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China probt die «grüne Revolution»

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Milliarden für erneuerbare Energien China probt die «grüne Revolution»

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Politik

China gilt als gigantischer Klima-Sünder. Dabei investiert es mehr in erneuerbare Energien als alle europäischen Staaten zusammen.

Windparkanlage in Shanxi, China.
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Windparkanlage in Shanxi, China. Foto: Hahaheditor12667 (CC BY-SA 4.0 cropped)

Datum 3. Dezember 2015
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Als «grösste Dreckschleuder der Welt» wird das Reich der Mitte nicht selten von westlichen Medien, Klimaforschern und weiteren assortierten «Experten» bezeichnet. Von der Mit-Dreckschleuder, den USA, wird kaum gesprochen. Noch weniger von der Tatsache, dass Amerikaner und Europäer pro Kopf der Bevölkerung im Durchschnitt mehr als fünfmal so viel Energie verbrauchen wie ein Chinese oder eine Chinesin.

Als Beweis für den bösen Klima-Buben China werden eindrückliche Zahlen zitiert: 70 Prozent der Stromproduktion wurden 2010 durch Kohle-Kraftwerke erzeugt (weltweit: 40 Prozent). Oder: Seit 2007 ist China weltweit die Nummer 1 im Ausstoss von CO2 mit heute rund einem Viertel des gesamten Kohlendioxids, das in die Atmosphäre gelangt. Im Jahre 2030 wird China laut Prognose der Internationalen Energie-Agentur der Uno für rund 30 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich sein.

Der Fluch der Kohle

Zahlen sind das eine, die Interpretation das andere. Tatsache ist jedenfalls, dass China und die Kohle eng verbandelt sind. Im vergangenen Jahr hat China 3,87 Milliarden Tonnen Kohle gefördert, fast 75 Prozent des gesamten Weltbedarfs. Wie bei anderen Rohstoffen ist in letzter Zeit auch der Preis für Kohle eingebrochen. Für eine Tonne lösten chinesische Minen im vergangenen Jahr gerade noch (umgerechnet) 28 Franken, ein Viertel des Preises von 2013. Die Bergmänner mussten auf die Hälfte ihres Lohns verzichten. Zwei Drittel der staatlichen und privaten Kohlegruben erwirtschafteten rote Zahlen. Zehntausende von Bergwerksarbeitern verloren ihren Job. Schon lange ist bekannt, dass wegen nicht eingehaltener Sicherheitsrichtlinien jedes Jahr durchschnittlich 2000 Bergmänner ihr Leben verlieren.

Kohle bedeutet aber auch Umweltverschmutzung. Die chinesischen Behörden sind sich dessen bewusst. Nach offiziellen Statistiken sterben jährlich mindestens eine halbe Millionen Menschen an Krankheiten, die durch die verpestete Luft verursacht werden. Nicht zuletzt deshalb – und das ist im Westen weniger bekannt – bemüht sich China seit Jahren, den Anteil der Kohlekraft zu vermindern.

Milliarden für erneuerbare Energien

Das Reich der Mitte hat mehr in erneuerbare Energien investiert als alle europäischen Staaten zusammen. Allein im vergangenen Jahr sind umgerechnet satte 80 Milliarden Franken in diesen Bereich geflossen. Zu drei Vierteln sind das Wind- und Wasserkraft, zu einem Viertel Sonnenenergie. Ausbauziel bis 2020 ist 200 Gigawatt Wind- und 100 Gigawatt Solarkraft.

Seit zwanzig Jahren werden erneuerbare Energien auf breiter Basis subventioniert. Wer durch China reist, sieht es: Warmwasser wird durch Solaranlagen auf Dächern erzeugt, dafür hat die Zentralregierung umgerechnet rund 10 Milliarden Franken aufgeworfen. Oder: In 150 Millionen Bauernhöfen sind als Energiequelle Methangas-Gruben angelegt worden mit dem Geld des Staates und der Arbeit der Bauern. China ist damit weltweit mit Abstand die Nummer 1 in «grünen Investitionen».

Kohle bleibt Chinas Hauptenergiequelle

Dank seiner Bemühungen in den letzten Jahren verfügt China heute über ein Viertel aller weltweit verfügbaren Kapazitäten an erneuerbarer Energie. Doch Kohle bleibt der Platzhirsch bei der Energieproduktion. Im laufenden Jahr beträgt der Kohleanteil nicht mehr 70, sondern nur noch 64 Prozent, und in fünf Jahren sollen es noch 60 Prozent sein. Immerhin sind im vergangenen Jahr erstmals mehr Kraftwerke auf der Basis erneuerbarer Energien als Kohlekraftwerke gebaut worden. Chinesische und ausländische Firmen sowie Gemeinschaftsunternehmen stecken zudem viel Geld in Forschung und Entwicklung, um Kohle und Kohlekraftwerke umweltfreundlicher zu machen.

Der europäische Atom-Ausstieg wird in China – und Asien – kaum verstanden. Trotz Fukushima auch in Japan nicht. In China gilt Atomenergie als «sauber». So will man im Jahr 2020 den Strom zu 60 Prozent mit Kohle, zu 30 Prozent mit Wasser, Wind und Sonne und zu 10 Prozent mit Kernenergie erzeugen.

Nachhaltig ausgebeutet und verdreckt

Geschichtsbewusste Chinesen erinnern im Zusammenhang mit der Klima-Diskussion gerne an die Industrielle Revolution. Damals im 18. Jahrhundert ging es um den Holz-Ausstieg, nachdem man in den Jahrhunderten zuvor die Wälder in Grossbritannien und anderen europäischen Ländern niedergeholzt hatte. Während Jahrhunderten war Holz die Hauptenergiequelle zum Heizen und fürs Gewerbe nebst Tier-, Menschen-, Wasser- und Windkraft.

Die Kohle überflügelte bald alle anderen Energieträger, weil sie billiger war als Holz. Der Kohlebergbau, Kanäle als Transportwege und die Dampfmaschine waren die wesentlichen Grundlagen für die Industrialisierung. Es war ein wahre Revolution, welche die Menschheit in ein neues Zeitalter katapultieren sollte. Nach der landwirtschaftlichen oder neolithischen Revolution mit der Domestizierung von Pflanzen und Tieren vor rund 15'000 bis 12'000 Jahren – dank Klima-Erwärmung übrigens – war es der tiefste Einschnitt in der rund 200'000-jährigen Geschichte des Homo sapiens sapiens.

Am Pariser Klima-Gipfel wird sich China zusammen mit anderen Schwellen- und Entwicklungsländern für eine saubere Umwelt einsetzen. Mit einem Leistungsausweis, notabene, der sich sehen lassen kann. Das Ziel, den Klimawandel auf zwei Grad oder weniger gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen, ist für das Reich der Mitte durchaus akzeptabel. Aber Lektionen von europäischen und amerikanischen Klima-Fundamentalisten hat China nicht nötig. Wer denn hat seit dem Beginn der Industriellen Revolution die Umwelt ohne Rücksicht auf Verluste – nachhaltig sozusagen – ausgebeutet, verunstaltet, verdreckt? Richtig: die Europäer und Amerikaner.

Peter G. Achten / Infosperber