Das ist mit Kritik am Nationalismus in der Kriegsfrage gemeint. "Die Arbeiterklasse kennt kein Vaterland"(1), sagt Marx zutreffend .Hingegen ist sie internationalistisch und nicht nationalistisch orientiert. Der Arbeiterbewegung vor dem 1. Weltkrieg war klar, wir wollen und werden nicht auf unsere Schwestern und Brüder schiessen. "Noch 1912, zwei Jahre vor Ausbruch des Krieges, der Internationale Sozialistenkongress in Basel erklärt hatte: „Die Proletarier halten es für ein Verbrechen, zugunsten des kapitalistischen Gewinns, dynastischen Wetteifers und des Aufblühens diplomatischer Verträge aufeinander zu schiessen.“(1) Karl Liebknecht spricht auf der Friedenskundgebung der SPD im Treptower Park, 1911(2)
Das Nationalgebilde Ukraine
Die Ukraine ist ein ebensolches Herrschaftssystem wie das angreifende Russland und die antretenden Nato-Staaten. Wenn das stimmt, gibt es dort eine politische und ökonomische Herrschaft, die die normale Bevölkerung für sich antreten lässt.In der Ukraine: Ein Oligarchen Kapitalismus russischer Prägung. Die Löhne sind gewaltig runtergeschraubt worden. Die gewerkschaftlichen Rechte sind erheblich eingeschränkt worden.
Die russische und die ungarische Sprache ist verboten worden.
Männer zwischen 18 und 60 dürfen sich nicht ausserhalb des Landes begeben.
150 000 junge Männer versuchen, am Militärdienst vorbeizukommen.
Es gibt eine ukrainische Friedensbewegung, die nicht unerheblichen Repressionen ausgesetzt ist.
Bekennende Faschisten wie der ehemalige Botschafter in Deutschland Andrij Melnyk geniessen hohes Ansehen. Melnyk ist nun stellvertretender Aussenminister der Ukraine. Kommunistische Parteien hingegen sind verboten.
Was will ich damit sagen. Der Krieg Nato (de facto)-Russland Ukraine ist einer des Führungspersonals der jeweiligen Länder. Die Bevölkerung der verschiedenen genannten Länder hat diesen Gegensatz nicht. Woher auch? Sie möchten in Frieden leben - mit Haus, Familie oder auch nicht, ein paar Kumpels und genügend Bier. Und das ist in allen Ländern gleich. Aus dieser Interessenslage gibt es keinen Übergang zum Krieg.
Wer hat mehr Gemeinsamkeiten, der russische Arbeiter mit dem ukrainischen Arbeiter oder der russische Arbeiter mit dem russischen Präsident und ebenso der ukrainische Arbeiter: hat er mehr Gemeinsamkeiten mit seinem Präsidenten oder mit dem russischen Arbeiter
Arbeiter schiessen nicht auf Arbeiter
In der Arbeiterbewegung vor dem 1. Weltkrieg wurde einmal die Parole verbreitet: Arbeiter schiessen nicht auf Arbeiter.Die Herrschenden sind sehr daran interessiert ihre Herrschaftsinteressen, die sie kriegerisch verfolgen oder verfolgen wollen, in ein nationalistisches Gemeinschaftsprojekt zu übersetzen. Vor allem erfolgt das praktisch - und zwar durch Zwang.
Die Flankierung mit dem Anrufen eines Nationalgefühls darf nicht fehlen. Eigentlich leicht zu durchschauen. Angeblich haben Arbeiter und die einfache Bevölkerung die gleichen Interessen wie ihre Regierung. Zudem werden sie auf Ihresgleichen, auf Untertanen eines anderen Herrschaftssystems gehetzt. Der Kaiser und die Eliten Deutschlands sind nicht auf den Schlachtfeldern Verduns umgekommen Das waren die kleinen Leute, die sich auch noch wechselseitig über den Haufen geschossen und gepiekst haben.
Wer dem Einberufungsbefehl nicht folgt, wird verhaftet. Es ist kein Staat bekannt, der das Kriegführen von einer Volksabstimmung abhängig gemacht hätte.
