Die etablierten Parteien sind im Wettkampf, wenn es darum geht, das Schreckensbild der „irregulären Migration“ an die Wand malen. Sachlich gesehen beweisen sie so, dass die AfD mit ihrer Thematisierung von „Remigration“ goldrichtig liegt. Ja, auch auf diese Weise kann man Wahlwerbung für die Rechten machen, die schliesslich immer behaupten, sie wären das Original, während die anderen nur die Kopie liefern. Insofern hat die AfD bereits beim Einstieg in den Wahlkampf entscheidende Punkte gemacht.
Die Frage ist nur, warum diese Form der Wahlwerbung zieht und Bild am Sonntag frohlockend vermelden kann: „Bundesbürger sind für schnelle Abschiebung krimineller Asylbewerber – 76 %“.
Die Herren des Volkes sind seine Diener?
Obgleich die Zahl der Migranten zurückgeht, wird der Umgang mit ihnen von den Parteien als Wahlkampfthema hochgekocht. Was soll damit eigentlich bewiesen werden? Wenn ein paar kriminell gewordene Migranten mehr abgeschoben werden, dann werden die deutschen Städte ja nicht auf einmal abends sicher oder Ladendiebstähle zum Auslaufmodell, dann hört auch die häusliche Gewalt nicht auf oder der Cum-Ex-Betrug. Wenn Asylbewerber kein Bargeld mehr bekommen oder nur noch Bett und Essen, ist ja kein Deutscher auch nur einen Cent reicher, sondern nur eine Reihe von Elendsgestalten ärmer.Wenn dennoch trotz zurückgehender Migration das Thema so hoch gehängt wird, kann nicht die Anwesenheit bzw. Aufführung von Migranten der Grund für die Alarmmeldungen sein. Es geht um einen negativen Beweis, den die Politiker hier mit ihren Massnahmen führen wollen: Sie setzen sich als diejenigen in Szene, die sich um ihre biodeutschen Untertanen kümmern, indem sie andere, die es am Standort auch noch gibt, gezielt schlecht behandeln. Offenbar haben sie ihren Bürgern nur wenig Positives oder gar nur neue Härten zu bieten – eben „Kanonen statt Butter“, wie es neuerdings unverblümt heisst. Da soll die Ankündigung von dratsischen Massnahmen in der Migrationspoltik die Tatkraft der Politiker beweisen. Ein solcher Beweis kann aber nur bei Bürgern ziehen, die einige Unterstellungen (mit-)machen: zum einen, dass es die vornehmste Aufgabe der Politik ist, sich ums Volk zu kümmern und es zu bedienen, so wie das der ehemalige TV-Clown Selenskij dem Publikum mit seiner Fernsehserie „Diener des Volkes“ – als unfreiwillige Karikatur des Politikbetriebs – nahegebracht hat. Jetzt, wo sie von den Politikern der Partei „Diener des Volkes“ regiert werden, haben die Ukrainer nichts mehr zu lachen. Sie müssen ihre Herren bedienen, nämlich Kriegsdienst leisten, und dürfen für sie sterben. Aber auch vorher, bei der Wahl von Selenskij, der anfangs als Friedensengel auftrat, hätte den Wählern etwas auffallen können: dass es sich hier nämlich um seltsame Diener handelt, die ihren angeblichen Herren vorgeben, wie sie zu leben haben.
Zum anderen muss geglaubt werden, dass der Zustand der Nation, angefangen von den schlechten Strassen und dem Chaos der Bundesbahn bis hin zu den maroden Schulen und dem mangelhaften Rentensystem, der Pflichtvergessenheit von Politikern geschuldet ist, die sich zu wenig um ihre Bürger und zu viel um Fremde gekümmert hätten; dass sich die Politik also von ihrer eigentlichen Aufgabe hat ablenken lassen, während die Bürger ihren Pflichten nachgekommen sind. Sie sind arbeiten gegangen, wenn sie konnten, haben dabei Steuern gezahlt und Beiträge in den Sozialkassen abgeliefert und sind jetzt trotz alledem damit konfrontiert, dass ihr Verdienst durch die Inflation angefressen wird, für Miete oder die Versorgung im Alter kaum reicht und der Alltag überhaupt voller Widrigkeiten steckt.
