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Deutschland: Bundestagswahl 2025

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Juchhu, wir dürfen wieder wählen! Deutschland: Bundestagswahl 2025

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Politik

Das Wahlvolk ist begeistert. Das lange Warten auf die nächste Bundestagswahl hat ein Ende, bald geht es wieder an die Urnen. Überall wird schon das Kreuzchenmachen geübt, in Wahlprogrammen gelesen...

Das Die-Linke-Spitzenduo zur Bundestagswahl 2025.
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Das Die-Linke-Spitzenduo zur Bundestagswahl 2025. Foto: Martin Heinlein - DIE LINKE (CC-BY 2.0 cropped)

Datum 8. Januar 2025
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So ist es natürlich nicht, wie jeder weiss. Es trifft das Gegenteil zu. Das wahlberechtigte Volk hat überhaupt nichts bestellt – hat ja auch in der Sache nichts zu bestellen. Ohne die ständigen Umfragen zur Brüchigkeit der Ampelkoalition und das Schielen der Parteien auf Neuwahlen hätte es von seinem Drängen nach einer vorzeitigen Auflösung des Parlaments gar nichts gewusst. Die Verwaltungsfachleute finden die Eile nicht gut, nur die CDU/CSU sieht grosse Chancen. Doch die politische Klasse wie ihre diensteifrige Öffentlichkeit stöhnt eher: Passt das eigentlich in die Zeit, kommt das nicht zu spät, wem nutzt der Überraschungscoup – und, vor allem, haben die verehrten Wähler und Wählerinnen kapiert, dass sie jetzt nichts falsch machen dürfen?

Denn die Sternstunde des demokratischen Lebens weist ihre Tücken auf. „Demokratie ist, wenn das Ergebnis stimmt“, hiess es letztens bei Overton. Tja, Wähler können vieles falsch machen – deshalb müssen Wahlen von vornherein aufs richtige Gleis gesetzt werden. Die FAZ (28.12.2024) mahnt die „Parteien der Mitte“, dass sie sich sich auf die feststehenden Staatsnotwendigkeiten einigen sollen und nicht die Wählerschaft zusätzlicher Verwirrung aussetzen. In der Rede des Bundespräsidenten klinge der Ernst der Lage durchaus an, so die FAZ, „die Anspielungen auf ‚Weimar' sind unüberhörbar“.

Also wieder eine Schicksalswahl? Ihre Vorbereitung geht aber jetzt ganz nach dem üblichen Muster. Mit der Vertrauensabstimmung im Bundestag und der Zustimmung des Bundespräsidenten ist der Wahlkampf eröffnet und die Parteien, die sich einen Platz im neuen Bundestag ausrechnen, haben ihre Kanzlerkandidatinnen und Kanzlerkandidaten sowie ihre Wahlprogramme präsentiert. Zwar sind diese nicht alle wie z.B. bei der AfD offiziell beschlossen, doch herrscht bei der Internet-Präsentation in Sachen Wahl 2025 kein Mangel an Informationen.

So bleibt es bei der üblichen Frage: Wen soll man warum wählen? Der im Folgenden aber eine eher unübliche hinzugefügt werden soll, nämlich danach, was man davon hat, wenn man seine Stimme in der Wahlurne versenkt.

Das Führungspersonal – ohne das nichts geht

Mit der – gross plakatierten – Vorstellung ihrer Kandidatinnen und Kandidaten dokumentieren die Parteien, dass Personen zur Wahl stehen. Das ist die Hauptsache. Das Wahlvolk kann sich entscheiden zwischen dem arrogant auftretenden Merz, dem verkniffenen Scholz, dem sich an Küchentische anwanzenden Habeck, der kühlen Blonden Weidel, die es dem Establishment zeigen will, oder der bürgernah auftretenden Wagenknecht, die weiss, was der kleine Mann braucht. Wahl ist hier also erst einmal Geschmackssache – bei einem vorausgesetzten weitgehenden Einverständnis. All diese Personen streben nach der Macht, was bedeutet: Sie wollen darüber bestimmen, wie andere Menschen zu leben haben; ihnen per Gesetz Vorschriften machen, festlegen, was ihnen zum Leben zusteht, wie viel ihnen vom Einkommen genommen wird usw. usf.

