Der folgende Artikel soll diese Bildungslücke schliessen und eine Einführung in die zapatistische Bewegung im Südosten Mexikos geben.
1. Bewaffneter Aufstand der ZapatistInnen
Im Morgengrauen des 01.01.1994 besetzte die indigene zapatistische Armee der Nationalen Befreiung, EZLN fünf Kreisstädte in Chiapas, Mexiko. An diesem Tag wurde in San Cristobal de las Casas die erste „Declaracion de la Selva Lacandona“ verlesen. In dieser Deklaration erklärt die EZLN (Ejercito Zapatista de la Liberacion Nacional) dem Mexikanischen Staat den Krieg, indem sie sich auf Artikel §39 der mexikanischen Verfassung beruft. Dieser besagt, dass die nationale Souveränität einzig und allein in den Händen der Bevölkerung liegt. Ausdrücklich wird darin dem Volk das unveräusserliche Recht gewährt, jederzeit die Regierung zu verändern. Die Forderungen der Zapatisten waren Arbeit, Land, ein Dach über dem Kopf, Nahrung, Gesundheit, Bildung, Autonomie, Freiheit, Demokratie, Gerechtigkeit und Frieden.Das Datum war nicht zufällig gewählt worden und die EZLN keine Gruppe, die sich über Nacht gebildet hatte. Am 17. November 1983 bereits formierte sich im lakandonischen Urwald des mexikanischen Süd-Ostens die „Nationale Zapatische Befreiungsarmee“ (EZLN). Der 01. Januar 1994 markierte den Eintritt Mexikos in das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA), welches den freien Warenverkehr zwischen Mexiko, der USA und Kanada einführte. Subcomandante Marcos forderte in einem der ersten Interviews nach der Erhebung der EZLN die Neuverhandlungen eben dieses Freihandelsabkommens, um die oben erwähnten Forderungen der EZLN möglich zu machen.
Nach zwölf Tagen wurden die blutigen Auseinandersetzungen zwischen EZLN und dem mexikanischen Militär durch einen Aufschrei der Zivilgesellschaft beendet. Im ganzen Land gingen die Leute in Solidarität mit der zapatistischen Bewegung auf die Strasse und forderten das Ende der Kämpfe in Chiapas. Vom 13. Januar an verhandelte die Kommandatur der EZLN mit der COCOPA, einer Kommission der Regierung für Verhandlungen in Chiapas.
Im selben Jahr fanden in Mexiko, einem Land das seit 1929 von der selben Partei regiert wurde, Wahlen statt. Wenige Monate vor dem Wahltermin wird am 23. März der aussichtsreichste Kandidat auf die Präsidentschaft Luis Donaldo Colosio in Tijuana erschossen. Die EZLN zieht sich aufgrund dieses Attentats auf die Demokratie vom Verhandlungstisch zurück und veröffentlicht am 10. Juni 1994 die „Zweite Deklaration des lakandonischen Urwalds". In diesem Dokument ruft die EZLN eine nationale, demokratische Versammlung ein, um ausserhalb des parteipolitischen Systems den Weg in ein Mexiko zu ebnen, in dem das Volk die wirkliche Macht besitzt.
Obwohl seit dem 12. Januar ein Waffenstillstand gilt und für die Verhandlungsgespräche ein Abkommen, das die Entmilitarisierung der zapatistischen Gemeinden vorsieht, in kraft ist, erhöhte sich die Militärpräsenz in Chiapas gewaltig. Hubschrauberüberflüge, Militärkaravanen, Strassensperren und Spähtrupps gehören zum alltäglichen Bild im ländlichen Chiapas seit dieser Zeit. Heute sind ein Drittel der Bundesarmee in Chiapas stationiert und die Karten die autonomen Gebiete darstellen und solche die militärische Einrichtungen darstellen, stimmen grösstenteils überein.
