zhou Yongkang (rechts im Bild) ist wegen Korruption zu lebenslanger Haft verurteilt worden.
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Der ehemalige chinesische Sicherheitschef Zhou Yongkang (rechts im Bild) ist wegen Korruption zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Foto: Barry Bahler (PD)

Datum 18. Juni 2015
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Vor anderthalb Jahren wurde Ex-Sicherheitschef Zhou Yongkang verhaftet. Bis 2012 war er Mitglied des mächtigen Ständigen Ausschusses des Politbüros der regierenden Kommunistischen Partei. Die Verhaftung eines hohen Politkers aus dem engsten Machtzirkel war eine Sensation. Für China und die Welt. Zhou wurden Bestechung, Machtmissbrauch und die Weitergabe von Staatsgeheimnissen vorgeworfen. Er wurde aus der KP ausgeschlossen und diente als Exempel für die von Staats- und Parteichef Xi Jinping Ende 2012 lancierte Anti-Korruptionskampagne. Niemand steht über dem Gesetz, liess «Renmin Ribao» (Volkszeitung), das Sprachrohr der Partei, die chinesischen Massen wissen.

Sowohl «Tiger», sprich hohe und höchste Beamte, als auch «Fliegen», also einfache Funktionäre, wurden von der Disziplinarkommission der Partei unter Leitung von Politbüromitglied Wang Qishan ins Visier genommen. Zwar hatten schon Xis Vorgänger Hu Jintao (2002–2012) und Jiang Zemin (1989–2002) Korruption als «Krebsübel» und als «tödliche Gefahr» für die Partei bezeichnet. Doch den starken Worten folgten stets nur schwache Taten. Das hat sich seit Xi Jinpings Amtsantritt vor zweieinhalb Jahren grundlegend geändert.

Prozess hinter verschlossenen Türen

Der Prozess vor einem Volksgerichtshof in Tianjin war entgegen ersten Ankündigungen nicht öffentlich. Begründet wurde das mit dem Anklagepunkt «Verrat von Staatsgeheimnissen». Bei Zhous Verbündetem Bo Xilai – Politbüromitglied, Parteichef von Chongqing und Sohn eines verdienten Revolutionärs – war das vor zwei Jahren noch ganz anders. Bo wurde von den Medien, das Staatsfernsehen eingeschlossen, nach allen Regeln der Propaganda vorgeführt. Bo sitzt lebenslang im Gefängnis. Bei Zhou, der als ehemaliger Geheimdienstchef alles über alle weiss, barg ein nicht öffentlicher Prozess wohl auch weniger Risiko für die Partei-Granden.

Zhou erhielt für den «Verrat von Staatsgeheimnissen» vier Jahre Gefängnis. «Machtmissbrauch» trug ihm sieben Jahre ein. Für den Hauptanklagepunkt «Korruption» entschieden die Richter auf lebenslange Haft. Sein Vermögen wurde eingezogen. Zhou kooperierte, gab alles zu und bereute. Er zieht das Urteil nicht weiter. Verglichen mit Urteilen gegen andere korrupte Beamte, bei denen weniger Geld im Spiel war, ist das Verdikt gegen Zhou vergleichsweise milde, denn das Gericht hätte wegen der Schwere der Anschuldigungen durchaus auch die Todesstrafe verhängen können.

Chef eines weitverzweigten korrupten Systems

Wie der amtlichen Nachrichten-Agentur Xinhua (Neues China) zu entnehmen ist, stand Zhou als ehemaliges Politbüromitglied, ehemaliger Parteichef der Provinz Sichuan, ehemaliger Boss der Energieindustrie und vor allem als ehemaliger Supremo aller chinesischen Geheimdienste im Zentrum eines weitverzweigten korrupten Systems. Er stand, westlich gesprochen, einer Art Mafia vor. Er war der Pate. Er war der Capo dei Capi. Zhous Corleone war Wuxi in der Provinz Jiangsu. Nicht nur Partei-, Militär- und Geschäftsfreunde waren involviert. Auch Zhous Frau Jia Xiaoye, Zhous jüngster Bruder Zhou Yuanqing und insbesondere Zhous ältester Sohn Zhou Bin sowie Freunde und Geliebte profitierten mit Dutzenden von Millionen Yuan. Insgesamt waren laut Gerichtsurteil umgerechnet über 300 Millionen Franken an Schmier- und Bestechungsgeldern geflossen.

