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Sahras finale Form: Querfront und Klasse

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Querfront und Klasse Sahras finale Form

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Politik

Sahra Wagenknechts neue Partei BSW wird der AfD kaum schaden, sondern eher die politischen Gewichte weiter nach rechts verschieben.

Sahra Wagenknecht (MdB, BSW) spricht bei der Friedensdemonstration
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Sahra Wagenknecht (MdB, BSW) spricht bei der Friedensdemonstration "Nein zu Kriegen". Der Aufruf zur Demonstration mit dem Motto „Nein zu Kriegen - Rüstungswahnsinn stoppen - Zukunft friedlich und gerecht gestalten“ wurde von Linke-Politikern, Gewerkschaftern und Künstlern unterstützt. Auftaktkundgebung 13 Uhr, Brandenburger Tor, 25.11.2023, Berlin. Foto: F3RaN (CC-BY-SA 4.0 cropped)

Datum 8. Februar 2024
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Vor allem eine Legende ist es, mit der viele Wagenknecht-Fans sich den Übertritt in die Querfront schönreden: Das Ganze soll sich eigentlich irgendwie gegen die AfD richten. Wagenknechts national-soziale Formation – in charakteristischer Bescheidenheit auf den Namen "Bündnis Sara Wagenknecht" (BSW) getauft – werde dem Rechtsextremismus den Wind aus den Segeln nehmen.

Das reimt man sich folgendermassen zusammen: Es gebe ein grosses Potential an Protestwählern, die nur aus Mangel an einer populistischen Alternative die von Faschisten dominierte AfD wählten. Wagenknecht würde nun diese Wählergruppe ansprechen und so dem Faschismus schaden – auch wenn sie sich zu diesem Zweck womöglich wie eine weichgespülte Faschistin anhören muss.1 Die FAZ etwa mahnte die Lieblingslinke der deutschen Rechten schon Ende Oktober, dass sie der AfD nur "gefährlich" werden könne, wenn sie sich weiter "radikalisiert".2

Mal ganz abgesehen davon, dass hier die Selbstdarstellung der AfD als Partei des "besorgten Bürgers" für bare Münze genommen wird – das schwerwiegendere Problem besteht schlicht darin, dass es Ausdruck der allgegenwärtigen Tendenz zur Verdinglichung des Denkens ist. Es wird eine Lücke für eine "AfD-light" Wagenknechts imaginiert, die man nur durch ein entsprechendes politisches Angebot füllen müsse, um die AfD zu schwächen. Viel entscheidender aber ist, dass sich die gesellschaftliche Stimmung insgesamt seit Jahren nach rechts bewegt.

Das politische Koordinatensystem, in nun eine Lücke für die "AfD-light" Wagenknechts imaginiert wird, ist ja nicht in Stein gemeisselt. Es ist vielmehr ein dynamisches, im permanenten Wandel befindliches System, das seit Jahren einer Rechtsdrift ausgesetzt ist. Die Grenzen des öffentlich Sagbaren sind seit der Sarrazin-Debatte und dem Aufkommen der AfD immer weiter nach rechts verschoben worden, bis hin zur offenen Hetze.

Die Neue Rechte hat bei vielen Themen - wie die letztjährige Migrationsdebatte offenlegte3 - schlicht die Diskurshegemonie errungen, sodass auch die Idee davon, was eigentlich die politische "Mitte" ausmacht, einem reaktionären Wandel erfahren hat. Und dass Frau Wagenknecht auch persönlich keine Berührungsängste gegenüber Nazis hat, macht ihre jahrelange Korrespondenz mit dem Rechtsextremisten Gernot Mörig klar.4