Dass nicht direkt in das aktuelle Kriegsgeschehen involvierte Deutschland betreibt schon einmal national orientierte Feindbildpflege. Die scheinbar harmlosesten Beispiele sind manchmal die eingängisten - wie hier: Der Schüleraustauch mit Russland ist eingefroren worden und Sportveranstaltungen auch nicht nur internationale Wettkämpfe, sondern gemeinsame Trainingsveranstaltungen mit blinden Sportlern ebenfalls. Warum eigentlich?
Mit der nicht schwer zu beantwortenden Frage haben wir schon herausbekommen, wie Herrschaft ihren Zweck Krieg dreist gelogen, die Bürger dazu gezwungen als Gemeinschaftsprojekt ausgibt.
Bellizismus in anarchistischen Kreisen
Erstaunlich für mich ist und war es zu erfahren, wie unerbittlich beachtliche Anteile der anarchistischen Bewegung und z.T. auch der Antifa für einen Krieg bis zum Endkampf gegen Putin eintreten. Ich beziehe mich dabei auf Erfahrungen, die ich leider auf dem Weltkongress der Anarchisten im Juli 2023 in St. Imier/CH machen musste.(3)Dabei ist die Überzeugung so gross, dass gar nicht mehr argumentiert wird, sondern nur noch denunziert wird: Jeder, der in irgendeiner Form gegen die grosse Schlacht argumentiert, gehört zur AFD, sei Verschwörungstheoretiker, Schwurbler und so weiter. Das Ganze wird mit hohem moralischen Druck präsentiert, so dass eine Diskussion nicht mehr stattfinden kann. Vielmehr steht eine einzige Beschimpfungskanonade jedweder anderen Position im Mittelpunkt. Was geht in einen solchen Standpunkt unreflektiert eigentlich ein?
- Putin sei der Bösewicht im Staatenwesen schlechthin und würde nicht gestoppt die ganze Welt überrollen.
- Die Nato taucht nun auf als Rettungsverein für unterdrückte Völker Der Krieg muss einfach geführt werden, am besten gleich, sonst muckt Putin noch mehr auf. Das An-die- Wand-malen eines atomaren 3. Weltkrieges als Folge eines zu offensiven Auftretens sei ein Abwiegelargument, nur um Putin rauszuretten, um sich selbst wiederum vor der grossen unvermeidbaren Schlacht zu drücken.
- Bezeichnend für die unerbittliche Härte ist auch, dass eine Verhandlungslösung, wie sie ja beispielsweise von China, Brasilien und Südafrika ins Spiel gebracht wird, völlig am zu erreichenden Ziel - nämlich der Vernichtung Putins vorbeigehe.
- Putin ist ein durchgeknallter Dämon, der die ganze Welt unter seine Herrschaft bringen will uns schliesslich auch die Menschheit unterdrücken will.
- Die Nato das Kriegsbündnis schlechthin, dass eine Unzahl schrecklicher Kriege nach dem 2. Weltkrieg geführt hat, ist nun zum Retter avanciert.
- Alles schreckliche, alle historischen Hinweise auf das Umpflügen der Welt durch die Nato werden
- Und jenseits von Krieg, die Ausbeutung der Menschen durch das westlich-kapitalistische Modell auf dem Globus betreffend: In welchem Land beschert diesem System nicht Armut, Elend und Verzweiflung?
Hurra Patriotismus vor dem 1. Weltkrieg - ein heimliches, unreflektiertes Vorbild?
Vor dem 1. Weltkrieg hat es bekanntlich eine Art Aufbruchsstimmung insbesondere bei der Jugend gegeben, die sich einem Krieg regelrecht herbeigesehnt hat. Auch der noch junge Thomas Mann: Schriftsteller Thomas Mann : "Krieg! Es war Reinigung, Befreiung, was wir empfanden"(4)Und so scheint es mir hier auch. Allerdings trat bei grossen Teilen der kriegsbegeisterten Jugendlichen auf dem Schlachtfeld bald Ernüchterung ein. Die hatten sich Krieg eher als so eine Art Erneuerungs- und Aufbruchsfestival vorgestellt. Hier war man kaum angekommen schon tot oder schwerverwundet. Nicht wenige sind daran übergeschnappt. Nicht umsonst hat Wilhelm der II. Auch prognostiziert und gefordert: "Blut muss fliessen, viel Blut."(5) Sein Blut hat der damit nicht gemeint.(6)
Die ganze grosse Schlacht, möglicherweise sogar ein atomar geführter 3. Weltkrieg wird hier begeistert begrüsst und gefordert.
