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Gesetze über Kriegskredite vor der Verabschiedung: Einigkeit in der Sache bei Wahrung des eigenen Profils

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Einigkeit in der Sache bei Wahrung des eigenen Profils Gesetze über Kriegskredite vor der Verabschiedung

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Politik

Blut und Eisen – von Bismarck über Wilhelm und Adolf bis zu Merz und Klingbeil: Die deutsche Nation kennt ihre Bestimmung.

Wer Waffen verkauft, soll für Geflüchtete zahlen.
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Wer Waffen verkauft, soll für Geflüchtete zahlen. Foto: Ji-Elle (CC-BY-SA 4.0 cropped)

Datum 17. März 2025
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Kurz nach der Wahl lassen die regierenden Parteien die Hosen runter. Im Wahlkampf hatten sie Einigkeit gezeigt, das Thema Rüstung und Ukraine-Krieg bei der Werbung um Stimmen noch aussen vor zu lassen. Es sollte kein Wahlkampf über Krieg und Frieden werden, der womöglich Parteien wie AfD und BSW, die für einen Frieden warben, Stimmen zugetrieben hätte. Stattdessen überboten sie sich in Sachen Ausländerfeindlichkeit und Abschiebeorgien, um der AfD das Wasser abzugraben. Ein Schuss, der nach hinten losgegangen ist, haben die Wähler doch lieber das Original in Sachen Hetze gewählt, statt der Parteien, die von der AfD abgeschrieben haben.

Das Hochkochen des Themas Rüstung und die Betonung der Bedrohung durch Putin sollen nun der Änderung der Lage geschuldet sein, nämlich durch Trump. Dabei hatte die Noch-Aussenministerin Annalena Baerbock (Grüne) schon vor der Wahl ausgeplaudert (BZ, 17.2.25), dass nach der Wahl die Bekanntgabe eines riesigen Rüstungspaketes anstehe, die Planung also schon lange vor dem Streit im Oval-Office eine ausgemachte Sache war. Aber die Wähler sollten nicht verschreckt werden und das Kreuz an der richtigen Stelle machen, eine Rechnung, die wohl nicht ganz aufgegangen ist. Es zeigt aber auch, dass man dem Wähler viel erzählen kann, ohne dass er aufmuckt.

Einigkeit in der Sache bei Wahrung des eigenen Profils

CDU/CSU haben sich mit der SPD in ihren Sondierungsgesprächen auf die Aufhebung der Schuldenbremse für die Aufrüstung und auf ein Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro geeinigt. Der Kanzler in spe beweist damit seinen politischen Tatendrang, indem er seine Aussagen im Wahlkampf in Sachen Beibehaltung der Schuldenbremse und Finanzierung der Rüstung durch Streichungen beim Bürgergeld – das in Zukunft wieder Grundsicherung heissen soll - als Geschwätz von gestern abtut. Er zeigt, dass die Wahlen alles andere als eine Festlegung der Parteien auf irgendwas sind, sondern dass die Wahl dem Lügenbaron Friederich Merz alle Freiheiten geschenkt hat, die er dann auch gleich nutzt. Er will ein Ermächtigungsgesetz, das keine zählbaren Schranken für die Aufrüstung und Kriegsertüchtigung kennt.

Der Massstab für die Aufrüstung ist in Zahlen nicht zu fassen, er hat sein Mass in den politischen Zielen Deutschlands: Es soll als europäische Führungsmacht gemeinsam mit seinen europäischen Verbündeten der Welt- und Atommacht Russland nicht nur Paroli bieten, sondern deren Ansprüche ganz zunichtemachen. Militärische Überlegenheit ist gefordert und Abschreckung wird es genannt.

Rumoren tut es in der Partei aber trotzdem. Stellt sich doch die Frage, wie der Schwenk weg von der Schuldenbremse dem Wähler verkauft werden soll: Als Reaktion auf Trump oder als Nachgeben gegenüber der SPD und damit als Grundlage für Zugeständnisse für weitere Forderungen in den Sondierungsgesprächen. Hier hat man die Auswahl: Dem Wähler kann man offenbar alles erzählen, Geschichten, die die Leitmedien begierig aufgreifen und dem Bürger gleich beide Märchen auftischen (Tagesschau, 7.3.25; SZ, 8.3.25)
Der SPD muss dabei nichts abgerungen werden, hatte sie doch schon früher die Zeitenwende ausgerufen. Und jetzt will sie sich neben dem riesigen Aufrüstungsprogramm mit einem Sondervermögen für Infrastruktur profilieren. Schliesslich soll Deutschland zur Drehscheibe für Militärtransporte von West nach Ost werden, da müssen die Verkehrswege Panzer-tauglich gemacht werden. Auch erweisen sich nach bisherigen Planungen die Krankenhäuser einem zukünftigem Ansturm von Kriegsverletzten nicht gewachsen.

