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Deutschland: Regression und Doppeldenk

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Politik

Der Wiedereinzug der populistisch verwahrlosten „Linkspartei“ in den Bundestag kommt einer Katastrophe für die deutsche Restlinke gleich.

Bündnis Sahra Wagenknecht - Vernunft und Gerechtigkeit: Auftaktveranstaltung der Sahra-kommt-Tour zur Bundestagswahl 2025, München, Marienplatz am 3. Februar 2025.
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Bündnis Sahra Wagenknecht - Vernunft und Gerechtigkeit: Auftaktveranstaltung der Sahra-kommt-Tour zur Bundestagswahl 2025, München, Marienplatz am 3. Februar 2025. Foto: Michael Lucan (CC-BY-SA 3.0 cropped)

Datum 24. März 2025
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Es wäre grundverkehrt für Linke, angesichts der dramatischen Lage in Sektierertum oder Wunschdenken zu verfallen. In der manifesten Weltkrise des Kapitals, wenn Faschismus, Kriegsgefahr und ökonomischer wie ökologischer Verfall voranschreiten, müssen gerade Bündnisse geschmiedet, Brücken gebaut und Kompromisse eingegangen werden, um überhaupt noch Hoffnung darauf hegen zu können, die kommende Transformation in eine emanzipatorische Richtung lenken zu können. Die Krisenrealität muss Massstab linker Theorie und Praxis sein, um den Menschen zu sagen, was Sache ist, ihnen klar zu vermitteln, was längst alle spüren: Das System ist am Ende, es gilt, um Alternativen zu kämpfen.

Und deswegen wirken Rhetorik und Programmatik der Linkspartei so bizarr, so anachronistisch – wie ein ideologischer Trachtenumzug aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Realitätsfern wäre das Wort, das den vergangenen Wahlkampf der Linkspartei am besten beschreibt, wenn es nicht ideologisch kontaminiert wäre. Im Namen einer Pseudo-Realpolitik, die sich an dem ideologisch verzerrten Wahnbild der kriselnden deutschen Gesellschaft orientierte, wurde die Krisenrealität schlicht ignoriert. Die allgegenwärtige Systemkrise wird faktisch ausgeblendet, um sich in einer illusorischen Wahnwelt abzukapseln, in der die abgestandene sozialdemokratische und klassenkämpferische Leier noch ein letztes Mal abgespult wird. Das stumpfsinnige Umverteilungsgerede, die hohlen Klassenkampfphrasen, die bei der nächstbesten Gelegenheit sofort vergessen werden, haben nichts mit der Realität des manifesten Krisenprozesses zu tun, der irreversibel ist und – das ist der ganze Horror – zwangsläufig in eine Transformation führen wird, auf die bislang nur der Faschismus eine barbarische Antwort liefert.

Die kapitalistische Klimakrise überschreitet Kipppunkte, in seiner ökonomischen Dimension erfasst der Krisenprozess bereits die Zentren, die geopolitische Nachkriegsordnung kollabiert, die neoliberale Globalisierung geht in Protektionismus über, faschistische Krisenideologie steht vor dem Durchbruch, der letzte Weltkrieg ist nur noch eine Frage der Zeit – während die Linkspartei höhere Steuersätze für Reiche, Konjunkturmassnahmen und Sozialprogramme propagiert. Deutschland hat nun eine SPD an der Regierung, und eine bei rund neun Prozentpunkten liegende Sozialdemokratie in der Opposition, die ein Reenactment der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts veranstalten will. Da besteht keinerlei Zusammenhang mehr zwischen regressivem Wunsch und harter Krisenrealität, es eine orwellsche Entkopplung. Der blosse Hinweis auf den Abgrund zwischen regressiven Wunschdenken und Krisenrealität lässt oftmals blanke Aggressionen hochkommen.