Nach dieser Logik – Politik muss etwas für uns und tun und nicht für die anderen – sowie den einschlägigen Enttäuschungen braucht es dann echte Alternativen, nämlich Polit-Mannschaften, die sich wirklich um die Sorgen der Bürger kümmern und nicht nur immer davon reden. Aber wem soll man glauben? Wie viele Alternativen soll man durchprobieren? Das Wahlvolk kennt viele Gründe, an den tollen Angeboten der Wahlreklame zu zweifeln. Deshalb ist es auch wenig überraschend, wenn Bild am Sonntag vermeldet: 45 % der Bürger glauben nicht, dass ein Kanzler Merz wirklich seinen Vorstoss umsetzen wird.
Statt die Frage zu wälzen, wem man vertrauen kann, sollte man sich besser einmal eine andere gedankliche Anstrengung zumuten und der Frage nachgehen: Warum ist der Alltag der meisten Bürger so mies beschaffen, dass sie ständig nach neuen Dienern Ausschau halten, die dann als ihre Herren auftreten und den Laden schmeissen. Und dem schliesst sich die Frage an: Warum suchen viele Menschen ihr Heil in den Metropolen des Kapitals wie EU oder USA, wo sich die Eingeborenen dort selber schon mit ihrem Lebenskampf schwer tun.
Der Lohn der hart arbeitenden Mehrheit: lauter Härten!
Kaum eine Partei lässt es aus, darauf zu verweisen, dass sie sich für die hart arbeitende Mehrheit im Lande einsetzt. Ihr Einsatz besteht in erster Linie darin, dass dieser Teil der Menschheit die Gelegenheit bekommt, überhaupt arbeiten zu können. (https://www.overton-magazin.de/top-story/juchhu-wir-duerfen-wieder-waehlen/ ) Also steht die Förderung der Wirtschaft in den Wahlprogrammen ganz oben. In der Wirtschaft sind aber die arbeitenden Menschen die abhängige Grösse, ihr Lebensunterhalt gilt in ihr als Kost, die gering zu halten ist, was jetzt auch die Arbeiter im deutschen Musterunternehmen VW erfahren durften.VW ist ja nicht nur Deutschlands grösster Autokonzern, sondern gilt, woran Overton (https://overton-magazin.de/top-story/ungerecht-das-kapital-blamiert-seine-co-manager/) jüngst erinnerte, als Paradebeispiel für die Erfolge betrieblicher Mitbestimmung, wo sozialpartnerschaftlich gewerkelt und „gute Arbeit“ anständig honoriert wird. Wo man aber Anno Domini 2024 lernen durfte: Wenn Not am Mann ist, sprich die Rendite nicht stimmt, geht das Unternehmen in stinknormaler kapitalistischer Manier hin und sichert mit Werkschliessungen, Entlassungen und Lohnsenkungen die Profitabilität.
Weil das so ist, sind Arbeitnehmer in vielen Lebenslagen auf staatliche Unterstützung angewiesen, über die die Politik entscheidet – ob dies nun die Arbeitslosen-, Kranken- oder Pflegeversicherung ist, ob es um Rente, Elterngeld, Mietzuschuss, Bürgergeld geht oder um Sozialpläne für ausserordentliche Ereignisse wie die derzeitigen Massenentlassungen. Doch auch für die Politik sind die Sozialkosten eben Kosten, die es für den Staatshaushalt niedrig zu halten gilt. Entsprechend schäbig fallen diese Leistungen aus und so sind die Notwendigkeit wie der Umfang dieser Unterstützung ständig in der Diskussion. Das ist – in aller Kürze – das Prinzipielle, was zur Sorge des Staates für seine auf Lohnarbeit angewiesenen Massen zu sagen ist. Es hat eben seine marktwirtschaftliche Logik, dass sie schäbig behandelt werden – noch bevor der erste Migrant das Land betreten hat.