Dass dieses Programm Sondervermögen heisst, zeigt einmal mehr, wie von der Politik die Sachlagen verdreht werden, was die Leitmedien aber sofort mitmachen. Denn der Staat verfügt ja gar nicht über ein Vermögen durch Sparen oder Erbschaft, auf das er zurückgreifen könnte. Es sind vielmehr enorme Schulden, die zu einem Vermögen erklärt werden. Der Staat schmeisst die Druckerpresse an, druckt allerdings kein Geld, sondern Schuldscheine. Die versieht er mit einer Verzinsung und macht so aus seinen Schulden ein Geschäft, nämlich für diejenigen, die über Geld verfügen. Früher hiessen diese Leute Kapitalisten oder Spekulanten, heute Investoren, die nun die Wahl haben, ob sie durch Aktien in Rüstungsfirmen oder den Kauf von Staatsanleihen ihren Reichtum vermehren. Damit sich auch genügend Geldanleger finden, müssen die Staatsanleihen natürlich mit höheren Zinsen versehen werden.

Die Grünen üben sich in ihrer neuen Rolle als Opposition. Zwar waren sie offensichtlich an der Vorbereitung des riesigen Schuldenpaketes beteiligt, wie die Äusserung von Frau Baerbock nahelegt, doch zieren sie sich nun, diesem Paket zuzustimmen. Schliesslich müssen sie sich auch um ihr parteipolitisches Profil sorgen und brauchen daher unbedingt die Ausrede, dass in einem der Schuldenpakete zumindest das Wort Umweltschutz oder Klima vorkommt. Das wird sich sicherlich an irgendeiner Stelle machen lassen und von daher ist die Zwei-Drittel-Mehrheit gesichert.

Obgleich die Linken gar nicht gefragt sind, signalisieren auch sie – ganz in sozialdemokratischer Tradition –, dass sie einer Zustimmung zu den Kriegskrediten nicht abgeneigt sind. Aber sie müssen ebenfalls auf ihr Profil achten und binden daher ihre Zustimmung daran, dass in den Paketen ein bestimmtes Wort auftaucht, d.h. irgendwas mit „sozial“.

Da das Sondervermögen der SPD zudem die Renovierung von Schulen und Krankenhäusern als Ziel benennt, wäre auch dies kein unüberwindbares Hindernis. Allerdings wollen CDU/CSU, SPD und Grüne die Linke nicht durch eine Zusammenarbeit hoffähig machen. Obwohl sie inhaltlich viele Übereinstimmungen mit AfD und Linken haben, pflegen sie die Abgrenzung nach rechts und links. Sie haben schliesslich die Wahl, ob sie ihre Kriegskredite vom alten oder vom neuen Parlament abnicken lassen. Also können sie auch auf die Zustimmung von den Linken verzichten.

Stattdessen kommt die FDP noch einmal zu nationalen Ehren. Obgleich vehementer Verteidiger der Schuldenbremse während des Wahlkampfes, kann sie sich jetzt – obgleich abgewählt – nicht ihrer nationaler Verantwortung entziehen.

Die AfD profiliert sich als Verteidiger des Wählerwillens und will gegen die Einberufung des alten Parlaments zur Absegnung der Kriegskredite klagen. Damit kritisiert sie nicht die Schulden, sondern ihr Zustandekommen. Sollte sie an die Macht kommen, weiss sie einen gestärkten Gewaltapparat sicher einzusetzen.

Auch die Vertreter derer, die durch Lohnverzicht, erhöhte Sozialabgaben und Inflation schon jetzt für den Ukraine-Krieg und die Rüstung grade stehen müssen, melden sich zu Wort. Ganz im Sinne des schon im ersten Weltkrieg praktizierten Burgfriedens begrüssen sie das neue Schuldenpaket: „Insbesondere vor dem Hintergrund globaler Unsicherheiten müssen wir Europas Verteidigungsfähigkeit stärken und dürfen dabei gleichzeitig sozialen Fortschritt nicht ausbremsen“, verkündet DGB-Chefin Yasmin Fahimi. (Junge Welt 6.3.25)

Auch die IG-Metall Vorsitzende Christiane Brenner zeigt Frauen-Power: „Den jetzigen Vorstoss begrüssen wir klar. Die wirtschaftliche und geopolitische Situation erfordern Weitblick.“ So steht die nationale Einheitsfront in Sachen Kriegsertüchtigung und die Wehrpflicht wird sicher auch nicht mehr lange auf sich warten lassen.

Suitbert Cechura