Der im September 2018 in der GWR 431 erschienene Artikel „Björn Höckes faschistischer Fluss“ von Andreas Kemper wurde vom Thüringer Verfassungsschutzchef zur Begründung für die Überwachung Höckes herangezogen und führte daraufhin zu einer Hetzkampagne von AfD und Bildzeitung gegen das (laut AfD) „linke Schmierblatt“ bzw. gegen die (laut BILD) „Anarcho-Postille“ Graswurzelrevolution. [2]Im folgenden Artikel beleuchtet Andreas Kemper nun die Hintergründe des Potsdamer Geheimtreffens, den „Masterplan“ des Neofaschisten Martin Sellner und weitere Ziele der AfD.
Die Enthüllung des Geheimtreffens von Potsdam hat zu Massenprotesten gegen die AfD geführt. Sehr gut. Endlich gibt es diese Proteste auf der Strasse, wo Hunderttausende demonstrierten. Aber merkwürdigerweise wurde über den „Masterplan“ von Martin Sellner, der der Auslöser für diese Proteste war, nur ansatzweise berichtet. Dies soll hier nun nachgeholt werden und zwar nicht deshalb, weil fanatische Faschisten einen teuflischen Plan ausgeheckt haben, sondern weil die Umsetzung dieser Pläne sehr realistisch ist.
Millionenfache Deportation: Ein altes Ziel der AfD
Zunächst: Wer ist Martin Sellner? Sellner gilt als der führende Kopf der faschistischen „Identitären Bewegung“ in Österreich und Deutschland. Es war vor allem die Identitäre Bewegung, die den politikwissenschaftlichen Begriff „Remigration“ als neurechten Kampfbegriff neudefinierte, weil die Formulierung „Ausländer raus!“ politisch verbrannt war.Sellner arbeitet eng mit dem „Institut für Staatspolitik“ zusammen, einer rechten Propagandaschmiede aus Sachsen-Anhalt, welches wiederum eng mit den AfD-Funktionären Maximilian Krah und Björn Höcke verbunden ist. Weder Krah noch Höcke sind formal die Vorsitzenden der AfD, aber Krah ist der Spitzenkandidat für die Europawahlen Anfang Juni 2024 und mit Höcke könnte erstmals ein AfDler in die Landesregierung einziehen, er ist Spitzenkandidat für die Wahlen in Thüringen Anfang September 2024. Sowohl Krah als auch Höcke haben in ihren Büchern „Politik von rechts“ und „Nie zweimal in den selben Fluss“ hervorgehoben, dass für sie auch Deutsche mit nicht-deutschen Vorfahren ein Problem sind.
Krah problematisiert den Migrationshintergrund von 25 Millionen Menschen in Deutschland: „Bleibt die Frage, was mit den dann im Land befindlichen Menschen mit Migrationshintergrund geschehen soll. Das werden in Deutschland prognostisch über 25 Millionen Menschen sein, davon deutlich über 15 Millionen deutsche Staatsangehörige.“ (Krah, S. 60) Er formuliert das Problem, dass auch in den nächsten zehn Jahren noch nicht alle abgeschoben werden könnten, weil es verfassungsrechtliche und technische Probleme gebe und sich eine breite Mehrheit dagegen wehren würde. Die „Remigration der nicht Integrationsfähigen und -willigen“ müsse daher auf zwei Ebenen hergestellt werden:
Erstens finanziell. Hier fordert er zunächst den „Umbau“ – er meint eher die „Zerstörung“ – des Sozialstaates. Dies ist quasi die Urforderung der AfD. Den „Leistungsscheuen“ – warum nicht gleich „Arbeitsscheue“? – dürften nicht weiter „Hängematten“ gewährt werden. Sozialhilfe soll auf eine „Lebenshilfe“ verkürzt werden, ansonsten gilt Arbeitszwang. Der Sozialstaat „muss grundlegend korrigiert werden“, schreibt Krah auf Seite 61.