Wer sich dem theoretisch bereits entzieht, gehört entlarvt, ist Feind , der sich bei uns eingenistet hat. Auch wenn das jetzt noch klein und machtlos daherkommt, sind das Bürgerkriegsphantasien, vor denen ich hier ausdrücklich warnen möchte.
Einerseits scheinen wir hier auf der Ebene und dem Niveau von Pfadfinderfantasien angelangt zu sein. Krieg wird nicht als Krieg mit all seinem Elend begriffen, sondern ein merkwürdig ideell besetztes Beglückungsprogramm.
Andererseits tritt hier in schlechter deutscher Verantwortungstradition das Aufräumen auf dem Globus als deutsche Pflichtaufgabe. Hitler hat das als 2. Weltkrieg durchgeführt, die Grünen haben die nie wieder Krieg Bewegung in doch wieder Krieg, aber diesmal aus Verantwortung überführt. Diese unerschütterlichen deutschen Verantwortungstradition wird nun offenbar von Randgruppen propagiert und der aggressive Regierungskurs flankiert, eher noch überboten. Das Unwidersprechliche generiert sich aus dem Einmarsch russischer Truppen. Eine Frage nach dem "Warum" ,keineswegs im verteidigenden Sinne, sondern im erklärenden. Das ist eine apodiktische Setzung, die sich keineswegs aus der Sache ergibt.
Irgendwie hat es Putin geschafft, den Rang eines einzigartigen, absoluten, unvergleichbaren, nie mehr einzuholenden Bösewichts der Weltgeschichte einzunehmen.
Unumstösslich steht ja fest: Diese Entschlossenheit rührte wesentlich von der Überzeugung her, dass Deutschland deshalb in den Krieg ziehe, weil es von aggressiven äusseren Feinden dazu genötigt werde. Diese Ansicht war über alle Klassen hinweg verbreitet - ein unglaublicher Täuschungs- und Propaganda-Erfolg der Führungsspitze in Berlin, die doch hinter den Kulissen alles tat, um den Krieg heraufzubeschwören. (7)
Fenster Internationalismus
"Für einen jungen Menschen heute ist es nahezu unmöglich, sich vorzustellen, dass einst Dutzende Millionen von Menschen die Hoffnung hegten, sich gemeinsam von der Unterdrückung zu befreien. Der Internationalismus war die Säule, auf der diese Hoffnung ruhte und die von den Kanonen zerschossen wurde." (11)Hoffnung ist etwas Zukunft gewandtes und zugleich auf Erfüllung und Glück orientiert, dass es anders und besser werde. Hoffnung will aus sich heraus nicht scheitern, nicht im Elend, Chaos und Krieg versinken.
Mehr als Hoffnung bleibt wohl im Moment nicht. Aber Hoffnung, dass der nationale Bellizismus dem Internationalismus weicht.
Auf einer Internetseite, in der für Kinder versucht wird zu erklären, was Krieg ist, heisst es: "Kommt es zum Krieg, gibt es immer viele Verletzte und Tote. Die Menschen leiden unter den Folgen eines Krieges, oft auch dann noch, wenn der Krieg schon lange vorbei ist." (10)
Merkwürdig und bedrückend zugleich, dass dieser unbestreitbare Sachverhalt kaum und zu wenig Anlass gibt, sich das Krieg führen seiner Herrschaft nicht gefallen zu lassen und sich nicht verheizen zu lassen. Nicht zu vergessen auch, nicht auf Brüder und Schwestern in dem angeblichen Feindesland zu schiessen, die ja selbst ihrerseits Untertanen eines nicht bekömmlichen Herrschaftssystems sind.
Dieser Internationalismus war die grosse Hoffnung der Arbeiterbewegung vor dem 1. Weltkrieg und wurde bekanntlich von der SPD zu Grabe getragen.
