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Blockaden ausgeweitet auf Hamburg

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Letzte Generation lässt nicht locker Blockaden ausgeweitet auf Hamburg

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Politik

Erstmals ist es am heutigen Montagmorgen in zwei Städten gleichzeitig zu Störungen des Berufsverkehrs auf Autobahnen durch Essen Retten - Leben Retten gekommen, die teils erhebliche Behinderungen zur Folge hatten.

Blockade der A100 am 28.01.2022.
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Blockade der A100 am 28.01.2022. Foto: letztegeneration.de (CC-BY-0)

Datum 31. Januar 2022
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Viele der Bürger:innen klebten sich an der Strasse fest. Laut Essen Retten – Leben Retten folgen heute noch Blockaden in weiteren Städten.

Bereits in der vergangenen Woche hatte es in Berlin an drei Tagen zwölf solcher Blockaden gegeben, bei denen es zu 58 Festnahmen durch die Polizei kam. Viele setzten sich nach ihrer Entlassung direkt wieder auf eine Autobahn oder Bundesstrasse. Freitagabend war die Berliner Polizei im Zuge der Kampagne das erste Mal gezwungen, vier Menschen in Anschlussgewahrsam zu nehmen, nachdem diese innerhalb weniger Stunden mehrfach den Verkehr an der Invalidenstrasse hinter dem Berliner Hauptbahnhof gestört hatten. Vorausgegangen waren am selben Tag u.a. Blockaden der meistbefahrenen Autobahn Deutschlands, der A100.

„Wir sind entschlossen. Wir merken, dass wir immer mehr stören. Dieser Gegenwind zeigt, wie richtig wir liegen. Aus dem Landwirtschaftsministerium wurde uns letzte Woche erneut mitgeteilt, dass das Anliegen dort auch für wichtig empfunden wird und dass man sich damit befasst. Das reicht aber nicht! Weiter wird in Deutschland ein LKW gutes Essen pro Minute weggeworfen und die Klimakatastrophe bedroht weiter das Leben von Milliarden Menschen, während das Essen-Retten-Gesetz als einfacher erster Schritt sofort umgesetzt werden könnte. Wir wollen jetzt Handlungen sehen”, sagte Carla Rochel, eine der Teilnehmer:innen an den Aktionen.

Gesagt, getan: Am heutigen Montagmorgen fanden Störungen in den beiden Städten an insgesamt vier Orten statt. Die Kampagne kündigte an, die Störungen immer weiter auszuweiten, bis die Bundesregierung unter Olaf Scholz handeln würde. Die Aktionen der Gruppe waren kontrovers aufgenommen worden, hatten aber auch zu viel Solidarität geführt. Zahlreiche Menschen aus dem globalen Süden unterstützten die Blockaden.[1] In Deutschland hatte z.B. einer der Gründer der Klimaunion, Heinrich Stössenreuther, sich den Forderungen angeschlossen.[2]

„Wir sind verzweifelt! Was bleibt uns noch übrig? Fast niemand macht sich klar, dass drohende Hungersnöte in Deutschland reales Leid bedeuten. Wir müssen jede und jeden hier fragen: Was werden Sie bereuen, wenn uns in einigen Jahrzehnten das Essen ausgeht, weil Ackerbau durch immer schlechtere Böden und extremes Wetter nicht mehr möglich ist?” sagte Raúl Semmler, der an vielen der Autobahnblockaden teilnahm.