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Damit wird durch das BSW schlicht die in offene Faschisierung übergehende Rechtsdrift des politischen Spektrums der Bundesrepublik weiter befördert, indem eine politische Landschaft mit vielen Brauntönen entsteht, in der es kaum noch nicht-rechte Kräfte gibt (ähnlich den Zuständen in Ländern wie Ungarn). Aktuell kann dies an den Umfragen in Sachsen Anhalt studiert werden, wo mit der AfD, der CDU und dem BSW nur verschiedene Rechtsparteien im Landtag zu finden wären, sollten jetzt dort Landtagswahlen stattfinden.5 Selbst wenn Wagenknechts national-sozialer Wahlverein wider Erwarten nicht das Schicksal ihres desaströs gescheiterten Politprojektes Aufstehen teilt, wird dies somit nicht zu Stimmverlusten bei der AfD führen, auf jeden Fall aber zur weiteren Rechtsverschiebung der Gesellschaft.

An der Entstehung dieser Konstellation hat Wagenknecht hart mitgearbeitet. Kaum eine Politikerin hat mehr zur Etablierung und zum Aufstieg der AfD beigetragen,6 als Wagenknecht in ihrer einträglichen Rolle als rechte "Tabubrecherin" innerhalb der Linkspartei.7 Spätestens seit der sogenannten Flüchtlingskrise war es gerade die medial dauerpräsente Politikerin, die schon bald damit anfing, Angela Merkels Flüchtlingspolitik von rechts zu kritisieren und die AfD damit bei ihrer Hetze gegen Migranten zu unterstützen, was ihr Lob von vielen und etliche Übertrittsangebote von der AfD einbrachte.8

Eine Zeitlang gingen Rechte dazu über, ihre öffentlichen Angriffe auf Flüchtlinge damit zu legitimieren, dass auch die "linke Wagenknecht" ihre Meinung teile. Die "Gast-Rechte" (Spiegel) der Linkspartei, die gerne Asyl- und Gastrecht verwechselte, fungierte faktisch als Wegbereiterin dafür, dass die rechten Ansichten inzwischen hegemonial geworden sind.

Hinzu kommt noch der beeindruckende Haufen an verkürzter, nach rechts tendierender Kapitalismuskritik, den die "Finanzmarktkritikerin" in ihrer jahrelangen Besessenheit vom bösen, raffenden Finanzkapital produziert hat – und anhand dessen sich quasi lehrbuchartig die Genese faschistoider Krisenideologie nachvollziehen lässt, die das Kapitalverhältnis in ein gutes national-schaffendes und ein böses, international-raffendes aufspaltet.

Wagenknechts Geschäftsmodell

Wagenknechts Geschäftsmodell bestand spätestens seit der Flüchtlingskrise darin, Ressentiments mit pseudolinken Phrasen zu ummanteln. Die Erfinderin des Oxymorons "Linkskonservatismus" bediente damit die reaktionäre Stimmung in Teilen der Linkspartei. Ihre national-sozialen Tabubrüche und all die "unglücklichen" Formulierungen richteten sich an die Strömungen der Partei, die anfällig für rechte Ideologie sind – und die nun grösstenteils mit ihr die Partei verlassen. Wagenknecht agiert somit als eine zentrale Figur der deutschen Querfront, die faktisch, gleich einem Transmissionsriemen, rechte Ideologie in die erodierende Linke hineinträgt.

Nach aussen wirkte die Lieblingslinke der deutschen Rechten, deren Querfront-Amalgam in FAZ, Welt, Focus, Cicero oder Weltwoche jederzeit bereitwillig verbreitet wurde, vor allem als Kritikerin der Linken. Das war das zweite Standbein des Wagenknecht'schen Geschäftsmodells, das sie bei rechten Medien so beliebt machte: Sie delegitimierte progressive Politik der Linken mit der Wucht einer Abrissbirne. Mit dem Label "Linke" bei jeder Talkshow versehen, gab die medial dauerpräsente Wagenknecht oft reaktionäres Zeug von sich, das mit linken Grundsätzen nicht zu vereinbaren war. Ihre Popularität in den Medien und den sozialen Netzwerken rührt gerade aus dieser Masche, als pseudolinke Linken-Kritikerin aufzutreten und mit Feindbildern wie der identitätspolitischen "Lifestyle"-Linken hausieren zu gehen.