2. „Zucker und Peitsche Strategie“ der mexikanischen Regierung
Nachdem Ernesto Zedillo im Dezember 1994 als mexikanischer Präsident vereidigt wurde, gingen die Verhandlungen zwischen der Regierungskommission COCOPA unter der Vermittlung von Erzbischof Samuel Ruiz stockend weiter. Sie endeten mit den Übereinkünften/Verträgen von San Andres (Acuerdos de San Andres), welche im Februar 1996 unterzeichnet wurden.Die Verträge von San Andres garantierten Autonomie für indigene Gebiete, die Anerkennung der indigenen Kultur und die politische Selbstbestimmung der indigenen Gemeinden. Obwohl die von der Regierung Zedillos beauftragte Kommission die Verträge unterschrieb, setzten sich der Präsident und das Parlament über die Vereinbarungen hinweg und verabschiedeten ein Gesetz, das von der Regierung als "vom Geist San Andres inspiriert" bezeichnet wurde. Jedoch lässt dieses Gesetz viele Zugeständnisse aus den Acuerdos de San Andres aussen vor. Die EZLN verurteilt diese Gesetzesreform als völlig unzureichend und fühlte sich wieder einmal von der nationalen Parteipolitik betrogen, da Abgeordnete aller Parteien im Parlament für den neuen Gesetzesentwurf stimmten.
Über 300 indigene Gemeinschaften aus ganz Mexiko legten Einspruch gegen das Gesetz ein. Im September 2002 lehnte der mexikanische Bundesverfassungsgerichtshof in einer Blitzaktion alle Einsprüche ab.
Die EZLN beschliesst nach dem unbefriedigenden Ausgang der Verhandlungen mit der Regierung die Vereinbarungen von San Andres selbst umzusetzen. In Chiapas formten sich schon seit Jahren 27 autonom-rebellische zapatistische Gemeinden (Municípios Autónomos Rebeldes Zapatistas). Überall auf der Welt entstanden so genannte Aguascalientes, die ein Ort für den Austausch von verschiedenen Gruppen der Zivilgesellschaft darstellen.
3. Autonomie selbst gemacht und „Die andere Kampagne“
Im August 2003 findet in Oventic die Geburtstagsfeier der „Caracoles“ (Schneckenhäuser) und „Juntas de Buen Gobierno“ (Räte der guten Regierung) statt. Es werden fünf „Caracoles“ eingerichtet. In jedem „Caracol“ sitzt eine „Junta de Buen Gobierno“ (Rat der guten Regierung), die sich aus gewählten Abgeordneten aus den zu verwaltenden autonom-rebellischen zapatistischen Gemeinden zusammensetzt. Diese „Juntas del Buen Gobierno“ empfangen Besucher, schlichten Konflikte, denunzieren Menschenrechtsverletzungen und organisieren Hilfsprojekte und Veranstaltungen. Die „Zapatistische Nationale Befreiungsarmee“ (EZLN) stellt sich ausdrücklich unter die Befehlsgewalt der „Juntas del Buen Gobierno“.Im Juni 2005 initiiert die EZLN mit ihrer „Sexta Declaracion de la Selva Lacandona“ (Die sechste Erklärung vom lakandonischen Urwald) die "Otra Campagna" (Die andere Kampagne). Diese Kampagne versucht weltweit (mit einem Fokus auf Mexiko) Gruppen an einen Tisch zu bringen die von links- unten die Gesellschaft verändern wollen. Die „Andere Kampagne“ richtet sich ausdrücklich gegen den Kapitalismus und ist horizontal und gleichberechtigt organisiert.
Seit einigen Jahren laden die Zapatisten um Neujahr die Internationale Gemeinschaft für einen Kongress ein. Beim 15 Jährigen Jubiläum wurde zum „Ersten weltweiten Fest der Wut" geladen. Diese Treffen bieten Raum für Begegnungen zwischen der zapatistischen Bewegung und ihren Sympathisanten. Neueste Entwicklungen in den autonomen Bezirken werden bekannt gegeben, NGO's wie „Via Campesina“ stellen ihr Programm vor. Themen wie alternative Medien oder die Bedeutung lokaler Landwirtschaft für die Bevölkerung werden diskutiert.