1. Die Umstände der Inhaftierung sind skandalös.
Das Amtsgericht Erding war und ist nie zuständig gewesen. Die Aktionen fanden im Amtsgerichtsbezirk Freising statt. Die Beteiligten sind gezielt in den Bereich Erding verschleppt worden, um dort erst ihre Festnahme zu simulieren und so die Zuständigkeit des Amtsgerichts Erding zu ertricksen. Dieses Verfahren kommt einer Entführung gleich. Die Haftentscheidung sind daher nichtig. Wir fordern die sofortige Freilassung.Dafür sprechen zudem folgende weitere Gründe:
2. Abseilaktionen über Autobahnen sind nicht strafbar.
Alle bisher von Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichten ins Feld geführten Strafparagraphen lassen sich nicht auf das demonstrativ ausgeführte Aufhängen von Spruchbändern an Autobahnbrücken und -schildern anwenden.Ein gefährlicher Eingriff in den Strassenverkehr scheidet aus, weil kein Hindernis bereitet wurde. Die Autobahn endet in 4,70m Höhe. Keine Person und kein Teil der Aktionen haben sich jemals in diesem Raum befunden oder in diesen hineingewirkt.
Eine Nötigung scheidet ebenfalls aus. Die Polizei hatte viele unterschiedliche Handlungsoptionen und hat sich aus eigenen Stücken für Voll- oder Teilsperrungen entschieden. Die weiteren Verkehrsteilnehmer*innen haben sich nicht aufgrund eines physischen Hindernisses, sondern aus Angst vor einem Bussgeld an das Weiterfahrverbot gehalten.
Zudem sind solche Aktionen als Versammlungen geschützt.
3. Freie Autofahrt ist kein Grundrecht – Versammlungen schon. Und sie bringen immer Behinderungen im Strassenverkehr.
Versammlungen sind alle Ansammlungen von zwei oder mehr Personen, die der öffentlichen Meinungskundgabe oder Meinungsbildung dienen. Bevorzugter Ort sollen öffentliche Strassen und Plätze sein. Die Spruchbandaktionen den Autobahnen am 7. September rund um und in München entsprachen eindeutig dieser Definition. Die jetzt verhängte Haft dient also der Verhinderung möglicher weiterer Inanspruchnahme von Grundrechten.Der Hinweis, dass durch die Abseilaktionen unbeteiligte Autofahrende betroffen wären, negiert den besonderen Stellenwert eines Grundrechts. Denn dieses soll gerade verschiedene Rechtsgüter priorisieren – und stellt das Versammlungsrecht eben über den individuellen Wunsch, mit einem bestimmten Verkehrsmittel jederzeit überall herumfahren zu können. Jede Versammlung – ob Latsch- oder Fahrraddemo, Tanz oder Theater auf der Strasse verhindert das dortige Fahren. Auch Streiks von LKW-Fahrer*innen, Lokführer*innen oder Angestellten in Kindergärten belasten Dritte.
Wer fordert, dass Protest nicht stören darf, untergräbt nicht nur das Verfassungsrecht auf Versammlungen, sondern auch das Recht auf Streik. Ohne diese wären der Ausbeutung von Mensch und Natur aber keinerlei Grenzen mehr gesetzt.
Zudem sind Autofahrende keine Unbeteiligten, wenn sich der Protest dagegen wendet, eine Gesellschaft rücksichtslos auf das Auto auszurichten – auch wenn viele durch die Verhältnisse zur Nutzung des menschen- und umweltfeindlichen Vehikels gezwungen sind.
