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Berlin: Kampf um die Rummelsburger Bucht in Lichtenberg

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Zwischen Verdrängung, Aufwertung und Widerstand Berlin: Kampf um die Rummelsburger Bucht in Lichtenberg

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Politik

Die meisten alteingesessenen Lichtenberger*innen haben die Rummelsburger Bucht – die an die Bezirke Lichtenberg und Friedrichshain angrenzende Spreebucht – nicht gerade als Erholungsgebiet kennengelernt.

Rummelsburger Bucht, Friedrichshain, Berlin, März 2019.
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Rummelsburger Bucht, Friedrichshain, Berlin, März 2019. Foto: Neuköllner (CC BY-SA 4.0 cropped)

Datum 25. März 2019
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Zu DDR-Zeiten befand sich hier zum Beispiel ein Grossplattenwerk des Volkseigenen Betriebes Hochbau Berlin. Die Abwässer des Betriebes verschmutzten den Rummelsburger See. Vor der Wende wurde begonnen die angrenzenden Industriebetriebe zu schliessen.

Nach der Wende war die DDR-Industrie im Zuge des Ausverkaufs der gesamten Volkswirtschaft ohnehin dem Untergang geweiht und so erlangte das Areal einige Berühmtheit durch seine leerstehenden Fabriken und Lagerhallen, in denen in den 1990ern illegale Partys stattfanden. Ein Teil der Lagerhallen steht heute noch und wurde unter Denkmalschutz gestellt. Zuletzt ist dieses Areal populär geworden als 2017 die ehemalige Teppichfabrik besetzt wurde.

Heute gibt es um die Rummelsburger Bucht verschiedene Nutzungsformen: Grünflächen für die Naherholung der Anwohner*innen, einen Biergarten, einen Tretbootverleih, die Wohnhäuser an der Hauptstrasse, einen Wagenplatz, das Jugendschiff »Freibeuter« und Bootsanlegestellen, Gewerbeflächen und Werkstätten, Proberäume für Bands, Clubs und ein Obdachlosencamp, das allerdings nur bis Ende April 2019 von der Bezirksverwaltung geduldet wird.

Wie es sich eben verhält mit Grund und Gebäuden, aus denen man Geld machen kann, geriet auch die Rummelsburger Bucht in den Blick der Immobilienunternehmen, Vermieter*innen, Aufwerter*innen und Verdränger*innen.

Die Halbinsel Stralau, auf der Friedrichshainer Seite des Sees, ist heute mit sogenannten Townhouses dicht bebaut – eine Gated Community für Wohlhabende. Bereits in der Vergangenheit wurde versucht, auch die Lichtenberger Seite zu gentrifizieren. Aber es fehlte an Investoren. Die aber gibt es nun und so soll auch die Lichtenberger Seite bebaut werden.

Alternativer Bebauungsplan statt Top-down-Politik

Dagegen regt sich Widerstand. Bereits im Oktober 2018 fand entlang der Rummelsburger Bucht eine Demonstration gegen den Bebauungsplan-Ostkreuz statt. Jacky von der Initiative »Gegen den Bebauungsplan-Ostkreuz« war aktiv an der Vorbereitung der Demo beteiligt und fordert weniger Touristenhotspots, sondern mehr bezahlbaren Wohnraum und soziale Infrastruktur für die Anwohner*innen. »Der Bebauungsplan bedeutet für alle Nutzer*innen der Rummelsburger Bucht eine Verdrängung. Die geplanten Wohnungen werden sehr teuer sein und die wenigen Wohnungen auf Wohnberechtigungsschein werden wohl direkt an der S-Bahn stehen oder sich in irgendwelchen dunklen Erdgeschossen befinden.«, sagt Jacky gegenüber lcm.

Markus ist Vertreter der Mieter*innen der Padovicz-Häuser in der Lichtenberger Hauptstrasse 1g-i, die abgerissen werden sollen. Auch dort setzen sich seit einem Jahr die Mieter*innen politisch zur Wehr. Diese Initiative ist aus einer berlinweiten Vernetzung, dem Padovicz WatchBlog, hervorgegangen. Markus ergänzt: »Im Grunde findet auf der Lichtenberger Seite der Rummelsburger Bucht eine nachholende Entwicklung statt.