Alle werden Wagenknecht

Was soll das? Faktisch betreibt die Linkspartei soziale Demagogie, indem sie den Menschen süsse Lügen und Halbwahrheiten über eine Rückkehr des Sozialstaates verkauft. Es gibt aber aufgrund der Systemkrise kein Zurück zum rheinischen Kapitalismus aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Das wissen die Verantwortlichen in der Führungsriege dieser Partei wohl auch, sie scheinen eine Strategie der Manipulation zu betreiben. Die Linkspartei spiegelt somit eigentlich den ideologischen Zustand des Spätkapitalismus wieder, dessen Öffentlichkeit es ebenfalls fertigbringt, trotz aller täglichen Katastrophen einfach so weiterzumachen. Und das ist kein Zufall. Denn letztendlich hat die Linkspartei einfach den Populismus Wagenknechts weitgehend übernommen, und – welch Ironie – dabei das Original mit seiner nationalsozialen Abspaltung BSW an die Wand gedrückt. Wagenknecht, die Rücksicht auf ihre Gönner im berüchtigten deutschen Mittelstand nehmen musste,[1] konnte nicht dermassen auf die populistische Kacke hauen, wie ihre postlinken Plagiateure. Letztendlich hat Wagenknecht in ihrer politischen Niederlage ideologisch gesiegt. Nahezu alle werden Wagenknecht.

Der populistische Dreck von der „Kümmererpartei“,[2] der nun in der Restlinken hegemonial zu werden droht, weist einen grundlegenden Fehler auf.[3] Der Populist versteht sich als der Exekutor des Volkswillens, der das Interesse des Volkes in die politische Sphäre hineinträgt und in Gesetzesform giesst. Nur formen sich der Wille und die Interessen des Volkes nicht im luftleeren Raum, sondern im Spätkapitalismus samt Kulturindustrie, sie sind durchtränkt von Ideologie, gegen die Linke zu kämpfen hätten. Die linken Stammtischversteher formulieren somit einfach nur pseudolinke Varianten spätkapitalistischer Ideologie, die in falscher Unmittelbarkeit steckenbleiben. Der springende Punkt: Die Leitschnur der Politik der Linkspartei ist nicht die objektive Krisenrealität, sondern deren falscher, ideologischer Widerschein. Bis zur Realsatire machte dies ein Interview mit Jan van Aken für den Klimareporter klar,[4] in dem das Desinteresse der Bevölkerung an Klimafragen die faktisch im Wahlkampf der Linkspartei inexistente Klimathematik erklären sollte. Die präfaschistische Hegemonie in der BRD, wie sie am Stammtisch nachgeplappert wird, wünscht sich halt keine Thematisierung der Klimakrise – was die Klimakrise sicherlich schwer beeindrucken wird.
Das ist auch der grosse Unterschied zu den Kampagnen von Bernie Sanders, der die Klimakrise offensiv thematisierte. Jedes Mal, wenn die Linkspartei tatsächlich Auseinandersetzungen mit der herrschenden Ideologie führen müsste, scheut sie davor zurück. Und dies demaskiert ihre Klassenkampfrhetorik als blosse Phrase. Übrigens ist Jan van Aken in dem Klimareporter-Interview wirklich zu bescheiden, da er den Anteil der Linkspartei an dem erbärmlichen Zustand der Klimabewegung, die objektiv der kapitalistischen Selbstvernichtungstendenz Ausdruck verschaffte, einfach übergeht: Gerade die Klimabewegung wurde von Linksparteileuten unter Anwendung von Bullshit-Begriffen wie Klimagerechtigkeit[5] oder ökologischer Klassenkampf buchstäblich zerredet und paralysiert, um die Ausbildung eines radikalen Krisenbewusstseins zu sabotieren, wie schon die Zeit 2022 anerkennend feststellte.[6]

Doch es waren nicht der Populismus und die soziale Demagogie, die das gute Wahlergebnis der Linkspartei in erster Linie ermöglichten, sondern Friedrich Merz und sein Tabubruch einer Kooperation mit der AfD.[7] Die Partei verstand es, diese Gelegenheit zu nutzen und die antifaschistische Empörung zu kanalisieren – hauptsächlich aufgrund einer gelungenen Medienkampagne auf dem chinesischen Streamingdienst TikTok. Eine Partei, aus deren Reihen über lange Jahre hinweg Werbung für die AfD gemacht wurde,[8] und die hauptsächlich soziale Demagogie betrieb, mutierte in Windeseile zum antifaschistischen Bollwerk. Auch das ist Opportunismus: Zur Not machen ein Bartsch, der jahrelang mit Wagenknecht paktierte, oder ein Ramelow, der für AfD-Leute stimmte[9] und Antifaschisten beschimpfte,[10] auch mal einen auf Antifa.