Nach Macht streben heisst eben, die Betreffenden wollen über den Gewaltapparat des Staates verfügen und diesen auch einsetzen, um ihren politischen Vorstellungen Geltung zu verschaffen. Mit der Wahl stimmen die Bürger diesem Macht- und Unterordnungsverhältnis zu, indem sie darüber befinden, wer über die Menschen im Lande bestimmen darf. Ganz gleich, für wen sie stimmen, ein Resultat ist damit programmiert: Der- oder diejenige, die die meisten Stimmen auf sich vereinigen, darf dann Macht gegen den Rest der Gesellschaft ausüben, ist dazu legitimiert. Und bei allem was der oder die so Gewählten dann machen, können sie sich stets auf den Wählerwillen berufen, auch wenn das Wahlvolk gar keine Ahnung davon hatte, welcher Wille da gerade in seinem Namen exekutiert wird. Ob Krieg in der Ukraine, Aufrüstung Deutschlands, Beihilfe zum Palästinenserabschlachten bis hin zur Wiedereinführung des Cannabis-Verbots oder dem Zurückfahren des Genderwahns – bei all dem können die Herrschenden dann auf ihre Legitimation durch den Wählerwillen verweisen.

Alle für Deutschland

Auch wenn viele Wähler ihre Entscheidungen nach den Nasen der Parteirepräsentanten treffen und die Wahlprogramme nicht kennen, sollen die verschiedenen Personen doch für unterschiedliche Politikrichtungen stehen, wie es heisst. Mit der Wahl der Person würde über die Art und Weise der Politik durch den Wähler entschieden. Deshalb lohnt es sich schon auf deren Parolen oder Wahlprogramme zu schauen. Dieses Studium macht die Wahlentscheidung allerdings nicht leichter, zeugen doch die Programme wie Parolen von einer weitgehenden Übereinstimmung. Hier die entscheidenden Stimmen:

„Politikwechsel für Deutschland“ (CDU), „Mehr für Dich – besser für Deutschland“ (SPD), „Wir sorgen für ein Land, das funktioniert“ (Die Grünen), „Programm für Deutschland“ (AfD), „Unser Land verdient mehr“ (BSW) – alles Ansagen, die die Wahlentscheidung nicht gerade einfach machen. Denn die Parteien eint das Anliegen, Deutschland gross und stark zu machen; dafür wollen sie alles tun und die Bürger in die Pflicht nehmen. Diese werden dafür nicht nur finanziell haftbar gemacht, sondern müssen gegebenenfalls auch ihr Leben einsetzen. Deshalb wird die Wehrerfassung aktualisiert, wobei es, siehe die Wehrpflichtfrage, zwischen den führenden Parteien keine nennenswerten Unterschiede gibt.

Dass sie mit dem bedingungslosen Einsatz für Grosse Ganze werben können, ist verwunderlich, kommen doch die Bürger im Gemeinwesen Deutschland sehr unterschiedlich vor. Schliesslich treten sich die Bürger hierzulande prinzipiell gegensätzlich gegenüber, als Käufer und Verkäufer, Mieter und Vermieter, Lehrer und Schüler, Polizist und Gesetzesübertreter … und, nicht zu vergessen, als Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Von einer Einheit kann insofern keine Rede sein. Wem die staatlichen Regelungen zur Stärkung Deutschlands dienen und wie sie die Bürger im Einzelnen treffen – das ist ganz unterschiedlich. Ihre Gemeinsamkeit besteht darin, dass sie alle der gleichen Obrigkeit gehorchen müssen. Und mit dem einmütigen Bekenntnis zu Deutschland machen es die Parteien ihren Wählern auch nicht leichter. Mit ihren Programmen wollen sie allerdings verdeutlichen, dass sie sich in der Art und Weise der Sorge um die Nation erkennbar unterscheiden.

