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«Mit den Drohnen rekrutieren wir Terroristen»

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Todesurteil ohne Anfechtbarkeit «Mit den Drohnen rekrutieren wir Terroristen»

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Politik

Ehemalige US-Drohnenpiloten warnen Präsident Obama in einem offenen Brief, dass der Drohnenkrieg Terroristen hervorrufe.

Ingenieure der US-Streitkräfte erhalten 2013 die Collier-Trophy für die Konstruktion der Northrop Grumman X-47B Drohne.
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Ingenieure der US-Streitkräfte erhalten 2013 die Collier-Trophy für die Konstruktion der Northrop Grumman X-47B Drohne. Foto: NAA2012 (CC BY-SA 4.0 cropped)

Datum 24. November 2015
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Der Einsatz von Drohnen, der viele Unschuldige trifft, hat «Hassgefühle gegen die USA verbreitet», schreiben vier ehemalige Mitglieder der US-Luftwaffe, von denen drei Drohnen selber dirigiert haben. Drohnen seien eine «major driving force for Isis and other terrorist groups», heisst es in ihrem offenen Brief an Obama sowie Verteidigungsminister Ashton Carter und CIA-Chef John Brennan.

Gegenüber dem britische «Guardian» erklärte einer der vier Unterzeichnenden, Brandon Bryant, er sei nicht grundsätzlich gegen den Einsatz von Drohnen, der auch nützlich sein könne. Doch so, wie deren Einsatz heute praktiziert werde, würden Drohnen «missbraucht» und es herrsche «keinerlei Transparenz».

Die Erfolge im Moment würden überschattet durch die zivilen Toten und den erzeugten Hass gegen die USA. Infosperber hat kürzlich ausführlich darüber berichtet.

«Drohnen sind ein Werkzeug, keine Politik. Das Attentat ist die Politik», schreibt «The Intercept». Diesem wurden geheime Dokumente der US-Streitkräfte zugespielt, die Einblick in Details des globalen Drohnenkriegs der USA gewähren. Die Quelle ist ein anonymer Mitarbeiter der US-Geheimdienste. Er war an Operationen beteiligt, wie sie von den Dokumenten illustriert werden. Er glaubt, die Öffentlichkeit habe ein Recht zu verstehen, wie Menschen auf Tötungslisten gesetzt und schliesslich auf Befehl von höchsten Regierungsstellen der USA getötet werden. «The Intercept» zitiert ihn: «Diese ungeheuerliche Explosion von Listen mit Menschen, die überwacht werden, denen Nummern zugewiesen werden, über die Karteikarten angelegt werden, die ohne davon zu wissen auf einem globalen Schlachtfeld zum Tode verurteilt werden – es war vom ersten Moment an falsch.» Das Weisse Haus und das Pentagon sollen unter Hinweis auf die Vertraulichkeit der publizierten Dokumente jeden Kommentar abgelehnt haben.

Tote reden nicht

Was in keinem zivilisierten Justizsystem denkbar ist, ist Alltag im globalen Drohnenkrieg der Vereinigten Staaten: Deren Angeklagter ohne Rechte heisst im Jargon der US-Militärs «EKIA» - kurz für «Enemy Killed in Action» oder «bei Kampfhandlungen getöteter Feind» - und gilt als eine Art «Beifang» der Jagd auf Terroristen. Als «EKIA» gelten Männer in wehrfähigem Alter grundsätzlich, wenn sie bei einem Drohnenangriff unbeabsichtigt getötet wurden, solange als nicht erwiesen ist, dass sie keine Verbindungen zu Aufstand und Terror hatten und dem Drohnenangriff nur deshalb zum Opfer fielen, da sie im falschen Moment am falschen Ort waren. Bloss: Wer auf den Schlachtfeldern der USA hat Zeit und Musse, solche Beweise post mortem zu führen? Wer auf Seiten der US-Streitkräfte hat überhaupt ein Interesse nachzuweisen, dass Unschuldige einem Drohnenangriff zum Opfer fielen?