Die Triggerpunkte der RLS

Es geht aber nicht nur um die rot-braune Vergangenheit der Linkspartei,[11] sondern um die Gegenwart. Die Grundzüge der Wahlkampfstrategie der Linkspartei umriss ein „Linke Triggerpunkte“ tituliertes Papier der – nun ja – Rosa Luxemburg Stiftung (RLS), in dem gerade die oben skizzierte Tendenz zur Konfliktvermeidung mit dem Faschismus propagiert wurde.[12] Themen wie Migration oder die Klimakrise galten der RLS als „nachteilhafte Triggerpunkte“, die unter den „Bedingungen eines rechten Kulturkampfs“ besser nicht thematisiert werden sollten. Hierdurch solle „ein Bild der Linken“ etabliert werden, „in dem sie in diesen Fragen weniger nachteilhafte Triggerpunkte berührt“. Dadurch sollen „Haltungsmuster sowie das Alltagsbewusstsein von Zielgruppen“, insbesondere in der Arbeiterschaft, besser angesprochen werden.

Eine nach einer polnisch-jüdischen Kommunistin benannte, staatsnahe deutsche Stiftung, die der Linken die rechte Hegemonie schmackhaft macht – auch diese von arrogant-ignoranten Mittelschichtsschnöseln bevölkerte Zumutung wird uns künftig erhalten bleiben, um, mit Staatsgeldern vollgepumpt, ihren opportunistischen, staatsnahen Dreck weiterhin in die Linke zu injizieren. Danke, Merz.

Doch was will uns der RLS-Schnösel hier eigentlich sagen? Auf gut Deutsch: Die Linkspartei akzeptiert die rechte Hegemonie, um sich auf soziale Demagogie zu fokussieren. Diese Haltung ist nicht rechtsoffen, eher rechtshörig, um Konfrontationen mit dem Präfaschismus aus dem Weg zu gehen. Es war eine faktische Kapitulationserklärung, was auch den Mittelschichtsschnöseln der RLS klar sein müsste, die sicherlich schon mal was von Gramscis Hegemonialkonzepten gehört haben dürften. Diese defätistische Haltung änderte erst Merz mit seinem Tabubruch, der getrost als der unfreiwillige Geburtshelfer dieser neuen alten Linkspartei bezeichnet werden kann. Und, by the way, diese rechtshörige Sozialdemagogie änderte nichts an der Tatsache, dass die AfD unter Arbeitern und Arbeitslosen besonders gut abschnitt im Wahlkampf.[13] Der Antifaschismus verschaffte der Linkspartei auftrieb, nicht ihre Demagogie.

Und die ersten Wochen nach der Wahl zeigten auch, dass die Partei nur ihrem Opportunismus treu blieb. Antifa blieb Episode. Im Wahlkampf warf Reichinnek dem CDU-Tabubrecher Merz noch vor, er habe die demokratische Mitte verlassen, sodass die Union die „AfD im Schlepptau“ habe.[14] Kurz nach dem Wahlabend konnte sich Ramelow hingegen eine Zusammenarbeit mit Merz gut vorstellen,[15] da die Linkspartei auf Bundesebene genauso kompromissfähig wie in Thüringen sein sollte. Zudem scheint die Linkspartei inzwischen auch einige die aussenpolitischen Positionen der abgewählten Querfronttruppe BSW zu übernehmen und weitere Militärhilfen für die Ukraine abzulehnen,[16] um diese faktische Flankendeckung für den imperialistischen Aggressor Russland auch noch als Pazifismus zu verkaufen.[17] Dies würde gemeinsam mit der AfD geschehen – was den Kampagnenerfolg der Linkspartei auf Chinas TikTok, wo die AfD ähnlich gut multipliziert wurde, in einem ganz besonderen Licht erscheinen lässt.

