Unser Mindset, die Mentalität muss sich verändern. Wenn eine ganze Generation keine Erfahrung mit Bedrohung von aussen gemacht hat, braucht das seine Zeit. (Pistorius, 27.10.2023)11
Das ist umso notwendiger da sich angeblich die Bundesregierung auch heute noch schwertut, "den militärischen Werkzeugkasten in den Mittelpunkt unserer politischen Kommunikation zu stellen" (ehemalige NATO-Strategin Stefanie Babst, 29.10.2023)12
Die Staats-Meinung, der erklärte politische Wille zum Krieg, diese "Zweite Zeitenwende", die die "komplette Fokussierung von Bundeswehr und Gesellschaft auf den Krieg gegen Russland" gebietet (German Foreign Policy, 10.6.2024)13, lässt die grundberechtigten Bürger wissen und fordert unmissverständlich von ihnen: "Wir müssen bis 2029 kriegstüchtig sein." (Pistorius-Rede, 5.6.2024)14 Verlangt ist eine "Steigerung gesamtstaatlicher Wehrhaftigkeit, Resilienz und Nachhaltigkeit." (RRGV, 5.6.2024, S.5)
Weder in Friedenszeiten, am allerwenigsten zu Zeiten der Kriegsvorbereitung darf deshalb die politische Kommunikation von oben nach unten dahingehend versagen: "...muss sich die Politik eingestehen, dass es ihr häufig nicht gelingt,verständlich zu machen, was sie tut und warum sie es tut" (Steinmeier, 23.5.2024)15
Die runde Jahreszahl 75 auch der NATO bietet die willkommene Gelegenheit, angesichts der konkreten Vorbereitung des grossen (NATO-) Krieges und der verlangten Verzichts- und Opferbereitschaft seitens der Bevölkerung, die staatlich organisierte Meinungs- Urteils- und Willensbildung definitiv auf das Ziel auszurichten, die gesamte der politische Macht subordinierte demokratische Gesellschaft zum Ja zu ihrer Verzichts- und Opferbereitschaft, zum Ja zum Krieg zu bewegen und zu besiegeln. Ein Loblied und eine Jubiläums-Gratulation zur NATO-Kriegsvorbereitung seitens der politischen demokratischen Herrschaft ist anlässlich der runden NATO- und Demokratie-Jahreszahl fällig:
Steinmeier gratuliert zu 75 Jahren NATO [...] Der Bundespräsident schreibt: [...] bin ich stolz darauf [...] Wir haben 100 Milliarden Euro zusätzlich für die Bundeswehr mobilisiert, und wir sind dabei, eine komplette deutsche Brigade dauerhaft an der Ostflanke in Litauen zu stationieren. Wir werden weiterhin in unser Militär investieren. (Steinmeier, 3.4.2024, Pressemitteilung)16
Dabei versteht es sich von selbst, jeglicher aufkeimenden Meinung oder Einsicht zu begegnen, die der Ansicht ist, Gewalt und Krieg, die maximal denkbare Form von physischer und traumatisierender Gewaltanwendung, widersprächen keineswegs den hohen Werten der Demokratie: Solche Meinungen gehören im demokratischen Reich von Toleranz und Meinungsfreiheit ausgegrenzt und der öffentlichen Aufmerksamkeit und Wahrnehmung entzogen, wo nicht gleich verfolgt. Das soll inzwischen auch gegenüber Wissenschaft, Forschung und Lehre gelten:
Wissenschaft im Weltkriegsformat [...] Formierung der deutschen Wissenschaftslandschaft [...] die deutsche Hochschullandschaft immer offensiver auf die politische Linie des Auswärtigen Amts festzulegen", lautet die politische Generallinie.17
Demokratische Argumente für Kriegsbereitschaft und Krieg
In eins mit der Ausrichtung der politischen Meinungs-, Urteils und Willensbildung auf den geplanten grossen Krieg mittels der ausgerufenen "Zweiten Zeitenwende" ist die politische demokratische Herrschaft so frei, das ohnehin moralisch-sittliche Bewusstsein der Bevölkerung rund um die Uhr ausgiebigst und mit reichlich falschen, sachfremden "Argumenten" dieser Art zu bedienen: "Schliesslich handelt es sich um ein Wesensmerkmal der Demokratie, in Streitfragen nicht auf gewaltsame Mittel zurückzugreifen." (LPP, Demokratie und Frieden)18Eine weitere fest etablierte Methode, mit falschen, sachfremden Argumenten einen kriegswilligen Mentalitätswandel in der Bevölkerung zu erwecken, zu erzeugen und voranzutreiben besteht darin, Russland einen neo-zaristischen Imperialismus und die Rückkehr zum slawophil-panslawistischen 19. Jahrhundert "in seinem neoimperialen Wahn" (Gauck, 6.11.2023) anzudichten; unter geflissentlicher Aussparung des seit 1949 in der Präambel des Grundgesetzes fixierten und offen erklärten deutschen Imperialismus; unter geflissentlicher Aussparung der imperialistischen Grosstaten des NATO-Westens seit 1945; sowie unter geflissentlicher Aussparung des erklärten imperialistischen NATO-Selbstverständnisses, demnach die oberste NATO-Priorität ganz nach Truman darin besteht, im Interesse US-geführter westlicher Weltherrschaft, die NATO zur global unumstrittenen Militärmacht zu institutionalisieren: "Relations with partners across the globe", im NATO-eigenen Jargon gesprochen. (NATO 2030, Relations with partners across the globe, 7.3.2024)19