„Wirtschaft ist nicht alles, aber ohne Wirtschaft ist alles nichts“ (CDU)

In der CDU-Parole drückt sich nicht nur die Stellung dieser Partei zu „unserer“ Wirtschaft aus – sieh an, sie ist dafür und nicht dagegen –, sondern man landet auch wieder beim selben Problem, dass ein Unterschied nur schwer auszumachen ist. „Wirtschaft ist nicht alles, aber ohne Wirtschaft ist alles nichts“, weiss die CDU, aber auch die SPD fordert: „Investitionsprämie statt bürokratische Förderprogramme (‚Made in Germany'-Bonus).“ Und die Grünen: „Wer in Deutschland investiert, soll es bei der Steuer leichter haben.“ Sowie die AfD: „Wir werden unser Land aus der Rezession holen und die Deindustrialisierung stoppen.“ Ebenfalls das BSW: „Für eine starke innovative Wirtschaft.“ Das Thema Wirtschaft und der Zustand der Wirtschaft stehen bei allen Parteien also ganz oben auf ihrer Liste und die CDU bringt es eben auf den Punkt. Die Stärke Deutschlands steht und fällt mit der Stärke seiner Wirtschaft.

Wirtschaft heisst freilich nicht, dass Güter hergestellt werden müssen, damit die Menschen versorgt sind und ihr Leben gesichert ist. Wenn die Wirtschaft in der Politik Thema ist, dann geht es darum, dass in der Wirtschaft Gewinne gemacht werden, also aus eingesetztem Geld mehr Geld wird. Dem ist alles untergeordnet. Hergestellt wird nur das, was sich lohnt, wenn also das vorgeschossene Geld – die Investition - einen möglichst hohen Überschuss erzielt. Dass das gelingt, dazu wollen alle Parteien durch ihre Politik beitragen, denn auch die Einnahmen des Staates leben vom Gelingen der Geschäfte, die auf seinem Hoheitsgebiet stattfinden.

Deshalb müssen vor allem diejenigen gefördert werden, die über Geld verfügen, die Reichen, die mit ihrer Anlagen über das Wohl und Wehe nicht nur von Deutschland entscheiden. Und so sind die Listen lang, was alles für die Förderung des Reichtums der Vermögenden getan werden kann bzw. muss: Verbilligung der Energie, Steuererleichterung, Investitionsförderung, Infrastruktur, Forschung ... und am Ende auch noch die Bildung. Denn für ein gelungenes Wirtschaftswachstum braucht es ständig einen entsprechenden Arbeitskräftenachschub.

„Für gute Arbeit und damit mehr Wohlstand für alle investieren wir in Wirtschaft und Wachstum“ (SPD)

Nicht nur der Staat ist von der Wirtschaft abhängig, natürlich auch die Masse der Bürger. Denn diese brauchen Geld, weil alles im Lande Eigentum ist, das nicht darin besteht, zum persönlichen Konsum zu dienen, sondern seinen Wert darin hat, dass es verkäuflich ist und andere darauf angewiesen sind. Für die besitzlose Masse besteht die alternativlose Möglichkeit, ans benötigte Geld zu kommen, nur darin, sich als Arbeitskraft zu verkaufen. Damit sind die Betreffenden von den Kalkulationen derer abhängig, die Arbeitskräfte beschäftigen, um ihren Reichtum zu vermehren.