4. IAA Mobility ist nichts anderes als Greenwashing des Weiter-so.
1053 Verletzte und 8-9 Tote pro Tag allein in Deutschland (Durchschnittszahlen aus dem letzten Nicht-Coronajahr) sind Anlass genug, auf eine schnelle und tiefgreifende Veränderung der bestehenden Mobilitätssysteme zu dringen. Ein Drittel der Flächen in Städten sind dem Verkehr gewidmet, während Grünflächen und Spielplätze eingeengt werden. Lärm und Feinstaub belasten alle Ortskerne und Anwohner*innen stark befahrener Strassen. Global werden riesige Mengen Rohstoffe in Produktion und Transport von Neuwagen gesteckt und der Klimawandel vorangetrieben.Politik und Industrie versuchen, mit schönen Worten die Probleme zu verschleiern. Hinter dieser Fassade aber steht nicht nur ein Weiter-so, sondern die Steigerung des Desasters: Noch mehr Autos auf der Strasse, Steigerungen bei der Neuproduktion, weiterer Bau von Strassen, Bau- und Gewerbegebieten. Wer rund um München unterwegs ist, sieht den Wahnsinn an jeder Ecke: Bauen, Bauen, Bauen. Bayern- und deutschlandweit werden Autobahnen und grosse Strassen neu geschaffen oder verbreitert. All das erzeugt neuen Strassenverkehr – und es zeigt, dass die Politik selbst weiss, dass ihr Handeln wachsenden Verkehr hervorbringen wird. Das strahlt auch die IAA selbst aus: Der autoverliebte Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer preist individuelles Autofahren als Verkehrsmittel der Zukunft – und Bayerns Ministerpräsident eröffnete die Messe mit der Ansprache „Liebe Autofans“.
Um das zu vertuschen, wird darüber geredet, mit welchem Motor die neuen Betonpisten befahren, mit welcher Antriebsenergie noch mehr Menschen getötet oder verletzt werden sollen. Dass die Reifen (und nicht der Motor) Lärm und Feinstaub erzeugen, wird ebenso verschwiegen wie der gigantische Rohstoffverschleiss bei der Produktion von Autos. All diese Probleme lassen sich nur mit einer Verkehrswende weg vom Auto bewältigen – und nicht mit kosmetischen Massnahmen unter der Motorhaube. Die Werbung für E-Antriebe ist Greenwashing übelster Art.
An diesem Greenwashing nehmen auch diejenigen Teil, die das Ende nur des Verbrennungsmotors fordern. Wie die Autolobby selbst thematisieren Grüne, Greenpeace, Deutsche Umwelthilfe und andere nur die Antriebsfrage. Damit verschleiern sie Platzbedarf, Rohstoffverbrauch bei der Herstellung, Tote und Verletzte, Lärm und mehr – mutmasslich aus taktischen Überlegungen hinsichtlich Spenden- und Fördermitteln.
5. Die Jahrzehnte politischen Protest haben bewiesen: Ohne druckvolle und provokante Aktionen bewegt sich nichts.
Eigentlich sind die Spruchbandaktionen an Autobahnbrücken harmlos. Erst die massive Reaktion der Staatsmacht wandelt die Mini-Demos in grosse Ereignisse. Spruchbänder z.B. zur Bildung von Rettungsgassen hängen an vielen Brücken, seitlich der Autobahn werden Autofahrende mit massenhaften touristischen oder Fahrhinweisen traktiert. Auch Bauarbeiten auf und an Brücken geschehen meist über dem laufenden Verkehr. Aufregung und harte Sanktionen sind es also selbst, die aus der kleinen Aktion eine grosse Sache machen. Doch auch diese grosse Sache ist nicht nur legal, sondern nötig.Kein Atomausstieg ohne die Blockaden der Castortransporte. Weniger Aufarbeitung der Nazivergangenheit ohne die Ohrfeige von Beate Klarsfeld. Kein schnelles Ende der Gentechnik im Freiland ohne Besetzungen und Zerstörungen von Feldern. Kein Kohleausstieg ohne die Besetzung von Kohlegruben, Baggern und Bäumen. Keine Mobilitätswende ohne …
Die Inhaftierten von München gehören zu den wichtigsten Wegbereiter*innen dessen, was nötig ist. Sie mögen den Autofans um Söder, Laschet und Scholz und den E-Autos-Fans um Baerbock und einigen NGOs nicht gefallen. Aber sie sind bitter nötig, um die Wortblasen zerplatzen zu lassen und echte Veränderungen zu erreichen.