Ich bin in meinem Buch „Sarrazins Correctness. Ideologie und Tradition der Menschen- und Bevölkerungskorrekturen“ auf diese Form von Korrektionsforderungen näher eingegangen. Ich empfehle an dieser Stelle mein Buch, weil auch der Mitarbeiter von Krah, Erik Ahrens, diese Forderung nach Menschen- und Bevölkerungskorrekturen ankündigt: „Mit dem Rechtsruck und der AfD kommen neue Formen der Politik auf: „Biopolitik und Geopolitik. Beides war in Deutschland fast 80 Jahre lang unmöglich. Aber nun bricht sich vieles im Deutschen wieder Bahn, was vorher unterdrückt wurde“, schreibt er am 22.01.2024 bei X (ehemals Twitter). Er kündigt dort am selben Tag ein Buch an, in dem es „nicht nur um Rasse, sondern auch um andere genetische Themen“ gehe. Vor allem aber gehe es darum, „wie man die Genetikfrage mit der Politik verbindet“.
Neben der „Biopolitik“ in Form der Zerstörung des Sozialstaates findet sich ein weiterer finanzieller Ansatz der Remigration bei Krah in Form von „Investitionen“ im Globalen Süden. Diese Investitionen dienen aber lediglich dem Ziel, Deutschland von Nicht-Deutschen frei zu halten. Hier setzt auch Sellner mit seiner Musterstadt an, worauf ich gleich zu sprechen komme.
Der zweite Ansatz ist kultureller Natur: „Nicht polizeiliche Massnahmen führen zur Remigration, sondern nur ein sich seiner kulturellen Identität bewusstes Volk aus Alteingesessenen und sich neu Angeschlossenen, das selbstbewusst seine Ordnung im eigenen Territorium durchsetzt.“
Dies scheint Höcke in seinem Buch „Nie zweimal in den selben Fluss“ anders zu sehen. Ich hatte in der Graswurzelrevolution Nr. 431 vom September 2018 Höckes Position zu einem „grossangelegten Remigrationsprojekt” der „wohltemperierten Grausamkeit“ ausführlich dargelegt. Dieser Artikel wurde bekanntlich zur Beobachtung Höckes durch das Landesamt für Verfassungsschutz in Thüringen herangezogen, führte aber merkwürdigerweise nicht wie jetzt die Correctiv-Recherche zu Massendemonstrationen. Ich muss die Passagen aus dem Artikel hier nicht wiederholen, sondern fordere zur Relektüre auf. [3]
Wir müssen uns den Faschismus des 21. Jahrhunderts anders vorstellen als den aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, da sich der neue Faschismus mit Merkmalen des aktuellen Kapitalismus modernisieren wird. Hierzu gehört auch das Prinzip des Outsourcing. Wenn wir den neuen Faschismus verhindern wollen, sollten wir einen Blick auf die entdemokratisierten Stadtprojekte haben.
Kurz umrissen: Höcke „denkt in Generationen“ und fordert eine Deportation von jährlich mindestens 400.000 Menschen und eine Zurückdrängung des Islam „hinter den Bosporus“, sowie eine wirtschaftliche, einwanderungspolitische und militärische Abschottung von „Kulturkreisen“ in der Grösse von Kontinenten. Hierbei ist zu hinterfragen, ob Höcke dem afrikanischen Kontinent überhaupt eine Kultur zutraut. Noch ein abschliessender Satz zu Krah und Höcke: Sie sind in ihren Zielvorstellungen nicht weit auseinander, sondern haben sich in einem gemeinsamen öffentlichen Gespräch gegenseitig versichert, dass sie ein europäisches Reich unter deutscher Führerschaft wünschen. Diese deutsche Führerrolle würde vor allem mit dem deutschen „Mythos“ [4] einhergehen.