Dieser berechnende Umgang mit den eigenen Bürgern zwingt sie, sich auf lauter Härten einzustellen. Und hier findet man auch die Ursache für den Daseinskampf, der der Bevölkerung anderswo aufgezwungen wird und ihnen die trostlose Perspektive nahe legt, in den Metropolen des Kapitals ihr Heil zu suchen.
Migration: Ergebnis weltweiten Handels & kriegerischer Einmischung
Für die deutsche Wirtschaft ist Deutschland einfach zu klein. Für ihr Wachstum braucht es ständig neue oder wachsende Märkte, Rohstoffe, die es in Deutschland nicht gibt, und Zugriff auf billige Arbeitskräfte und Handelswege in aller Welt. Dazu müssen Staaten sich miteinander ins Benehmen setzen, wobei es sehr darauf ankommt, wer was ökonomisch zu bieten hat und damit politisch durchsetzen kann. Da gestaltet sich der Verkehr sehr unterschiedlich zwischen Staaten der EU, Amerika oder China auf der einen Seite und dem Rest, der heutzutage als „globaler Süden“ firmiert, auf der andern.Deutschland hat im Rahmen der EU viele Handelsabkommen mit anderen Staaten geschlossen, vor allem in Afrika, die diese Länder für die Bedürfnisse des deutscheuropäischen Wirtschaftswachstums erschlossen haben. So wurden sie mit Billigprodukten aus europäischer Produktion überschwemmt und die vorhandene Ökonomie ruiniert. Um an Rohstoffe zu kommen, wurden die Menschen von ihrem angestammten Land vertrieben, Potenzen der Landwirtschaft dafür genutzt, um im grossen Stil Blumen, Gemüse und Früchte für den europäischen Markt anzubauen und andere Regionen als Mülldeponien für die giftigen Abfälle der Metropolen zur Verfügung zu stellen usw.
Das hat Deutschland zum Exportweltmeister gemacht und die Lebensgrundlage für viele Menschen ruiniert. Länder, die sich der Benutzung durch den Westen verschlossen oder für ihr nationales Wachstum einschränkten, konnten sich der Konfrontation mit der politisch-militärischen Macht des Westens sicher sein. Bekanntlich ist die BRD ja, bei aller Beschwörung der Unverletzlichkeit der Grenzen, in Jugoslawien mit Bomben präsent gewesen, um die Zerlegung des Landes zu betreiben, hat ihre Sicherheit am Hindukusch verteidigt, zur Destabilisierung Syriens beigetragen und war in vielen „Brennpunkten“ mit Militärhilfe und Waffen präsent. So sind die Kriegsflüchtlinge vielfach genau Bürger der Länder, in denen Deutschland, im Bunde mit seinen NATO-Kumpanen, seine Regeln für die Weltordnung durchgesetzt und die Unordnung in den armen Ländern geschaffen hat.
So verdankt sich der Ansturm der Flüchtlinge auf die Metropolen des Westens genau der gleichen Kalkulation, die für die miesen Lebensverhältnisse an den Kapitalstandorten verantwortlich ist. Für deren Bevölkerung, d.h. für ihre Brauchbarkeit, muss gesorgt werden, dieses „Menschenmaterial“ kann man nicht vor die Hunde gehen lassen. Auf die Auswärtigen braucht man diese Rücksicht aber nicht zu nehmen, ausgenommen die ausgewählten Exemplare, die man gebrauchen kann.
Da im anstehenden Wahlkampf sowieso keine sozialen Wohltaten versprochen werden – es geht neben dem Aufrüstungsgebot vielmehr ums Auffüllen gewisser Gerechtigkeitslücken beim wirtschaftlichen Aufschwung, den wir alle an erster Stelle wollen und brauchen –, kann man dem eigenen Volk auch einmal seinen Lohn ganz drastisch vor Augen führen: Er besteht darin, dass man mit anderen, den Migranten eben, noch schlechter umgeht als mit den eigenen Leuten. Das treue, „privilegierte“ Eigenvolk, das sich alles gefallen lässt, hat es verdient, beim Wahlkampf dabei zuschauen, wie sich die Parteien mit ihren Vorschlägen zur Schlechterstellung anderer überbieten.