Die Verurteilung Zhous erhielt im Gegensatz zu seiner Verhaftung 2014 vergleichsweise wenig mediale Aufmerksamkeit. Selbst im Parteiblatt «Renmin Ribao» erschien die Nachricht relativ klein auf der Frontseite unten links ohne Bild. Alle seien in China vor dem Gesetze gleich, hiess es dazu in einem Kommentar. Die einzige Zeitung Chinas, welche die Verurteilung Zhous als grossen Aufmacher auf der Frontseite brachte, war die Hongkonger «South China Morning Post». Ein Bild, dem Staatsfernsehen CCTV entnommen, zeigt den bis zur Verhaftung schwarzhaarigen Zhou mit schlohweissem Haar, grimmig dreinblickend wie immer.

Im Anschluss daran argumentiert Prof. Urs Saxer, warum der Service public nicht zwingend von einem Öffentlich-Rechtlichen Medien-Unternehmen geleistet werden muss. Die Service-public-Aufgaben, so Saxer, könnten ebensogut von den privatwirtschaftlichen Medien-Unternehmen geleistet werden – bezahlt natürlich von der Allgemeinheit, aber erbracht von den privaten Medien und selbstverständlich mit Profit (was Saxer ebenso selbstverständlich nicht sagt...) Um seine Argumentation plausibler zu machen, erklärt der Professor die Verfassung der Schweiz, in der nur von Radio und Fernsehen, nicht aber von Internet und Onlineplattformen die Rede ist, als unbrauchbar, weil veraltet.

Die geringe mediale Präsenz des Urteils kommt nicht von ungefähr. Die allmächtige Kommunistische Partei Chinas ist sich bewusst, dass die Anti-Korruptionskampagne beim Volk zwar äusserst populär ist. Doch könnten sich Chinesinnen und Chinesen bei all den verurteilten «Tigern» – unter anderen Vizemilitärchef General Xu Caihou oder Politbüromitglied Bo Xilai – auch ganz andere Fragen stellen, zum Beispiel: Warum hat die KP nicht schon viel früher durchgegriffen? Der mächtige Zhou hat wohl nur den in der Partei bislang üblichen Courant Normal vorgelebt. Mit dem Durchsetzungswillen von Parteichef Xi hat das nun ein Ende. Die Zahl der Bewerbungen für Partei- und Regierungsposten – bis vor kurzem als «goldene Reisschale» heiss begehrt – soll seit Beginn der Antikorruptionskampagne laut amtlichen Zahlen merklich nachgelassen haben. Kaum ein Zufall.

Xi demonstriert seine Macht

Service public ist per definitionem – soweit es überhaupt so etwas wie eine Definition gibt – eine Dienstleistung, die nicht dem Wettbewerb unterstellt ist. Der Service public, die Dienstleistung an der Allgemeinheit, an der Gemeinschaft, ist gerade deshalb «erfunden» worden, weil die Marktwirtschaft, der Wettbewerb, system-immanent dazu führt, dass der Stärkere gewinnt und der Schwächere verliert. Der Service public darf von seinem Sinn und Zweck her gerade nicht dem Wettbewerb ausgeliefert werden. Der Service public ist das Gegenteil von Wettbewerb und Marktwirtschaft, nämlich jene Dienstleistung, an der Reich und Arm, Jung und Alt, Gesunde und Kranke, Mehrheiten und Minderheiten, Privilegierte und gesellschaftlich Benachteiligte, in gleichem Masse teilhaben können – im Effekt aber zum Vorteil der Schwächeren, die im Wettbewerb, im Konkurrenzkampf, nicht bestehen können und keine Chance haben.

Peter G. Achten / Infosperber