In der Kalkulation der Unternehmen taucht der Lebensunterhalt der Beschäftigten allerdings in verfremdeter Gestalt auf, in Form von Lohn und Gehalt, also als Kost, die es niedrig zu halten gilt. Die Lohnabhängigen sind die abhängige Grösse des Geschäfts. Abhängigkeiten gelten im Alltag ja eher als etwas Negatives, aus dem man sich zu befreien versucht. Anders wird es aber – nicht nur – im Wahlkampf behandelt, nämlich nach marktwirtschaftlicher Logik. Die Parteien werben damit, dass sie sich um das Gedeihen der Sache kümmern, von der der Rest der Menschheit abhängig gemacht ist, um die Wirtschaft, die bekanntlich Privatsache ist, da wir glücklicherweise in „Freiheit“ und nicht in einer staatlich dirigierten „Zentralverwaltungswirtschaft“ leben.

Die Parteien wollen dafür gewählt werden, dass ihre grösste Sorge denen gilt, die über Vermögen verfügen und es mehren wollen. Und zwar durch den Dienst derjenigen, die mit ihrem Lohn oder Gehalt an allen Ecken und Enden auf Unterstützung angewiesen sind, wie die Wahlprogramme ebenfalls deutlich machen.

„Wir sagen, wie wir das Leben bezahlbar machen“ (Grüne)

Die Wahlkampfparole der Grünen drückt aus, dass das Leben von Lohn und Gehalt im kapitalistischen Alltag keine einfache Angelegenheit ist und in der Sache kennen sich – nicht nur – die Grünen aus. Sie haben ja mit ihrer Politik dazu beigetragen, dass sich das Leben der Bürger erheblich verteuert hat – etwa durch die Sanktionspolitik gegenüber Russland. Die Folgen sind in den Preissteigerungen überall spürbar. Doch nicht erst durch die Inflation ist das Leben von Lohnarbeit eine unsichere Angelegenheit, was sich auch an den „Wohltaten“ der Wahlprogramme ablesen lässt.

„Olaf Scholz hat bereits angekündigt, den Mindestlohn anheben zu wollen.“ (ZDF heute 17.12.2024) Auf Arbeit angewiesen zu sein, um zu leben, heisst eben nicht, dass jeder von seiner Arbeit auch leben kann. Aus dieser Not macht die SPD ein Argument für sich als „Arbeitnehmerpartei“, dabei hat sie all die Jahre daran mitgewirkt, dass es den Niedriglohnsektor gibt. Doch auch die CDU kennt die Nöte des kleinen Mannes: „Wir halten an der bestehenden gesetzlichen Regelung zum Renteneintrittsalter fest. Rentenkürzungen wird es mit uns nicht geben.“ (CDU)

Von Lohn und Gehalt können die meisten Menschen keine Vorsorge fürs Alter treffen und sind daher auf die gesetzliche Rentenversicherung angewiesen. Übrigens: Eine Versicherung, die Lohnabhängige sich nicht aussuchen können, die überwiegend aus Lohnkosten bestritten wird. Wer wann was aus dieser Kasse bekommt, wird gesetzlich geregelt, und so kann die Politik diese Kasse auch für ihre Zwecke nutzen, was sich immer wieder darin geltend macht, dass die Renten trotz gegenteiliger Beteuerungen eine unsichere Angelegenheit bleiben.

Die Art der Werbung mit der Rente durch die CDU ist auch für sich schon dreist. Dass die Partei auf weitere Verschlechterungen bei der Rente verzichten will, soll schon für sie sprechen. Dies macht aber auch deutlich, wie dringend die Mehrzahl der Bürger auf die Rente angewiesen ist, weswegen keine Partei das Thema auslässt und jede es für sich nutzen will. Wie auch das Thema Wohnen: „Die Miete muss bezahlbar sein. Darum werden wir den Mietmarkt so regeln, dass die Mieten nicht weiter durch die Decke gehen.“ (Die Grünen) Die Kosten fürs Wohnen übersteigen bei vielen Lohn- und Gehaltsbeziehern deren Zahlungsvermögen, was sich in langen Schlangen bei der Wohnungssuche, in Obdachlosigkeit und engem Wohnraum niederschlägt.