Ein zusätzliches Problem der Streitkräfte ist der Informationsverlust, den die Tötung von Terroristen bedeutet. Tot lassen sie sich nicht mehr festnehmen und vernehmen. Aus den Dokumenten geht hervor, dass eine 2013 durchgeführte Studie des Pentagons empfiehlt, vermehrt durch die Behörden des jeweiligen Landes verdächtige Terroristen lebend fassen zu lassen, um dadurch mehr Informationen zu gewinnen.

Die Streitkräfte versprechen sich davon eine beschleunigte Identifikation weiterer Terroristen. «The Intercept» zitiert aus der Studie das Beispiel des Britischen Staatsbürgers Bilal El-Berjawi, der Jahre lang zwischen dem Vereinigten Königreich und Ostafrika hin- und herreiste und dabei unter Beobachtung Britischer und US-amerikanischer Geheimdienste stand, ohne dass er verhaftet und befragt wurde – stattdessen wurde er schliesslich in Somalia von einer Drohne gejagt und getötet.

«Find, Fix, Finish»

Der Prozess der «gezielten Tötung», wie von Drohnen ausgeführte Raketenangriffe auf Einzelpersonen offiziell bezeichnet werden, wird im Militärjargon als «Find, Fix, Finish» bezeichnet und als «FFF» oder «F3» abgekürzt. Zunächst spüren die Streitkräfte eine Zielperson auf («find»), behalten sie darauf im Auge und versuchen jede Verwechslung auszuschliessen («fix»). Schliesslich erfolgt der tödliche Drohneneinsatz («finish»). Aus den Dokumenten geht hervor, dass die US-Streitkräfte dabei stark auf Funkaufklärung setzen, um Zielpersonen zu lokalisieren: Drohnen spielen Mobiltelefonen vor, eine Mobilfunkantenne zu sein, und verfügen dabei über alle Identifikationsmerkmale der Mobiltelefone ihrer Ziele, um diese zu orten.

Zwar seien zusätzliche Abklärungen und Sicherheiten erforderlich, um eine einwandfreie «positive Identifikation» einer Zielperson zu gewährleisten, zum Beispiel Bodenaufklärung und Sichtkontakt. Aber die Streitkräfte beklagen, dass sie nicht über die gewünschten Mittel verfügen und Funkaufklärung deshalb einen Löwenanteil ausmache.

Auf eine autorisierte Tötung kommen neun Tote

Bis es überhaupt zu einem Tötungsbefehl kommt, werden diverse Informationsquellen angezapft und zusammen geführt. So werden nicht nur die eigene, sondern auch Geheimdienstaufklärung von mit den USA befreundeten Nationen beigezogen. Auch US-Justizbehörden wie das FBI stehen Pate. Die so zusammengestellten «Fichen», die im US-Jargon «Baseball Cards» genannt werden, erhalten darauf US-Regierungsstellen bis hinauf zum Präsidenten zur Prüfung. US-Präsident und Friedensnobelpreisträger Barack Obama habe den Dokumenten zufolge im Durchschnitt 58 Tage benötigt, um über die Tötung eines vorgeschlagenen Ziels zu entscheiden.

Als problematisch erweisen sich die Fehlschläge. Auf 27 Drohnenmissionen («Kinetic Strikes», siehe Abbildung unten) in Afghanistan von Mai bis September 2012 kamen 19 getötete Terroristen. Diese werden im Jargon als «Jackpot» (JP) gehandelt. Auf 19 getötete Terroristen oder «Jackpots» kamen allerdings weitere 155 getötete Männer.

Diese 155 als «EKIA» bezeichneten Toten fielen den Drohnenangriffen unbeabsichtigt zum Opfer und gelten perfiderweise gerade deshalb als feindliche Kämpfer, bis bewiesen ist, dass sie Unbeteiligte waren. Mit anderen Worten: Bei der stillen, leisen, überraschenden Tötung einer einwandfrei identifizierten Zielperson durch eine US-Drohne kamen im Durchschnitt jeweils unbeabsichtigt rund weitere 8 Personen ums Leben.

Red. / Infosperber

Die auf der Plattform «The Intercept» erschienenen bisher geheimen Dokumente hat Christian Natiez für Infosperber verarbeitet.