Die identitäre Lifestyle-Rechte

Dabei handelte es sich um Projektionen, wie sie im Querfrontmilieu weitverbreitet sind. Denn die millionenschwere und sozial abgekapselte Lifestyle-Rechte mit ihrer auf Selbstdarstellung fokussierten Politkarriere betreibt selbst Identitätspolitik. In ihrem neuesten Buch, "Die Selbstgerechten", feiert sie nationale Identitäten als "Zivilisationsgewinn" und schwärmt von der "Weisheit und den Traditionen" der postfaschistischen BRD des Wirtschaftswunders, von "Anstand, Masshalten, Zurückhaltung, Zuverlässigkeit oder Treue (…) Leistungsbereitschaft und Disziplin, Fleiss und Anstrengung, Professionalität und Genauigkeit".

Das Querfront-Ticket, das Wagenknecht anbietet, besteht darin, die rechte Forderung nach massenmörderischer Abschottung der Festung Europa in der voll einsetzenden kapitalistischen Klimakrise zu übernehmen, während man sich kulturalistischen Illusionen eines einstmals heilen Wirtschaftswunderlandes hingibt – bevor dieses von den Achtundsechzigern kaputtgemacht worden sei.

Die jüngst publik gewordenen Kontakte Wagenknechts zu einzelnen Rechtsextremen aus dem Dunstkreis der Identitären Bewegung scheinen vor diesem Hintergrund eigentlich nur konsequent. Eine Kooperation zwischen AfD und BSW ist nicht undenkbar – gesetzt dem Fall, Wagenknechts Wahlverein schafft es, dank massenmedialer Dauerpräsenz und millionenschwerer Parteispenden bei den diesjährigen Landtagswahlen in Ostdeutschland nicht nur über die nötige Organisierung zu verfügen, sondern auch die Fünfprozenthürde zu nehmen.

Querfront und Klasse

Das Projekt einer faschismuskompatiblen AfD-Light mit sozialem Anstrich findet offenbar zahlungskräftige Sponsoren aus den Reihen des Mittelstandes und der Familienunternehmer – also genau demselben Milieu, aus dem sich auch viele Förderer der AfD rekrutierten. Der IT-Unternehmer Ralph Suikat gilt als wichtigster Förderer des BSW. Das Internetportal Telepolis des IT-Verlags Heise - das von einer Wagenknecht-Seilschaft der Linkspartei mit Verlagsdeckung übernommen wurde9 - und die Nachdenkseiten von Albrecht Müller sind grösstenteils auf Wagenknecht-Kurs. Auf Wohlwollen kann Sahras Querfrontprojekt auch bei Medien wie der Berliner Zeitung oder dem Freitag zählen, die dem IT-Unternehmensberater Holger Friedrich respektive dem Spiegel-Erben Jakob Augstein gehören. Mittelständler, Erben, reiche, alte, weisse Männer: Es ist vor allem die ob ihrer reaktionären Dispositionen berüchtigte, früher gern als "Kleinbourgeoisie" bezeichnete Klasse, die sowohl BSW wie AfD fördert.

Die mediale Rückendeckung des BSW ist somit inzwischen besser als die der Linkspartei. Und Wagenknecht wird über diese rechtsoffenen Medien der Kleinbourgeoisie weiter in die erodierende Linke hineinwirken – solange diese sich nicht offensiv mit ihrer Querfrontgeschichte auseinandersetzt. Und danach sieht es derzeit nicht aus, auch nicht in der Linkspartei, die jahrelang die Umtriebe ihrer medialen Frontfrau tolerierte und sich nun eher zum Opfer Wagenknechts und Hort des Antifaschismus stilisiert. Und in der – so darf vermutet werden – viele Opportunisten erst mal die kommenden Wahlen abwarten, bevor sie sich festlegen, in welcher Partei wohl die besten Karrierechancen winken.

Tomasz Konicz