Ideologische Zombies

Die aktuelle grosse Linkspartei-Kampagne fokussiert sich auf die Aufhebung der Schuldenbremse, was schlichter Keynesianismus ist, der eigentlich seit dem grossen Inflationsschub ab 2020 – dessen Möglichkeit nahezu alle Keynesianer zuvor bestritten – erledigt schien.[18] Als ob es die Inflation und die verheerenden ökologischen Folgen der grossen Investitionsprogramme im 21. Jahrhundert nicht gegeben hätte. In dem vergangenen Vierteljahrhundert gab es nur zwei Jahre, in denen global die CO2-Emissionen sanken: beim Zusammenbruch der Immobilienblase 2009 und während der Pandemie 2020.[19] Die höchsten Steigerungsraten an Treibhausgasemissionen wurden in den jeweiligen Folgejahren verzeichnet (2010, 2021), als keynesianische Konjunkturpakete zwecks Wirtschaftsstabilisierung aufgelegt worden sind. Die expansive Geldpolitik der Notenbanken führte mit dem Einsetzen des pandemiebedingten Krisenschubs zur Inflationsphase ab 2020, die eben jene Wende zur restriktiven Geldpolitik erzwang, die nun wieder die Linkspartei aussetzen will.

Dass Inflation gerade Menschen mit niedrigen Einkommen besonders hart trifft, wird vom hohlen Mittelschichtpopulismus der Linkspartei nicht reflektiert, was ja nur auf die schichtenspezifische Zusammensetzung dieser Partei verweist, in der sich nun mal vornehmlich karrieregeile Mittelschichtsschnösel mit einem bizarren Proletenfimmel finden.

Alles schon vergessen, die alten ideologischen Zombies stapfen wieder durch die politische Landschaft, wie auch der längst begrabene Leichnam eines Green New Deal und eines ökologisch nachhaltigen Kapitalismus,[20] den nun die Linkspartei-Ideologen „sozial“ reanimieren wollen. Um es klar zu sagen: Jan van Aken, der für Greenpeace arbeitete, weiss ganz genau, dass der soziale Green New Deal, den er propagiert, ökonomisch nicht aufgehen kann. Er kennt die Debatten, er kennt die gescheiterten Anläufe, er kennt die Argumente. Und dennoch propagiert er weiterhin dieses Märchen vom grünen Kapitalismus. Dafür kann es einen simplen Grund geben – er hofft, damit politische Karriere in der Krisenverwaltung machen zu können.

Die Krisenignoranz der Linkspartei, die Marginalisierung radikalen Krisenbewusstseins, sie sind Voraussetzung für das Mitmachen im Politbetrieb in der manifesten Systemkrise. Aus der Einsicht in den systemischen Charakter des Krisenprozesses resultiert die Notwendigkeit des Kampfes um eine emanzipatorischen Überwindung des Kapitals in seiner Agonie.[21] Doch mit dieser simplen Wahrheit lässt sich kein Platz in der Talkshow oder am Kabinettstisch ergattern. Der Opportunismus bildet somit den wahren Urgrund der Krisenignoranz der Linkspartei.[22] Realität und Wahrheit spielen keine Rolle mehr in dieser tendenziell panischen Dynamik, in der Wahn und Angst sowie Opportunismus und Manipulation verschmelzen. Und hieraus resultiert auch die absurde politische Konstellation nicht nur im deutschen Spätkapitalismus: Wir haben es mit einer Rechten zu tun, die den Transformationsprozess in Richtung Barbarei treibt, während die Linkspartei sich krampfhaft aus opportunistischem Kalkül an den spätkapitalistischen, in Auflösung befindlichen Strukturen und Institutionen festkrallt. Es ist eine Zombie-Partei im offen desintegrierenden Zombie-Kapitalismus.[23]

Regression und Doppeldenk

Die Regression,[24] die mit dieser politische Nekrophilie einhergeht, treibt mitunter bizarre Blüten. Das Zentralorgan der Linkspartei, das Neue Deutschland, lässt inzwischen Texte abdrucken, in denen offen für Krisenideologie, für die Personifizierung des Kapitalismus geworben wird. Begründet wird diese ideologische Verrohung auch noch mit der krisenbedingten gesellschaftlichen Verrohung. Die Krise, der aufkommende Faschismus – sie sind demnach einfach nur Ergebnis einer Verschwörung von Milliardären. Schuld an allem sind Trump, Musk & Co., so das neue Doppeldenk, was die Herstellung einfacher Feindbilder ermöglicht.[25] Es ist faktisch eine faschistoide Faschismusdefinition, die letztendlich nur auf die Hegemonie der neuen Rechten verweist, die in ihrem Endstadium auch nominell antifaschistische Kräfte kontaminiert.[26] Das Praktische daran: der gesamte Krisenprozess, die inneren Widersprüche des Kapitalverhältnisses, das alles kann bequem auf irgendwelche reichen Arschlöcher projiziert werden, die von der Krisendynamik nach oben gespült werden. Trump muss weg. dann wird alles wieder gut – so der neualte linksdeutsche Infantilismus.