„Charter Cities“
Höcke forderte in „Nie zweimal in den selben Fluss“ bereits die Beendigung der Entwicklungshilfe (S. 191) und lobte den deutschen Kolonialismus: „Man darf Kolonisation auch nicht ausschliesslich negativ betrachten: Im Grund ist Kultur immer die Folge erfolgreicher Kolonisation. Doch nach der Landnahme muss die Tüchtigkeit, die Selbstausbeutung zur Grundlage des Wohlstands werden und nicht die Ausbeutung der Kolonie und ihrer Menschen.“ [5]Die AfD scheint ebenfalls diese Position zu vertreten und wurde im Bundestag 2021 konkreter. Dort forderte sie am 5. Mai 2021: „Strategiewechsel in der Entwicklungspolitik einleiten – Sonderverwaltungszonen als entwicklungspolitisches Instrument etablieren“ [6]
In diesem Antrag der AfD heisst es: „Deutschland muss seinen entwicklungspolitischen Fokus weg von der fragmentierten, klassischen Entwicklungshilfe hin zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit ausgewählten Regierungen und der Privatwirtschaft verlagern. Eine solche wirtschaftliche Zusammenarbeit kann, neben klassischen Kooperationen, auch mit Hilfe von sogenannten ‚Charter Cities' vollzogen werden. Als entwicklungspolitisches Modell wurden ‚Charter Cities' von dem US-amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler Paul Romer vor rund zehn Jahren in die wissenschaftliche Diskussion eingebracht. ‚Charter Cities' bezeichnet als Sonderverwaltungszonen entworfene Städte, deren Territorium von einem Staat (Entwicklungsland) freiwillig zur Verfügung gestellt und in dem von einem anderen Staat (Industrieland) Recht gesetzt wird.
Auf diese Weise dienen ‚Charter Cities' als Orte mit guter Infrastruktur, stabilen politischen Verhältnissen, Rechtssicherheit und marktwirtschaftlichem Wirtschaftsrecht in Regionen, die oftmals von Instabilität und Korruption geprägt sind. Das unterscheidet sie grundlegend von Sonderwirtschaftszonen, die lediglich marktwirtschaftliche Vorzüge bieten, jedoch weitere elementare Standortfaktoren wie Infrastruktur, Verwaltung und Sicherheit unberücksichtigt lassen.“
Ich hatte in meinem Buch „Privatststädte. Labore für einen neuen Manchesterkapitalismus“ Paul Romers Modell ausführlich dargestellt. Romer hatte zunächst in Madagaskar zwei Charter Cities geplant. Noch während der Verhandlungen 2009 kam es zu Massenprotesten gegen den Plan, mehr als die Hälfte des fruchtbaren Ackerlands zu enteignen und an den Konzern Daewoo und an zwei Charter Cities zu verpachten. Das Militär schoss in die Menge, es gab Tote und zahlreiche Schwerverletzte, der Präsident musste schliesslich zurücktreten.
Kurze Zeit später nahmen rechtsnationale Putschisten aus Honduras Kontakt mit Romer auf, um dort Charter Cities zu errichten. 2011, nachdem das Verfassungsgericht abgesetzt und von den Putschisten ausgetauscht wurde, sollte die erste Charter City gestartet werden. Es gab jedoch Streit um die von Romer vorgesehene Transparenz-Kommission, die honduranische Regierung setzte eher auf die weitgehend unkontrollierten Privatstadt-Konzepte von Patri Friedman (Enkel von Milton Friedman) und Peter Thiel [7]. Die Kontrolle der Privatstädte bzw. ZEDES, wie sie in Honduras heissen, sollte durch eine Gruppe von rechtslibertären Ausländer*innen übernommen werden, an deren Spitze kurzzeitig die österreichische FPÖlerin Barbara Kolm stand [8].
„Refugee Cities“
Zusätzlich zu den Ideen, Charter Cities oder Privatstädte zu gründen, gibt es Projekte, die Städte für Geflüchtete bauen wollen. In den Organisationen Refugee City, Politas Consulting oder SDZ Alliance finden sich auch Deutsche wie der UN-Mitarbeiter Kilian Kleinschmidt (SDZ Alliance, Refugee City) oder der ehemalige Botschafter Joachim Rücker (SDZ Alliance, Politas). Kleinschmidt hatte im jordanischen Flüchtlingscamp Za'atari mit 84.000 Menschen als UN-Mitarbeiter Stadtstrukturen geschaffen, und auch Rücker arbeitete als Sonderbeauftragter der Bundesregierung für die Stabilitätspartnerschaft Mittlerer Osten für die Umsetzung des „Jordan Compact“, in der es um Privatisierungen und Sonderentwicklungszonen in Jordanien ging.Diese NGOs und Organisationen fordern „Cities, not Camps“.
Ein Problem sehe ich darin, dass mehrere Teammitglieder dieser Refugee Cities Organisationen mit den Privatstadtprojekten in Honduras zusammenarbeiten oder diese vorangebracht haben, wie beispielsweise Michael Castle-Miller, Patrick Lamson-Hall, Lotta Moberg und eben auch Joachim Rücker.