Vergleichbar mit der Mediaspree. Auch dort ging es zuerst um die Wassergrundstücke. In der Rummelsburger Bucht versucht man, die Fehler der Politik von damals zu umgehen, indem man hier zwar eine Promenade am Wasser bestehen lässt, aber alles, was zwischen der Hauptstrasse und dieser 2m-Promenade liegt, wird privatisiert. Bereits jetzt ist schon alles eingezäunt und ein Teil des Naherholungsgebietes ist nicht mehr nutzbar. Die Rummelsburger Bucht ist eine der wenigen grösseren Flächen, wo die private Bebauung nicht bis ganz an das Wasser reicht.«

An der Rummelsburger Bucht wehren sich alle Initiativen gemeinsam gegen den Bebauungsplan der Bezirksverwaltung. Zurzeit wird an einem alternativen Bebauungsplan gearbeitet, in dem alle integriert sind, aber die Interessen der Investoren zurückgedrängt werden. Jacky und Markus berichten über ihre bisherige Arbeit und Ziele: »Es gab eine Ideenwerkstatt, Geländebegehungen und die Demo, um den Beschluss der BVV über den Bebauungsplan zu verhindern.

Dadurch haben sich zum Beispiel auch Schüler*innen- und Elternvertreter*innen angeschlossen. In den nächsten Wochen wird unser alternativer Bebauungsplan veröffentlicht. Was schon jetzt gesagt werden kann ist, dass darin kein Aquarium enthalten sein wird, dafür aber die Interessen der Anwohner*innen ihren Ausdruck finden.«

Allerdings schätzen Jacky und Markus auch ein, dass die Lichtenberger BVV diese Vorschläge verändern wird. Sie wollen aber Verantwortung für ihren Kiez übernehmen, die ihnen von der Politik nicht zugetraut wird. Beide blicken hoffnungsvoll in die Zukunft.

Denn im September 2018 hat sich Bürgermeister Michael Grunst (Die Linke) auf dem Wasserfest in der Rummelsburger Bucht aufgepumpt und verkündet, dass Anfang 2019 die Bagger rollen werden. Aber davon ist bisher nichts zu sehen. Da hat er sich wohl geirrt und das hat daran gelegen, dass sich die Initiativen quer gestellt haben und sich die BVV nicht getraut hat, den Bebauungsplan zu beschliessen. Jacky und Markus haben die Erfahrung gemacht, dass Ihre Forderungen von immer mehr Lichtenberger*innen unterstützt werden.

Die LINKE und ihre solidarische Stadt

Auch für Obdachlosen ist die Lichtenberger Seite der Rummelsburger Bucht einer der wenigen Zufluchtsorte: citynah, dicht an der Bahn, die Bepflanzung bietet Schutz und Rückzugsorte, es gibt eine halbwegs solidarische Nachbarschaft und es gab das Jugendschiff »Freibeuter«, wo sie auf die Toilette gehen oder sich eine Tee holen konnten. D.h. es gibt hier viele Leute, die sich miteinander arrangieren. Auf der Stralauer Seite sieht das ganz anders aus. Dort gibt es eine Bürgerwehr der Reichen, die das Jugendschiff »Freibeuter« abfotografieren und am liebsten weghaben wollen.

Die Linke stellt in Lichtenberg den Bürgermeister. Auf Ihrem Landesparteitag im Dezember 2018 wurde der Leitantrag für eine solidarische Stadt beschlossen. Doch vor Ort ist wenig von den schönen Worten zu merken: »Die Politiker*innen verspotten uns Aktivist*innen an der Rummelsburger Bucht, sie nehmen uns nicht ernst oder wollen uns für ihre Zwecke vereinnahmen“, beschwert sich Jacky. „Die Politiker*innen vertreten ganz klar die Interessen der Investor*innen.«

