Verweigerung des Verteidigungsbesuch war rechtswidrig Landgericht Lübeck: Laienverteidigung darf im Knast besuchen
Politik
Nach dem Knastaufenthalt von ibi wegen einer Urantransport-Blockade im Hamburger Hafen hat nun das Landgericht Lübeck entschieden, dass die Wahlverteidigung sie im Knast hätte besuchen dürfen.
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19. November 2021
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Weil sie sich weigerte, die im Strafverfahren verhängte Geldstrafe zu zahlen, musste sie 2021 in den Knast und wurde zunächst in Schleswig in Quarantaine und sodann in Lübeck inhaftiert. An beiden Knästen wurden Besuche der nach §138 Absatz 2 StPO zugelassenenen Personen entweder gänzlich abgelehnt oder jedenfalls der Status als Verteidigung nicht zuerkannt. Dagegen zog die Aktivistin zunächst noch aus der Haft heraus und sodann auch nach ihrer Entlassung vor Gericht. Das Landgericht Lübeck gab ihr nun Recht.
Das Landgericht Lübeck bestätigte nun die Rechtsauffassung der Laienverteidiger*innen und der Angeklagten, dass ein solches vom Gericht explizit genehmigtes Verteidigungsverhältnis sich selbstverständlich auch auf das Vollstreckungsverfahren und den Strafvollzug erstreckt.
"Dass die JVAen in Schleswig und Lübeck hier eine andere Rechtsauffassung vertreten haben, war von Anfang an reine Schikane." kommentiert der ausgeschlossene Verteidiger Kranz. "Eine solche Verteidigung mag ungewöhnlich sein, aber der Knast kann nicht einfach weil es unbequem ist und in den Formularen und Köpfen offenkundig nicht vorgesehen, bestehende Verteidigungsverhältnisse ignorieren." so die Klägerin. "Wobei anzumerken ist, dass das wahrlich kein Einzelfall sondern ein strukturelles Problem ist und sich Knäste, schlicht weil sie am längeren Hebel sitzen und Knast ein krasses Gewaltverhältnis ist, echt unglaublich viel erlauben, was eigentlich nicht erlaubt wäre."
Ibi hat zur Entscheidung noch einen kleinen Kommentar geschrieben:
Wenn wir von Polizei und Justiz unsere Rechte abgesprochen bekommen, bleiben wir in dem Moment hilflos zurück. Diese immer wieder willkürlichen und teilweise rechtswidrigen Einschränkungen sind aber nichts, was nur uns passiert, sondern sie sind alltäglich – insbesondere auf Polizeistationen und hinter Gittern, in einer Welt, in die Öffentlichkeit nur selten Einblick nimmt. Ich hatte immer das Privileg, dass es wen gekümmert hat, was mit mir passiert.
Und trotzdem ist es mir auch nicht ganz leicht gefallen, raus zu sein und weiter zu kämpfen, erneut zum Knast zu fahren, um in die Akte zu sehen, Schreiben mit Stellungnahmen der Knastleitungen zu lesen. Es war hart, zu erfahren, dass die stellvertretende Anstaltsleiterin aus Schleswig einfach behauptet, ich hätte duschen können, weil nicht sein kann, was nicht sein darf, während ich genau weiss, dass es mir eben nicht ermöglicht wurde und sie mir dann auch noch vorwirft, ich hätte nicht darum gebettelt. Soviel zur Menschenwürde, die sie doch so gerne anführen.
Ich halte nicht viel von dem Konzept von Gesetzen und auch (Grund-)Rechten, ich hab sie mir weder ausgedacht noch zugestimmt. Sie sind etwas was der Staat gibt und eben auch nehmen kann, wenn die Machtverhältnisse so sind (siehe beispielsweise das Aussetzen der UN-Menschenrechtskonvention in Frankreich nach Terroranschlägen oder die Einführung von präventivem Unendlichkeitseinsperren in Bayern). Damit helfen sie aber auch wenig auf dem Weg zur Freiheit.
Es ist ein Kampf mit ihren Mitteln, aber vielleicht hilft diese positive Gerichtsentscheidung irgendwann uns mal bei der nächsten Argumentation, wenn sie mal wieder wen von uns wegsperren. Jeder Besuch kann die Isolation mindern und helfen. Trotz all dieser notwendigen Kämpfe um Erträglichkeiten in einem unerträglichen System bleibt das Ganze im Blick zu behalten: Für eine Welt zu kämpfen, in der Atomanlagen nicht möglich sind, für eine Welt ohne Knäste und ohne Polizei.