Diese Selbstverstümmelung des Denkens lässt die Systemkrise und die Notwendigkeit des Kampfes um einen emanzipatorischen Krisenverlauf in einem Trump oder Musk verschwinden – ohne sich fragen zu müssen, wieso überall plötzlich ähnlich autoritäre Charaktere Karriere machen. Der Linkspartei erscheint folglich alles als eine Verteilungsfrage, alles kann durch Umverteilung, Staatsintervention und Konjunkturprogramme gelöst werden. Klimakrise, Faschismus, soziale Desintegration – die Folgen der Krise werden mit den Ursachen verwechselt. Es ist offensichtlich, dass hier nur noch auf Regierungsbeteiligung, letztlich auf Posten in der Krisenverwaltung geschielt wird. Wenn Ines Schwerdtner sinngemäss behauptet,[27] dass soziale Sicherheit der beste Schutz vor Faschismus sei, dann macht sie den Faschismus alternativlos, da es keine soziale Sicherheit in der kapitalistischen Dauerkrise mehr geben wird – was charakteristisch ist für das ganze stumpfsinnig-hoffnungslose Milieu rund um das sozialdemokratische Blättchen Jacobin, das sich inzwischen zum Zentralorgan karrieregeiler postlinker Regression gemausert hat.

Ein Gefühl von Sicherheit könnte nur jenseits des Kapitals wieder aufkommen. Jacobin samt regressivem Anhang ist hingegen Teil einer vom Präfaschismus geformten Postlinken, die eigentlich keine fortschrittliche Politik mehr machen kann – auch wenn sie es wollte. Die Linkspartei wie ihr rechtshöriger Zombie-Sozialdemokratismus stellen kein Gegenprinzip zur faschistischen Krisenverwaltung dar, sie sind nur Konkurrenz um die Krisenverwaltung. And here is the thing: es gibt keine Möglichkeit mehr, linke Realpolitik in der manifesten Systemkrise zu betreiben, wenn hierunter eine im weitesten Sinne fortschrittliche, progressive Praxis zu verstehen sein soll. Binnenkapitalistisch gibt es nur verschiedene Wege der Krisenentfaltung: neoliberale Sparprogramme samt Deflation, oder die Inflationierung der Krise mittels Keynesianismus. Ökonomisch scheiternde Ökoprogramme,[28] oder ungeschminkter fossiler Verbrennungswahn. Oder: Welcher Grossmacht wird beim Gang in den nächsten Grosskrieg zugejubelt werden? USA? Russland? EU? China?

Fortschrittliche, emanzipatorische Politik kann nur noch im Kampf um eine postkapitalistische Zukunft praktiziert werden. Es ist tatsächlich wirklich einfach, sobald der kategoriale Ausbruch aus dem kapitalistischen Gedankengefängnis gewagt und die Krisenrealität ungeschminkt wahrgenommen wird, selbst ein Populist kann es verstehen: Es gilt, zu sagen, was Sache ist. Die Krisenrealität, nicht deren ideologische Verzerrung, wie sie den Populismus prägt, ist entscheidend bei der Formulierung linker Praxis. Alles andere führt in Ideologie und Regression. Folglich muss die evidente Weltkrise des Kapitals offensiv thematisiert werden – was auch die Scheidelinie zum Opportunismus bildet, der das aus Karrieregründen sabotieren muss. Die Krise bildet längst den gemeinsamen Nenner nahezu aller Kämpfe um den Verlauf und Ausgang des Transformationsprozesses, die schon blind ablaufen.

Wie eingangs erwähnt, die Zeit ist abgelaufen, es gilt, den Menschen klar zu machen, was alle spühren: Das System ist am Ende, es gilt, aller Evidenz zum Trotz, um eine lebenswerte Alternative zu kämpfen. Wenn alles gut läuft, wenn keine Katastrophe dazwischen kommt, hat die BRD vielleicht noch vier Jahre Zeit, bis der Faschismus auf der politischen Tagesordnung steht. Das ist die beste aller spätkapitalistischen Welten, auf die mensch noch hoffen kann. Vier Jahre, in denen doch noch ein breites Krisenbewusstsein in der Bevölkerung etabliert werden und eine emanzipatorische Transformationsbewegung entstehen könnte – es sieht leider so aus, als ob dies nur gegen eine „Linkspartei“ zumindest versucht werden müsste, die um des Karrierekalküls willen jedwedes radikale Krisenbewusstsein abzutöten versucht.

