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Frontstellung Deutschlands gegen USA und Russland

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Frontstellung Deutschlands gegen USA und Russland Nie wieder Deutschland – ist 80 Jahre nach dem Ende des NS noch aktuell

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Politik

Die Angst vor einem neuen Jalta, in denen Deutschland und seine Verbündeten nichts zu sagen haben, geht um bei den Eliten in Deutschland? Doch was wäre daran aus einer deutschlandkritischen Perspektive so schlimm?

Liwadija-Palast, Ort der Jalta-Konferenz 1945.
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Liwadija-Palast, Ort der Jalta-Konferenz 1945. Foto: JanManu (CC-BY-SA 3.0 unported)

Datum 25. März 2025
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Gab es nicht um 1989 die Überzeugung das System von Jalta sei einem Europa vorzuziehen, in dem Deutschland und seine Verbündeten wieder die erste Geige spielen

Am 21. März hat auch der Bundesrat die neuen Kriegskredite beschlossen. Die Streitereien zwischen den Parteien vor der Abstimmung haben das nicht verhindern können. Ein ausserparlamentarischer Druck war kaum vorhanden, wie sich bei der Kundgebung der Kriegsgegner*innen zeigte. Die knapp 500 Teilnehmer*innen verwendeten zudem noch viel mehr Zeit auf die Nahostfrage, bzw. die Anprangern Israels, als auf das Thema, um das es an diesem Tag eigentlich ging. um die neue deutsche Kriegsfähigkeit.

Dafür gestimmt haben die SPD und die Unionsparteien, nach kurzem Sträuben waren auch die Grünen dabei. Deren Mittun konnte nur diejenigen verwundern, die nicht wissen, dass bereit vor fast 25 Jahren diese Partei von Antimilitaristen in Olivgrüne umgetauft worden war. Sie hatten damals in zahlreichen Städten Parteibüros der Grünen besetzt. Denn diese Partei hatte es damals mitzuverantworten, dass 1999 das erste Mal nach dem 2.Weltkrieg die Bundeswehr wieder andere Länder bombardierte. Nicht zufällig war es Belgrad, die Hauptstadt des ehemaligen Jugoslawiens. Die Bundeswehr führte wieder dort Krieg, wo in der ersten Hälfe der 1940er Jahren schon die Wehrmacht agierte.

Protest gegen Kooperation mit kroatischen Nationalisten

Damals gab es noch eine kleine, aber bemerkbare Protestbewegung gegen die Bomben auf Belgrad. Die erkannten klar, um was es dabei eigentlich ging. Deutschland wollte wieder eine Militärmacht werden und bediente sich dabei auch der kroatischen Nationalisten, deren Vorgängerorganisationen mit den NS-Regime verbündet waren und die bis 1944 ein gemeinsames Feindbild hatten: Juden und Kommunisten.

Schweigen zur Kooperation mit ukrainischen Nationalisten

Eine andere Gruppe von ehemaligen NS-Verbündeten, die nach 1945 in München Zuflucht gefunden hatten, mussten noch einige Jahre länger warten. Es waren die ukrainischen NS-Verbündeten, die allerdings von der NS-Führung nie vollständig anerkannt wurden und daher auch mal verfolgt wurden. Doch wenn es gegen Juden und Kommunisten ging, waren sich die Nazis und die ukrainischen Bandera-Anhänger doch wieder einig.

Erst nach dem durch die Maidan-Proteste 2014 ausgelösten Umschwung in der Ukraine konnten die ukrainischen Nationalisten ihrem Idol auch in Kiew, Lwow und anderen ukrainischen Städten Strassen widmen und Denkmäler aufstellen. Nur das stört heute in Deutschland kaum noch jemand. Auch viele Linke, die vor 25 Jahren noch heftigen Widerspruch gegen die Rehabilitation kroatischer Nationalisten erhob, reihen sich jetzt ein in den Reigen derer, die Deutschland von den USA und Russland gleichermassen bedroht sehen. Das wird in vielen Artikeln der einst deutschlandkritischen Wochenzeitung Jungle World deutlich.

Frontstellung Deutschlands gegen USA und Russland

Besonders frappierend ist, dass eine Zeitung, die mit explizit deutschlandkritischen Positionen gegründet wurde, nun die die Frontstellung der deutschen Regierungen gegen Russland völlig unkritisch nachvollziehen. Seit Trump erneut das Amt als Präsident der USA angetreten hat ist die US-Regierung für sie zum neuen Feind geworden. Sie sind damit das lauteste Sprachrohr eines neuen deutschen Imperialismus, der seine Interessen gegen Russland und die USA verteidigt.

Wer sich in deutschlandkritischer Theoriebildung etwas auskennt, könnte sich noch an die Schriften von Wolfgang Pohrt erinnern, der bereits in den 1980er Jahren gegen eine (west)deutsche Friedensbewegung polemisierte, die den ehemaligen Alliierten der Anti-Hitler-Koalition Sowjetunion und USA vorwarf, sie würde auf deutschen Boden einen Krieg planen. Pohrt bezog sich in seiner Kritik auf entsprechende Parolen in Teilen der Friedensbewegung. Im Hintergrund stand der Kampf gegen das System von Jalta.