Was die Vorgeschichte des Ukrainekriegs angeht, da gehört um der Verbreitung falscher, sachfremder Argumente und um der kriegstauglichen Deutungshoheit willen, eine grundlegende Umschreibung der Geschichte dazu. Auch jeder Pazifismus ist moralisch zu diskreditieren und auszugrenzen, soll der Mentalitätswandel erfolgreich sein und den Willen zum Krieg bei der Bevölkerung erwecken. (Gegen-) Kontextualisierung heisst der propagandistische Schlagwort-Titel des Inhaltes:
Über eine bestimmte „Kontextualisierung“ werden den westlichen Staaten, den USA und der NATO provozierende Schritte – etwa im Falle der Osterweiterung – vorgeworfen, die Russlands Handeln in die Nähe einer Notwehrhandlung zu bringen versuchen. (KAS, 16.2.2024, Auf dem Weg zu einer 'Querfront'?)20
Fester Bestandteil der demokratisch organisierten strategischen Kommunikation und Kultur ist inzwischen die Methode der prophetischen Zukunfts-Vorhersagung. Die weiss, ohne sich über eine Glaskugel zu beugen, ganz unzweifelhaft: "Man muss davon ausgehen, dass Russland 2029 in der Lage sein wird, einen Nato-Staat anzugreifen." (Pistorius, In 5 Jahren kann Putin die NATO angreifen, 12.6.2024)21 Ebensogut könnte man bzw."muss man davon ausgehen", dass 2029 sich nicht mehr die Erde um die Sonne, sondern die Sonne sich um die Erde drehen wird - um die inhaltliche und logische Absurdität dieses Elements der demokratischen Kriegspropaganda zu kennzeichnen. Bekundet hat die prophetische Zukunfts-Vorhersagung allerdings ihre unbedingte Kriegswilligkeit und Kriegsvorbereitung.
Assistiert ebenfalls rund um die Uhr ist die demokratische Willensbildung angesichts der Zweiten Zeitenwende bei der Verbreitung falscher, sachfremder "Argumente" durch die demokratischen Leitmedien, durch die einschlägigen Denkfabriken, durch sonstige Professoren und "Experten", sowie durch journalistische Moderatorinnen und Moderatoren in den Polit-Talkschows. Sie alle zeichnen sich durch einen ausgeprägten Willen zum Krieg aus und tun sich beim Ausgrenzen und moralischen Herabsetzen der vom Willen zum Krieg abweichenden Meinungen und Ansichten hervor. Politisches Ziel dieser strategischen Kommunikation und Kultur: Die gezielte Verbreitung von moralischen Verachtungs- und Verdammungsurteilen gegenüber vom offiziellen Kriegskurs abweichenden Meinungen und Ansichten.
Allerdings: Einfach nur roh und ungeschminkt den Willen zum Krieg, den Willen zur Verzichts- und Opferbereitschaft, den Willen zur Todes- und Tötungsbereitschaft von der Bevölkerung verlangen, das erscheint der demokratischen politischen Herrschaft als nicht hinreichend, um den Mentalitätswandel erfolgreich herbeizuführen.
Die propagandistische Verwandlung und Veredelung der groben Wirklichkeit der Demokratie in einen schönen Schein; sowie die propagandistische Verwandlung und verschönernde Veredelung der staatlichen Gewalt, beides ist zwar seit 1945 selbstverständlicher Usus demokratischer Meinungs-, Urteils- und Willensbildung; was den staatliche Willen zum Krieg angeht: Da leistet die altbewährte und von allen Staaten der Neuzeit in Anschlag gebrachte Ideologie namens Verteidigung-Sicherheit-Schutz beste Dienste, um ihren Willen zum Krieg zu veredeln.
In der westlichen Wertegemeinschaft: Verteidigung-Sicherheit-Schutz der Demokratie, der westlichen Welt und Werte; und, natürlich auch, der Bürger, die dafür geopfert werden sollen. Diese hehren Ziele des demokratischen Willens zum Krieg begründen und rechtfertigen ethisch-moralisch das jederzeitige "Recht zum Krieg" (jus ad bellum) gegen das Böse, Schlechte und Unheilvolle - als gerechte Gewalt und gerechter Krieg (bellum justum): von Anbeginn an gegen Russland, damals noch in Gestalt der UdSSR.
Die "Zweite Zeitenwende", die ethisch-moralisch Rechtfertigung des nunmehr konkret geplanten Gewalteinsatzes gegen Russland, der Hunderttausenden oder Millionen, Soldaten, Zivilisten, Kindern und Frauen Gesundheit oder das Leben kosten wird; das bedarf einer äusserst intensiven Verhimmelung und Verschönerung von Demokratie und kriegswilliger Gewalt: "Das lässt sich nur erreichen, wenn wir unsere langfristigen aussenpolitischen Ziele klar benennen und erklären, aus welchen Werten und Interessen sich diese Ziele ableiten." (Kiesewetter), Juli/August 2017)