Justiz und Polizei verhindern Veröffentlichung eines justizkritischen Dokumentarfilmes Angriff auf Versammlungs- und Pressefreiheit
Politik
Seit zehn Jahren steht der Dokumentarfilm "Unter Paragraphen" im Netz.
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16. Oktober 2023
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Zum Jubiläum hat der Filmemacher, Publizist und Akivist Jörg Bergstedt nun eine zweite Folge produziert - mit aktuellen Aufnahmen aus Prozessen des Jahres 2023, diesmal im Landgericht Braunschweig. Passend dazu sollte die Uraufführung auf dem Domplatz der Stadt direkt vor den Mauern dieses Gerichts stattfinden. Doch daraus wurde nichts ...
Am 12.10.2023 fand ab 17.30 Uhr (Anmeldung) die Versammlung statt, deren einzige Ausdruckmittel das Zeigen des Filmes mit dem Titel „Unter Paragraphen II“ sein sollte. Von Beginn an war ein erhebliches Polizeiaufgebot mit u.a. anwesender Bereitschaftspolizei in Stärke von knapp 50 Uniformierten sowie von Führungskräften aus Landgericht und Staatsanwaltschaft vor. Fünf Minuten nach Beginn der Filmvorführung wurde diese gewaltsam unterbrochen und die Ausdrucksmittel der Versammlung (Beamer und Laptop) beschlagnahmt.
Zudem wurden der Versammlungsleiter und der nur als einfacher Versammlungsteilnehmer anwesende Filmemacher aus der Versammlung ausgeschlossen und, trotz schon vor Ort erfolgter Personalienfeststellung, verhaftet. Sie wurden ca. 4 Stunden festgehalten, ohne dass dafür eine Begründung erkennbar war – ausser dem unausgesprochenen Ziel, die Durchführung der unerwünschten, weil justizkritischen Veranstaltung zu verhindern (was auch gelang).
Ein PDF, auf dem die Abläufe beschrieben und rechtlich bewertet werden, ist hier einsehbar. Darin findet sich auch eine genaue Darstellung, warum der Film vollständig rechtmässig ist und der Angriff auf die Uraufführung sowie die Verhaftung von Versammlungsanmelder und den Filmemacher einen deutlichen Angriff auf die Versammlungs- und Pressefreiheit darstellt.
Da vor Ort sowohl Polizei als auch Ordnungsamt, die im Film gezeigte Richterin, Angehörige der Staatsanwaltschaft und der Landgerichtspräsident vor Ort anwesend und im Gespräch waren, ist davon ausgegangen, dass die Entscheidung zum Verbot der Vorführung zwischen diesen abgestimmt war und so einen koordinierten Angriff auf die Grundrechte darstellte, bei dem eigentlich der Gewaltenteilung unterliegende Institutionen gemeinsam handelten.
Die Betroffenen werden das faktische Versammlungsverbot, ihre Inhaftierung und das Verbot der Ausstrahlung des Dokumentarfilmes verwaltungs- und verfassungsrechtlich überprüfen lassen. Bei ähnlichen Übergriffen gegen eine Versammlung und gegen den gleichen Filmemacher vor einigen Jahren in Wolfsburg hatten ebenfalls verschiedene Institutionen zusammengearbeitet. Sie wurden durch alle Braunschweiger Gerichte gedeckt. Erst das Verfassungsgericht geisselte die Aktion als offensichtlichen Verstoss gegen die Pressefreiheit, dass Oberverwaltungsgericht erklärte zudem den Angriff auf die damalige Versammlung für komplett rechtswidrig. Gelernt haben die Akteure daraus offenbar wenig.
Gegen die Verantwortlichen des Angriffs auf die Filmvorführung und der Inhaftierungen soll zudem Strafanzeige wegen verbotener Angriffe auf rechtmässige Versammlungen, Eingriffe in die Pressefreiheit, Nötigung (zum Abbruch der Vorführung) und Freiheitsberaubung gestellt werden - was allerdings einige Fragen aufwirft, wie die Zuständigkeiten sei werden, wenn das Gericht einschliesslich seines Präsidenten selbst der Täter ist.
Der Film ist jetzt unter https://youtu.be/UydE2MuQ2YU einsehbar.