“Der Klimakollaps und die damit einhergehenden Katastrophen sind eine reale Gefahr für die Gesellschaft und unser aller Leben”, fügt Pressesprecherin Carla Hinrichs hinzu. “Die Bundesregierung macht sich etwas vor, wenn sie sich die Klimakrise schönrechnet. Alle Klimawissenschaftler:innen wissen: Wir werden 1,5 Grad überschreiten, noch in diesem Jahrzehnt. Die Bundesregierung ignoriert das und will erst 2045 klimaneutral sein. Das ist Verrat am Volk, ein Bruch der Verfassung und Hohn gegenüber den Familien der 182 Menschen, die bei den Fluten im Ahrtal – den Folgen der Klimakrise – gestorben sind.”[3]

Essen Retten - Leben Retten fordert die Bundesregierung auf, den beiden Forderungen nach einem sofortigen Essen-Retten-Gesetz und einer Agrarwende bis 2030, die vom Bürgerrat Klima beschlossen wurde, nachzukommen. Dies sind gesellschaftlich mehrheitlich akzeptierte Schritte, um drohende Hungersnöte zu verhindern und Milliarden von Menschenleben zu retten.[4] Sprecher:innen von Essen Retten - Leben Retten kündigten an, man werde so lange auf der Strasse bleiben, bis von der Bundesregierung ernsthafte Schritte in diese Richtung unternommen würden.

Freitag

Am Freitag morgen blockierten erneut ungefähr zwei Dutzend Menschen von “Essen Retten - Leben Retten” Autobahnausfahrten in Berlin, um auf die kommenden Hungerkatastrophen aufmerksam zu machen und ein “Essen-Retten-Gesetz” zu fordern.

Diesmal verursachten sie mit ihren Blockade-Aktionen Verkehrschaos an gleich drei Orten. Unter anderem wurde die meist befahrene Autobahn Deutschlands, die A100, blockiert.

„Unser Essen und damit unser Leben steht auf dem Spiel! Und was macht die Regierung? Reden, Versprechen, Abwarten. Wie soll ich ihr vertrauen, dass sie die massiven Ernteausfälle verhindern wird, die für die nächsten Jahrzehnte drohen, wenn sie jetzt nicht einmal verhindert, dass Supermarkt-Mülltonnen täglich randvoll mit gutem geniessbarem Essen sind?”, entrüstet sich die Mutter und Kirchenmusikerin Sonja Manderbach. Sie ist eine der Bürger:innen, die sich heute mit den Händen an der Strasse festgeklebt haben.

An allen drei Orten klebten Menschen ihre Hände an der Strasse fest, um auf den Klimanotstand und die damit einhergehenden Lebensmittelknappheiten aufmerksam zu machen. Viele Wissenschaftler:innen und Politiker:innen, wie unter anderem Ska Keller, Fraktionsvorsitzende der GRÜNEN im EU-Parlament, warnen regelmässig: “Wir sind die erste Generation, die den Klimawandel aktiv im alltäglichen Leben spürt, aber auch die letzte, die dagegen etwas machen kann”[5].

Dennoch sind die Klimaziele der Regierung bislang zu gering, um eine mögliche Heiszeit abzuwenden. Die Menschen der Blockade-Aktion haben diese Tatsache verinnerlicht. Sie sehen es daher als notwendig an alles zu tun, was gewaltfrei möglich ist, um den Klimakollaps abzuwenden. Mit ihren Aktionen fordern sie ein sofortiges “Essen-Retten-Gesetz” und eine Agrarwende bis 2030.

Bei der Strassenblockade der A111-Auffahrt Höhe Eichborndamm kam es beim Versuch, einen im Stau stehenden Autofahrer zu beruhigen, zu einem tätlichen Angriff auf eine junge Frau [6].

Ungefähr die Hälfte der teilnehmenden Bürger:innen der heutigen Autobahnblockade wurden in Gewahrsam genommen und befinden sich bis auf Weiteres in der Polizeidirektion in der Perleberger Strasse. Die anderen Menschen haben einen Platzverweis bis Samstag Nacht bekommen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass dieser missachtet und weitere Aktionen zur “Rettung von Lebensmitteln” in den nächsten Tagen durchgeführt werden. Denn die Sprecher:innen von “Essen Retten - Leben Retten” kündigten an, die Aktionen so lange fortzuführen, bis von der Bundesregierung ernsthafte Schritte zur Einführung eines Essen-Retten-Gesetzes eingeleitet würden.

pm