Wohnen ist in der Marktwirtschaft schliesslich an Grund- und Bodenbesitz gekoppelt, wer darüber verfügt, kann dies ausnutzen und entsprechende Preise verlangen. Grund und Boden sind nicht beliebig vermehrbar und so ist die Verfügung darüber eine sichere Einkommensquelle. Daran wollen die Grünen auch nicht rütteln und was von ihrem Versprechen zu halten ist, den Mietmarkt zu regulieren, haben sie bereits während ihrer Regierungszeit bewiesen. Sind die Mieten doch weiter explodiert, was kein Verstoss gegen die Mietpreisbremse der Ampel war.

„Normal ist ein Land, das seine Familien liebt“ (AfD)

Doch nicht nur das Wohnen belastet die Haushalte, bei allen Parteien stehen immer auch die Familien im Visier. „Förderung von Betreuungsangeboten: In Kitas, in Schulen und in Familien – mit Betreuungsgeld für Eltern und Grosseltern“ fordert z.B. die AfD. Die Familie ist deshalb ein Betreuungsfall, weil Arbeitengehen und Kindererziehen im Normalfall nicht mehr zusammenpassen. Ein Gehalt reicht wegen der gesenkten Löhne und Gehälter für den Unterhalt einer Familie nicht aus. Und so können sich die Partner die Betreuung der Kinder nicht einfach bei Halbtagsarbeit teilen. Beide müssen arbeiten und die Kinder müssen irgendwo geparkt werden. Deswegen wurde der Rechtsanspruch auf Kita-Betreuung in die Welt gesetzt – und nicht eingelöst –, Ganztagsschulen geschaffen usw. Die AfD will mit ihrem Betreuungsgeld nun den Lohnausfall kompensieren, wenn ein Partner – meist die Frau – sich ganz der Familie widmet.

Familienförderung ist notwendig, das sehen alle Parteien so, denn schliesslich braucht Deutschland Arbeitskräftenachschub und Soldaten. Aber nicht nur die Familie liegt im Argen, auch das Bildungs- und Gesundheitssystem: „Unser Land verdient mehr Lehrer & Ärzte“ (BSW). Bildung gilt als eine Leistung für die Kinder, wobei in dem Zusammenhang meist von Chancen die Rede ist. Was nichts anderes heisst als die Härte, dass der Nachwuchs einer Bildungskonkurrenz ausgesetzt wird, die notwendigerweise Gewinner und Verlierer produziert. Damit werden die Kinder auf die Hierarchie der Berufe verteilt. Die negativen Folgen sollen regelmässig der schlechten Ausstattung der Schulen geschuldet sein, die sich trotz vieler Versprechungen der Parteien seit Jahren nicht verbessert hat. So bleibt das Thema bei Wahlen den Parteien erhalten.

Auch beim Thema Gesundheit sind die Bürger auf den Staat angewiesen, der sie wie bei Altersrente und Arbeitslosigkeit durch seine gesetzlichen Versicherungen in Haftung nimmt, was Lohn und Gehalt immer wieder schrumpfen lässt. Mit den zwangsweise eingezogenen Beiträgen finanziert der Staat den Gesundheitsmarkt, in dem zwar viele Akteure viel verdienen, aber eine ordentliche Gesundheitsversorgung der Bürger Mangelware bleibt. Sich um Gesundheit als Geschäft zu sorgen ist eben etwas anderes als sich um die Gesundheit von Menschen zu sorgen. Wenn's ums Geschäft geht, wird Heilen und Pflegen eben zum Mittel der Geldvermehrung und findet vor allem dort statt, wo es sich lohnt. Weil es aber eine Gesundheitsversorgung braucht, damit der Bürger als Arbeitskraft, Soldat oder sonstiger Dienstleister funktioniert, besteht für die Politik ein ständiger Handlungsbedarf, den sie gerne als die unentwegte Sorge ums Wohlergehen der Bürger darstellt.