Tomasz Konicz

Fussnoten:

[1] https://www.konicz.info/2024/05/16/querfront-und-klasse/

[2] Das Konzept stammt aus Österreich. Der ebenfalls kritikwürdige Populismus der KPÖ, die dieses Konzept entwickelte, kann immerhin noch ernst genommen werden, weil dort tatsächlich alle Funktionsträger auf einen grossen Teil ihres Gehalts verzichten und das überschüssige Geld in Projekte oder soziale Hilfsmassnahmen pumpen. Bei der Linkspartei gibt es dahingehend nur Symbolpolitik der Parteikovorsitzenden, während der Apparat weiter kassiert. Es ist also ein schlechter, verlogener populistischer Populismus-Abklatsch, den die Linkspartei veranstaltet.

[3] https://www.konicz.info/2016/08/11/die-sarrazin-der-linkspartei/

[4] https://www.klimareporter.de/deutschland/ein-energiesystem-in-buergerhand-ist-ein-guter-anfang-fuer-system-change

[5] https://www.konicz.info/2023/09/06/unwort-klimagerechtigkeit/

[6] https://www.zeit.de/politik/2022-12/klimaaktivismus-letzte-generation-klassenkampf-carola-rackete-momo

[7] https://www.konicz.info/2025/01/28/schwarz-brauner-durchbruch-in-der-heissen-wahlkampfphase/

[8] https://www.konicz.info/2024/06/06/linkspartei-querfrontschrecken-ohne-ende/

[9] https://www.sueddeutsche.de/politik/ramelow-afd-thueringen-1.4834648

[10] https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/bodo-ramelow-vs-antifa-es-kotzt-mich-an-wie-arrogant-ihr-seid/13500452.html

[11] https://www.konicz.info/2024/06/06/linkspartei-querfrontschrecken-ohne-ende/

[12] https://www.rosalux.de/publikation/id/52578/linke-triggerpunkte

[13] https://www.derwesten.de/politik/weidel-afd-arbeiter-arbeitslose-bundestagswahl-weidels-id301450026.html

[14] https://www.zdf.de/nachrichten/zdfheute-live/reichinnek-bundestag-redebeitrag-debatte-migrationsgesetz-video-100.html

[15] https://presse-augsburg.de/ramelow-zeigt-sich-offen-fuer-zusammenarbeit-mit-merz/1016105/

[16] https://correctiv.org/aktuelles/parteien/2025/02/27/afd-und-linke-beide-gegen-militaerische-hilfe-fuer-die-ukraine/

[17] Auf die Idee, die indirekte Unterstützung eines massenmörderischen imperialistischen Angriffskrieges als Pazifismus zu verkaufen, können wohl nur deutsche Friedensversteher kommen.

[18] https://jungle.world/artikel/2023/03/fahren-auf-sicht

[19] https://www.konicz.info/2020/10/27/vergleich-der-krisen-2020-vs-2008/

[20] https://www.konicz.info/2022/12/14/rebranding-des-kapitalismus/

[21] https://www.untergrund-blättle.ch/politik/theorie/emanzipation-in-der-krise-7306.html

[22] https://www.konicz.info/2020/12/09/der-linke-bloedheitskoeffizient/

[23] https://www.konicz.info/2017/08/07/wir-sind-zombie/

[24] https://www.konicz.info/2024/05/26/die-grosse-regression/

[25] https://www.nd-aktuell.de/artikel/1189916.macht-von-multimilliardaeren-warum-es-richtig-ist-kapitalismuskritik-zu-personifizieren.html

[26] https://www.konicz.info/2024/05/11/germany-fascism-is-booming/

[27] https://inesschwerdtner.de/blog/antifa-heisst-wohlfahrtstaat/

[28] https://www.konicz.info/2022/01/14/die-klimakrise-und-die-aeusseren-grenzen-des-kapitals/


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