Nennenswert ist hier auch Günter Nooke, ein ehemals persönlicher afrikapolitischer Berater der Bundeskanzlerin Angela Merkel. In der Weltwoche vom 13. Februar 2019 schlug Nooke im Artikel „Migrantenstädte statt Flüchtlingslager“, die Gründung privat finanzierter, selbstverwalteter Städte in Afrika vor. „Was kann ein angemessenes Angebot sein, wenn es in den nächsten drei Jahrzehnten nicht um einige 100.000 afrikanische Wirtschaftsmigranten, sondern um einige 100 Millionen geht? Ein Ausweg aus diesem strategischen Dilemma besteht in der Schaffung geografisch definierter und klar administrierter ‚Inseln guter Regierungsführung'. Die Verleihung des Wirtschaftsnobelpreises an Paul Romer im letzten Jahr bietet Anlass zur Diskussion.“
Hierbei hat Nooke nicht nur vor Augen, dass Afrikaner*innen in Afrika bleiben, sondern es geht auch um „unproblematische“ „Rückführungen“: „Damit sich Staatschefs darauf einlassen, Hunderte Quadratkilometer für solche Stadtgründungen freizugeben, braucht es erfolgreiche Modellstädte und einen konkreten Mehrwert für das Land. […] Für Deutschland wäre die Unterstützung des Konzepts überlegenswert, insbesondere wenn in solche Städte auch Rückführungen unproblematisch möglich würden. Auch hierdurch könnte ganz allgemein der Migrationsdruck auf Europa abgebaut werden.“ Nooke stellt die Frage, warum Deutschland nicht im UN-Sicherheitsrat eine Resolution einbringen solle, „um solch eine SDZ zum Beispiel in Libyen einzurichten?
Die dafür notwendige Blauhelmmission und die Interimsverwaltung brauchen ein Uno-Mandat, die Unterstützung und Finanzierung durch die EU und vor allem die Zustimmung der afrikanischen Staaten. Das könnte auf dem Weg zu einer wirklich europäischen Afrikapolitik ein wichtiger Meilenstein sein.“ Diese neuen Städte oder Sonderentwicklungszonen dürften „kein Denkverbot darstellen, auch wenn solche Entwicklungszonen oder Freistädte von einer nationalen Regierung einen gewissen – zeitlich und räumlich begrenzten – völkerrechtlichen Souveränitätsverzicht erfordern“.
Börsennotierte Klimamigrations-Städte
Auf Initiative von Günter Nooke fand im Mai 2022 in Davos als Bestandteil des World Economic Forum die Konferenz „Cities, not Camps“ statt. Eingeladen war neben Paul Romer auch der deutsche Privatstadtunternehmer Titus Gebel. Am Rande der Konferenz kam es zu einem Treffen mehrerer Konferenzteilnehmer mit Christian Kälin vom Unternehmen Henley&Partners. Dieses Unternehmen vermittelt Superreichen Staatsangehörigkeiten. Seit dieser Tagung arbeiten Gebel und Kälin zusammen. So sass Gebel im November 2022 während einer EU-finanzierten Konferenz im Auftrag einer Kälin-Stiftung auf einem Podium mit dem griechischen Minister für Asyl und Migration und versuchte, ihm die Gründung von privatisierten, börsennotierten, entpolitisierten Refugee Cities schmackhaft zu machen.Gegen Ende des Jahres 2023 fand in Dubai eine Konferenz von Henley&Partners statt, in der erörtert wurde, wo in zwanzig Jahren die Erde aufgrund der Klimakatastrophe bewohnbar bzw. unbewohnbar ist, und wo sich die Gründung von „Global Cities“ lohnen würde, privat betriebene, „entpolitisierte“ Städte „für“ Menschen, die aufgrund der Klimakatastrophe auf der Flucht sind.