Auch Markus hat ähnliche Erfahrungen gemacht: »Die Linke ist in Lichtenberg zwar total faul, aber hellhörig, wenn sich Widerstand regt. Die Zusammenarbeit mit der Lichtenberger Linkspartei ist eher mühselig. Es ist schwierig, sich überhaupt auf irgendetwas zu einigen, was tatsächlich hält und woran sich vor allem die Partei hält. Im Grunde machen sie business as usual. Sie setzen das fort, was früher andere Parteien gemacht haben.«

Bis 2016 haben SPD und CDU in Lichtenberg regiert. Die CDU hat damals den Stadtentwicklungsrat gestellt und die SPD die Bürgermeisterin. Die ehemalige Bürgermeisterin der SPD, Frau Monteiro, ist die jetzige Stadtentwicklungsrätin. Frau Monteiro macht tolle Bürgerrunden, aber man kann mit ihr nichts verabreden. Sie ist entweder naiv oder untätig. Sie versucht kritische Bürger*innen zu umarmen, um deren Initiativen ins Leere laufen zu lassen.

Der »Freibeuter«

Ebenfalls Teil des Kiezes ist das Jugendschiff »Freibeuter«. Der »Freibeuter« aber steht vor einem grossen Problem: Er soll weg. Am 15. Februar wurde das Boot von schwer bewaffneten Beamten der Berliner Polizei geräumt und soll nun für einen Umbau aus der Stadt geschafft werden.

Mario ist einer der Jugendlichen vom »Freibeuter« und erklärte ein paar Tage vor der Räumung: »Wir lassen uns nicht unter Druck setzten. Von Karuna halten wir überhaupt nichts. Die sitzen im verhinderten Google-Campus und lassen sich von denen dort die Ausstattung und Miete sponsern. Wir lehnen Sozialarbeit als profitorientiertes Unternehmen ab. Wir wollen einen selbstverwalteten Freibeuter, zusammen mit den Obdachlosen und den Anwohner*innen.« Aber Karuna hat auch Leute auf ihrer Seite und so wurden auf dem »Freibeuter« die Gruppen gegeneinander ausgespielt.

Die Leute, die sich erhofften eine Verlängerung zu bekommen, machten Projekte um sich bei Politikern wie Florian Schmidt (B'90/Die Grünen) beliebt zu machen und hatten sich als Kooperationspartner das Sozialunternehmen Karuna an Bord geholt. Karuna sollte der Investor sein, der in die Obdachlosenhilfe einsteigen will und deswegen auch im Auftrag der Stadt die Obdachlosen im Camp auf der Brache der Rummelsburger Bucht versorgt. Denn es macht sich natürlich nicht gut in der Presse, wenn die Obdachlosen einfach weggeschickt werden.

Zudem werden die Obdachlosen auch gegeneinander ausgespielt: Sinti-Obdachlose gegen deutsche Obdachlose. Die Sintis sollten bis zum 12. Dezember 2018 geräumt werden – die Räumung gab es dann nicht, aber sie sind so gegangen. Und Karuna versucht nun hier die Wogen zu glätten und sorgt dafür, dass daraus kein öffentlicher Skandal entsteht. Die verbliebenen Obdachlosen werden noch für zwei Monate geduldet.

Jacky und Markus sehen die Sache so: Die Hilfe, die von Karuna angeboten wird, ist fokussiert. Sie dient nicht dazu, dass Leute frei leben können, sondern das Ziel ist es, bis April 2019 die Obdachlosen aus der Rummelsburger Bucht wegzukriegen. Dann wird es so laufen wie in der Ohlauer Schule. Ein Teil wird sich auf bestimmte Deals einlassen, ein Teil wird verschwinden, ein Teil ist ja schon gegangen, ein Teil wird kämpfen und so wird die Gruppe immer kleiner und immer mehr gespalten.

Nichtdestotrotz geht der Widerstand rund um die Rummelsburger Bucht weiter. Die verbliebenen Aktivist*innen vom Freibeuter sind gut vernetzt und erfahren Solidarität von Initiativen, die ihre Auseinandersetzung auch als einen Stadtteilkampf wahrnehmen. Mit ihren anderen Booten wollen sie bleiben, obwohl sie von zunehmenden Kontrollen der Wasserschutzpolizei belästigt werden.

lcm