Die umfangreiche Liste dessen, was die Wahlprogramme alles für den Bürger an sozialen Leistungen versprechen, zeigt wie schlecht sich von Lohn und Gehalt leben lässt und wie abhängig die Bürger von vielen staatlichen Leistungen sind, für die sie selber zur Kasse gebeten werden. Dass die Bürger so umfassend abhängig sind, soll, wie gesagt, nicht gegen die von der Politik eingerichteten Verhältnisse sprechen, sondern dokumentieren, wie sehr sie sich um die Bürger sorgt und daher deren Vertrauen verdient.

„Chaotische Migrationspolitik“ (BSW)

Mit den Ausländern ist das so eine Sache, denn einerseits sind sie im Lande als Bündnispartner, Investoren oder Fachkräfte erwünscht, andererseits werden sie den Bürgern als eine Bedrohung vorgeführt: „Wir kontrollieren die deutschen Staatsgrenzen und setzen konsequente Zurückweisungen an der Grenze durch. Wir müssen wieder selber entscheiden, wer zu uns kommt und wer bleiben darf.“ (CDU) Ziel der Parteien ist dabei nicht einfach, dass es weniger Ausländer im Lande gibt; im Gegenteil es werden hier und da in Zukunft eher mehr gebraucht, um die deutsche Wirtschaft, das Gesundheitswesen etc. am Laufen zu halten. Dennoch gilt die Einwanderung als ein Problembereich, ja in gewisser Weise als Mutter aller inneren Probleme.

„Die Zuwanderung nach Deutschland aus Asyl- und Fluchtgründen stellt uns weiter vor grosse Herausforderungen.“ (SPD) Schliesslich versuchen viele nach Deutschland zu kommen, deren Kommen von der Politik nicht bestellt worden ist. Jahrzehntelange Entwicklungs- und Handelspolitik haben die Lebensgrundlagen vieler Menschen ebenso ruiniert wie die Vielzahl von Kriegen, an denen Deutschland direkt beteiligt war – wie auf dem Balkan oder in Afghanistan – oder bei denen es sich als (massgeblicher) Unterstützer einer Partei einmischte. Und so erleben die Metropolen des Kapitalismus in Europa und den USA einen Ansturm von Migranten, die die Politiker mit aller Gewalt von ihren Grenzen fernhalten wollen.

Das staatliche Kontrollbedürfnis bezüglich dessen, wer sich im Lande aufhält, wird dabei immer wieder in Zusammenhang gebracht mit dem persönlichen Sicherheitsbedürfnis der Bürger – ganz so als ob Deutsche nicht kriminell wären. Deshalb überbieten sich die Parteien in Sachen Abschiebung: „Kein dauerhaftes Bleiberecht nach illegaler Einreise! Ausreisepflicht durchsetzen!“ (AfD) „Die Flüchtlingszahlen sind weiterhin zu hoch… Bekämpfung der Kriminalität: Auch die durch Nichtdeutsche verübten Straftaten steigen überproportional.“ (BSW) Ganz so als ob das Abschieben von Ausländern die Kriminalität im Lande senken würde. Darstellen wollen sich die Parteien als Kümmerer ganz besonders für die Deutschen, die sollen ihnen vertrauen, denn nur so ist die Sicherheit der Politik im Lande gewährleistet.

Frieden mit mehr oder weniger Waffen

In der Ausländerfrage muss man die Differenzen zwischen den „seriösen“ Parteien und ihren „populistischen“ Herausforderern meist mit der Lupe suchen. Bei aller Einigkeit in den Grundsätzen der Politik stehen bei der jetzigen Wahl aber durchaus Alternativen – zwar nicht direkt zur Wahl, aber – irgendwie im Raum. Das ist eher selten und begründet jetzt auch die Sorge in der politischen Öffentlichkeit: Man stelle sich vor, dem Wähler, dieser unkalkulierbaren Figur, Schicksalsfragen der Nation vorzulegen. Da hört sich doch alles auf. Sowas hält man aus dem Wahlkampf heraus!

