Die Aktion soll darauf aufmerksam machen, dass Millionen von Menschen bereits jetzt von dramatischen Folgen der Klimakatastrophe betroffen sind, während Deutschland nach wie vor weit mehr CO2 in die Atmosphäre emittiert, als die 1,5 °C Grenze erlaubt. Merle Brandt berichtet aus der Blockade: "Wir setzen uns hier für eine klimagerechte Welt ein. Dazu gehört an oberster Stelle auch die Bekämpfung von Rassismus und kolonialen Strukturen. Deutschland und andere hochindustrialisierte Länder produzieren seit je her auf Kosten anderer - das hat sich seit der Kolonialzeit nicht verändert. Mit unserer Aktion wollen wir uns mit allen Black, Indigenous und People of Colour und aktuell ganz besonders den Zapatistas solidarisch zeigen, die sich seit Jahrzehnten dieser Ungerechtigkeit widersetzen."
Die Zapatistas gehören einer autonomen Gemeinschaft in Mexiko an. Seit 1994 kämpfen sie erfolgreich gegen die Ausbeutung ihres Landes und engagieren sich für Selbstbestimmung und einen respektvollen Umgang mit der Natur. Eine Delegation der Zapatistas reist diesen Sommer durch Europa und besuchte bis vor wenigen Tagen das Dorf Lützerath - eines der vom Braunkohleabbau bedrohten Dörfer direkt am Tagebaurand. "Weltweit verlieren etliche Menschen aufgrund der Folgen der Klimakatastrophe ihr Zuhause. Gleichzeitig werden auch hier in Lützerath Menschen aus ihren Häusern vertrieben, und das für den Abbau von Braunkohle, die dann die Klimakatastrophe weiter befeuert. Das ist doch absurd!" ergänzt die Aktivistin.
Als Bundesregierung hatten SPD und CDU diesbezüglich nicht die 1,5-Klima-Grenze im Blick. Auch im Wahlkampf betonten beide Parteien immer wieder, am Kohlekompromiss festhalten zu wollen, und nur auf öffentlichen Druck wurde die Möglichkeit eines früheren Ausstiegs in Aussicht gestellt. Dennoch sollen Dörfer wie Lützerath oder Keyenberg für den Kohleabbau abgerissen werden.
"Dass SPD und CDU weiterhin am Kohleausstieg 2038 festhalten zeigt, dass die beiden grössten Parteien in Deutschland das bedeutendste Problem unserer Zeit einfach nicht verstanden haben. Statt nach den unabhängigen wissenschaftlichen Berichten des Weltklimarats und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zu handeln, lässt sich die Politik von Kapital- und Profitinteressen steuern. Wir rasen geradewegs auf eine Erderwärmung von mehr als 2,7 °C zu, das wird nicht lustig!" sagt die Aktivistin. Der Ausstieg müsse, da in der Politik nichts passiere, hier und heute selbst in die Hand genommen werden. Statt RWE mit Milliardenentschädigungen zu versorgen und Menschen aus wirtschaftlichen Profitinteressen zwangszuenteignen, solle Deutschland lieber in den sofortigen Umstieg auf 100 % erneuerbare Energien investieren.
Und das sei erst der Anfang: "Unser Ziel ist das Gute Leben für Alle. Ein zukunftsfähiges, demokratisches Leben, mit Respekt für Mitmenschen, Natur und Klima." Fraglich ist, ob das in einem System funktioniert, welches auf Wachstum, Profitzwang und Kapitalakkumulation basiert. Eins ist jedoch sicher: Solange sich nichts an der jetzigen Politik ändert, wird es wohl noch einige Baggerblockaden geben.