Deports – Deportationsstädte
Auf diese oben aufgeführten Vorarbeiten können sich nun die AfD und die mit ihr verbundenen faschistischen Strömungen stützen, wenn sie „Charter Cities“ oder „Musterstädte“ in Afrika fordern. Wobei hier die Frage nach dem Huhn und dem Ei aufkommt, schliesslich hatte die NSDAP bereits in den 1940er Jahren einen „Madagaskar-Plan“ erwogen, die millionenfache Deportation von Jüd*innen nach Madagaskar, der afrikanischen Insel, auf der siebzig Jahre später auch die ersten Charter Cities entstehen sollten.Martin Sellner hatte diesen Plan während des oben genannten Geheimtreffens zum Besten gegeben. Sellner macht eine Rechnung auf. Es geht nicht nur um Migrant*innen, sondern auch um die Hälfte von zwölf Millionen Deutschen, die eine Migrationsgeschichte haben und sich nach Ansicht Sellners „möglicherweise“ nicht ausreichend assimiliert hätten. Insgesamt spricht Sellner von 14 Millionen Menschen, die deportiert werden könnten.
Im Socialmedia-Portal X (vormals Twitter) behauptet der Account „Fädenzieher“, Martin Sellner zu sein, was meines Erachtens auch gut passen könnte. Fädenzieher hat auf X herausgearbeitet, wie der „Masterplan“ der Deportation aussieht. Er schreibt dort unter dem Titel „Remigration: Eine Stadt für Staatenlose“, dass es ein Abschiebungsproblem mit fehlenden kooperierenden Drittstaaten gäbe. Daher solle eine „Musterstadt“ in Nordafrika errichtet werden. Zunächst sollten an der Küste Nordafrikas Ankerzentren mit Containerlagern eingerichtet werden. Im nächsten Schritt werde eine Fläche in der Grösse von Berlin für zwei Millionen Menschen gepachtet.
Migrant*innen könnten bei den Bauarbeiten fair bezahlt mitwirken. Infrastruktur, Sicherheit und Verwaltung werde von der EU organisiert und bezahlt. Jede*r könne dort drei Jahre leben, danach erfolge Abschiebung ins Heimatland, Verlängerung oder bei „asozialem“ Verhalten Abschiebung in „weniger attraktive“ Ankerzentren. Diese Musterstadt soll eine „Sonderwirtschaftszone mit weitgehender Steuerfreiheit“ sein und Start Ups anziehen. Die „Migrationslobby“ könne ihren „Schuldkomplex“ durch Arbeit in der Musterstadt „gutmachen“. Sollte die Stadt zu schnell wachsen, werden weitere Musterstädte gegründet. Ziel sei, dass die Musterstädte sich wirtschaftlich selbst tragen.
Mit der Musterstadt werde der gordische Knoten der „Unabschiebbarkeit“ durchschlagen, in dem jede*r Ausländer*in dorthin deportiert werden könne.
Ich halte die Gründung solcher „Musterstädte“ leider für sehr realistisch. Hier laufen viele proprietaristische („rechtslibertäre) Projekte [9] zusammen, von Freihäfen, Sonderwirtschaftszonen, Privatstädten, Charter Cities, Refugee Cities bis zu den Deportations-Städten, also quasi von Freeports zu Deports, Deportationsstädten.
Zudem arbeiten auch Konservative an ähnlichen Projekten, die Tories in Grossbritannien wollen Migrationslager in Ruanda einrichten. Die CDU spricht im Entwurf des neuen Grundsatzprogramms davon, Verträge mit „sicheren Drittstaaten“ abzuschliessen: „Jeder, der in Europa Asyl beantragt, soll in einen sicheren Drittstaat überführt werden und dort ein Verfahren durchlaufen. Im Falle eines positiven Ausgangs (!) wird der sichere Drittstaat dem Antragsteller vor Ort Schutz gewähren. Dazu wird mit dem sicheren Drittstaat eine umfassende vertragliche Vereinbarung getroffen.“ [10]. Diese Konzeptionen sind nicht mehr sehr weit entfernt von dem oben ausgeführten faschistischem Projekt von Sellner.
Wir müssen uns den Faschismus des 21. Jahrhunderts anders vorstellen als den aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, da sich der neue Faschismus mit Merkmalen des aktuellen Kapitalismus modernisieren wird. Hierzu gehört auch das Prinzip des Outsourcing. Wenn wir den neuen Faschismus verhindern wollen, sollten wir einen Blick auf diese entdemokratisierten Stadtprojekte haben.