Es geht um die deutsche Beteiligung an den Kriegen in der Ukraine und im Nahen Osten: „Wir unterstützen die Ukraine mit diplomatischen, finanziellen und humanitären Mitteln sowie mit Waffenlieferungen. Israel stehen wir bei seinem legitimen Kampf gegen den Terror zur Seite.“ (CDU) „Die SPD bekennt sich klar zur diplomatischen, militärischen, finanziellen und humanitären Unterstützung der Ukrainerinnen und Ukrainer in ihrem Kampf gegen die völkerrechtswidrige Aggression - solange wie nötig.“ (SPD) „Putins Angriff auf die Ukraine ist ein Angriff auf unseren Frieden, auf die europäische Einigung, auf unsere freie, offene und demokratische Gesellschaft. Deshalb stehen wir fest an der Seite der Ukraine – mit diplomatischer, finanzieller, humanitärer und militärischer Unterstützung.“ (Die Grünen)

Die Einigkeit der „demokratischen“ Parteien geht bis in die Formulierungen ihrer Wahlprogramme. Während sie sich zu den Kriegen in der Ukraine und im Nahen Osten bekennen und diese mit Geld und Militär am Laufen halten wollen, äussern sich AfD und BSW kritisch: „Eine privilegierte EU-Partnerschaft für die Ukraine bei gleichzeitiger Garantie, kein Mitglied des Nato-Militärbündnisses und der EU zu werden, könnte eine Bedingung für ein Friedensabkommen sein, das sowohl die Sicherheitsinteressen Russlands als auch der Ukraine berücksichtigt.“ So die AfD. „Ehrliche Bemühungen um einen Waffenstillstand, kein Steuergeld mehr für den Krieg!“ (BSW)

Mit diesen Forderungen haben AfD und BSW sich den Vorwurf des Putin-Verstehens eingehandelt, was so viel bedeutet wie: Vaterlandsverrat. Sie selber sehen es umgekehrt. Sie können keinen Nutzen für Deutschland in der Unterstützung des Kriegs gegen Russland erkennen, hatte doch die Partnerschaft mit Russland Deutschland billige Energie beschert, während der Krieg der Konkurrenzposition der deutschen Wirtschaft schadet. Insofern liegen bei der Wahl zwei nationale Programme vor: eins, das auf einen erneuten Ausgleich mit Russland zielt, wobei sich Deutschland allerdings mit seinen Bündnispartnern anlegen müsste; und ein anderes, das darauf setzt, Deutschlands Aufwuchs zur militärischen Führungsmacht an der Seite der USA zu betreiben – also einen Status zu erreichen, den der grosse Bruder (und heisse der dortige Anführer auch Trump!) in seiner Gegnerschaft zu Russland und China nicht übergehen kann.

Mit der Wahl soll der Bürger sich für eine dieser nationalen Alternativen entscheiden, wobei bekanntlich bei den herrschenden Parteien Zweifel darüber besteht, ob man diese Entscheidung dem Volk überlassen soll. Es haben sich ja nicht nur die Leitmedien gegen die Gegner der bisherigen Kriegspolitik in Stellung gebracht, sondern die Regierung setzt auch den Verfassungsschutz auf die Abweichler an. Und in aller demokratischen Offenheit wird die Frage verhandelt, ob man solcherlei Alternative nicht verbieten kann oder soll.

Das deutsche Wahlvolk hat also dieses Mal wirklich eine Wahl: Ist es für Deutschland wie bisher oder für Deutschland einmal anders? Wobei natürlich alle Experten und die meisten Bürger wahrscheinlich auch wissen, dass sich die Frage wohl von selbst erledigen dürfte. So wie die Welt und ihre Ordnung beschaffen ist, kommt es auf den neuen amerikanischen Präsidenten an, ob einer neuen deutschen Regierung Alternativen gelassen werden. Egal, wie das deutsche Volk gewählt hat.

Suitbert Cechura