Update: 13 Aktive der Baggerbesetzung am Tagebau Garzweiler für bis zu sieben Tagen in Gewahrsam
Menschen der Gruppe "Gegenangriff - für das Gute Leben“, die in der Nacht von Donnerstag auf Freitag Bagger des Braunkohletagebaus Garzweiler II besetzten, befinden sich noch immer in Gewahrsam. Nachdem acht der Blockierenden noch am Abend des 01.10. die Gefangenensammelstelle in Aachen ohne Identitätsfeststellung verlassen konnten, hält die Polizei 13 weitere Menschen fest. Laut richterlichen Beschlusses sollen sie bis zu sieben Tage in Gewahrsam verbleiben. Ihnen wird Hausfriedensbruch vorgeworfen. Bei dem Tagebau Garzweiler II handelt es sich nicht um ein vollständig umfriedetes Gelände, weshalb Vorwürfe dieser Art juristisch bereits bei vorhergegangenen Aktionen nicht tragbar waren. Das zeigt, dass gezielt Polizeigewalt und Repressionen angewendet werden, um Menschen davor abzuschrecken sich für Klimagerechtigkeit einzusetzen. Über den Zustand der sich in Gewahrsam befindenden Menschen ist wenig bekannt, da die Polizei nicht allen ihr Grundrecht auf einen Anruf gewährte.Die friedliche Protestaktion hatte das Ziel darauf aufmerksam zu machen, dass Millionen von Menschen bereits jetzt von dramatischen Folgen der Klimakatastrophe betroffen sind. Währenddessen wird in Deutschland weiter Kohle abgebaut und die Klimakrise beschleunigt. Deutschland emittiert pro Kopf nach wie vor weit mehr CO2 in die Atmosphäre als der Globale Süden.
„Es kann nicht sein, dass die Polizei Menschen wegsperrt, die das tun, was die Politik seit Jahren verspricht und was bitter notwendig ist, nämlich effektiven Klimaschutz“, so die Sprecherin Lara Nussbaum. „Die Politik hat der Einhaltung des 1,5 Grad Ziels zugesagt. Das bedeutet, dass am Tagebau Garzweiler II keine Kohle mehr gefördert werden darf. Unsere Freund:innen, die jetzt weggesperrt werden, haben sich nur konsequent für die Einhaltung des Klimaabkommens und die Erhaltung unserer Lebensgrundlage eingesetzt. Denn Klimaschützen ist kein Verbrechen!“
Die Aktiven der Gruppe berichteten von massiver Gewalt von Securitymitarbeitenden in der Grube. Aktivisten wurden in etlichen Metern Höhe körperlich angegangen und geschubst. Rucksäcke wurden von den Rücken gerissen und von den Kohlebaggern geschmissen. "RWE will ihre Kapitalinteressen durchsetzen und gefährdet dabei rücksichtslos Menschenleben. Dennoch werden Klimaaktivisten verurteilt. Die Konzerne jedoch nicht", so eine Aktivistin der Gruppe.
Für den weiteren Abbau von Braunkohle soll im Tagebau Garzweiler ab November das Dorf Lützerath zerstört werden. Gestern fand dort eine gemeinsame Pressekonferenz statt. Dort sprachen neben der Gruppe "Gegenangriff - für das gute Leben" verschiedene Akteure der Klimagerechtigkeitsbewegung. Sie solidarisierten sich mit der Blockadeaktion und kündigten weitere Aktionen an, um Lützerath zu erhalten und den Braunkohleabbau zu stoppen.
Auf Grund des neuen Polizeigesetzes ist es möglich Menschen bis zu sieben Tage zur Personalienfeststellung in Gewahrsam zu halten. Damals kritisierte das Bündnis „Nein zum neuen Polizeigesetz NRW“ das Gesetz als „massiven Eingriff in die Grundrechte von Millionen von Menschen“.
Die Sprecherin der Aktion folgert daraus: „Die Verschärfung der Polizeigesetze vor einigen Jahren und die drohende Verschärfung des Versammlungsgesetzes zeigt, dass es nicht reicht, nur gegen Klimazerstörung zu kämpfen. Ein zukunftsfähiges, demokratisches und klimagerechtes Leben, können wir nur erreichen, wenn wir uns auch gegen die autoritären Verschärfungen im Staat stellen.“