Kampf gegen das System von Jalta

Die Gegner*innen bezogen sich dabei auf die Nachkriegsordnung, die die Sieger im zweiten Weltkrieg für Europa festlegten. Diese Regelungen waren für deutsche Nationalisten schon deshalb ein Gräuel, weil dort eben Deutschland und ihre Verbündeten in Osteuropa verständlicherweise nicht viel zu sagen hatten. Schon seit den 1950er Jahren war das Schlagwort von der Befreiung aus dem System von Jalta bei deutschen Nationalist*innen aller Couleur weit verbreitet. Auch in Teilen der deutschen Friedensbewegung fand diese Propaganda Eingang. Mit der Zeitenwende 1989 waren die deutschen Nationalist*innen am Ziel. Das ihnen verhasste System von Jalta war gesprengt.

Es begann der ökonomische und auch militärische Wiederaufstieg Deutschlands und in Osteuropa kamen die politischen Nachfolger der alten NS-Verbündeten wieder in wichtige Positionen. Das war Anfang der 1990er Jahr in Kroatien so wie nach 2014 in Ukraine. Doch etwas hatte sich in Deutschland geändert. Dort gibt es auch kaum noch jemand, der kritische Fragen stellt, wenn ehemalige NS-Verbündete geehrt. Selbst grosse Teile der einst deutschlandkritischen Linken hat die Kritik von Pohrt und Co. längst vergessen, die mal ihre theoretischen Vorbilder waren.

Heute klingen die Artikel in der Jungle World aber auch in der antideutschen Postille Bahamas so wie die Traktate der deutschen Friedensbewegung, die Pohrt so kritisierte. Auch dort wird das Bild eines Deutschland kreiert, das von Russland und der USA bedroht wird. Anders als in den 1980er Jahren ist das heute Deutschland ein Player innerhalb der kapitalistischen Welt, der mit anderen kapitalistischen Staaten und Staatengruppen konkurriert, ökonomisch, politisch und auch militärisch. Dazu gehört heute neben Russland als Nachfolgestaat der Sowjetunion, aber auch die USA. Dieser innerimperialistische Kampf um Einfluss und Macht ist der Grund für das am 18. März beschlossene Aufrüstungsprogramm.

Was ist so schlimm an einer Welt, in der Deutschland nicht die erste Geige spielt

Es wird jetzt gerne erzählt, dass Merz und seine künftigen Koalitionäre die Verabschiedung der Kriegskredite vom abgewählten Parlament auch deshalb auf den Weg brachten, weil sie die Szenen im Weissen Haus vor Augen hatten, als Trump und sein Vize Vance den ukrainischen Präsidenten Selensky wie einen lästigen Bittsteller abwiesen. Ein weiterer Grund für die Kriegskredite war die Erkenntnis, dass sich die USA-Regierung offensiv um eine Beendigung des Kriegs bemüht und deswegen Kontakte mit der russischen Regierung suchte. Was aber hat gerade die Vertreter*innen des deutschen Imperialismus da so erschreckt? War es nicht die Furcht, dass sich 80 Jahre nach der Niederlage des NS die alten Verbündeten von Jalta wieder auf eine europäische Ordnung einigen könnten, ohne Deutschland und seine Verbündeten und Hilfswilligen zu fragen?

Steht also hinter dem Lamento, die USA und Russland könnten sich auf einen Frieden auf Kosten Europas und der Ukraine einigen, die Angst der deutschen Eliten, sie blieben wieder einmal draussen wie bei der Konferenz in Jalta? Und was wäre daran aus der Perspektive von Kritiker*innen der deutschen Verhältnisse so schlimm? Teilten viele nicht 1989 die Erkenntnis, das System von Jalta sei auf jeden Fall einem Europa vorzuziehen, in dem Deutschland und seine neuen alten Verbündeten wieder die erste Geige spielen? Wäre aus Sicht einer deutschlandkritischen Linken nicht zu begrüssen, wenn dort wieder die Gedenkorte von Bandera und anderen Antisemiten verschwinden.

80 Jahre nach der Befreiung vom NS

In diesem Jahr jährt sich zum 80 Mal die Zerschlagung des NS-Regime. Es war eine Niederlage nicht nur für Nazis sondern für einen grossen Teil der deutschen Bevölkerung, die bis zum Schluss hinter den Nazis standen. Ohne sie wäre die Shoah nicht möglich gewesen. Es waren die Armeen der Anti-HIlter-Koalition, die das Massenmorden stoppten und es waren auch Partisan*innen in den verschiedenen osteuropäischen Ländern. Daran erinnerten die Überlebenden von Buchenwald am 20. April 1940. Ein Zitat darauf steht am Ende des Textes stehen:

„Wir danken den verbündeten Armeen der Amerikaner, Engländer, Sowjets und allen Freiheitsarmeen, die uns und der gesamten Welt den Frieden und das Leben erkämpfen. Wir gedenken an dieser Stelle des grossen Freundes der Antifaschisten aller Länder, eines Organisatoren und Initiatoren des Kampfes um eine neue, demokratische, friedliche Welt, F. D. Roosevelt. Ehre seinem Andenken!“ (aus dem Schwur von Buchenwald vom 20.4.1945)

Peter Nowak