Aber nur ein winziger Teil der Arbeiter trat dem patriotischen Taumel offen entgegen - wie einige junge Brandenburger mit ihren satirischen Flugblatt-Versen zeigten:
"Ihr ungezählten Millionen / Aus Schacht und Feld, aus Stadt und Land, / Ihr seid nun Futter für Kanonen, / Die schuf des Proletariers Hand! / Jetzt schiesst man auf den Bruder gern, / Weil es der Wunsch der hohen Herrn! / Vernichtung vieler Menschenleben, / Das ist das Ziel, das wir erstreben./ Das nennt man jetzt den heil'gen Krieg, / Mit uns das Volk, mit uns der Sieg!"(8)
Daran wäre anzuknüpfen.
Friedensaktivist Oleg Bodrov (Russland) und Yurii Sheiliazhenko (Ukraine)
Zum Schluss möchte ich noch Yurli Sheliazenko von der ukrainischen pazifistischen Friedensbewegung zu Wort kommen lassen und folgend Oleg Bodrov von der russisch pazifistischen Friedensbewegung:"Das Ziel Sieg durch Vernichtung eines Feindes ist eine gefährliche Täuschung, die immer zur Selbstzerstörung führt" (Shelazhenko)
"Die Zivilgesellschaften der in den Krieg verwickelten Länder müssen sich gegen den Krieg und die Politiker wenden, die ihn unterstützen" (Bodrov)
Yurii Sheliazhenko: Unsere Aufgabe ist es, für die Beendigung des Blutvergiessens einzutreten und für faire und umfassende Friedensprozesse, die auf Versöhnung abzielen. Das Ziel Sieg durch Vernichtung eines Feindes ist eine gefährliche Täuschung, die immer zur Selbstzerstörung führt. Wenn es von Regierungen mit Nukleararsenal verfolgt wird, droht die Vernichtung der Menschheit. Frieden schaffen heisst, über die Gefahren von Militarismus und Krieg aufzuklären, praktisches Wissen über gewaltfreie Lebensweise und friedliche Konfliktlösung zu lernen, sichere Räume für den Dialog zu öffnen und Opfern von Militarismus und Krieg zu helfen.eAus der Invasion ist ein blutiger Stellungs-krieg entstanden, Hunderttausende Soldat*innen und Zivilist*innen wurden schwer verletzt oder getötet.
Yurii Sheliazhenko: Wir brauchen einen Waffenstillstand und Friedensgespräche. Dazu kann es nach einem Wiedererwachen von Gewissen und gesundem Menschenverstand oder nach Erschöpfung der Kriegführenden kommen. Allerdings heizt auf beiden Seiten die Unterstützung durch Grossmächte und durch geoökonomische Lager die Kriegslust an. Durch unbegrenzte Waffenlieferungen und reichliche Ressourcen an Kanonenfutter droht der Krieg zur europäischen Version des israelisch-palästinensischen Konflikts zu werden. Eine schnelle Erschöpfung der Kriegführenden ist nicht zu erwarten. Ein Er-wachen des Gewissens und des gesunden Menschenverstands ist unsere einzige Option. Wir brauchen grosse strukturelle Veränderungen, um den giftigen Militarismus aus Wirtschaft und Politik zu verbannen
Oleg Bodrov: Die Zivilgesellschaften der in den Krieg verwickelten Länder müssen sich gegen den Krieg und gegen die Politiker wenden, die ihn unterstützen. Sie müssen Nein zum Krieg sagen. Anfang Juni wird Wien Gastgeber eines Friedensgipfels sein, des „International People's Summit for Peace in Ukraine“. Es wird nicht nur Diskussionen geben, sondern auch direkte Aktionen von Vertretern der Zivilgesellschaft aus der Ukraine, aus Russland, aus NATO-Staaten und aus Afrika. Wenn sich die Politiker nicht einigen können, müssen dies die Bürger des Planeten Erde tun.Russlands Einmarsch hat das Völkerrecht gebrochen. Dennoch treten Sie für einen Waffenstillstand ein?
Oleg Bodrov: Der Krieg in der Ukraine ist für mich, als würde meine rechte Hand die Linke angreifen, um sie zu brechen. Meine Frau ist halb Ukrainerin. In der Ukraine leben meine Ökologen-Freunde. Wir haben gemeinsam die erneuerbaren Energien vorangebracht und uns gegen die gefährliche Atomkraft gewandt. Kommilitonen und Freunde aus der Ukraine haben mit mir zusammen im Kaukasus hohe Gipfel erklettert. Wir vertrauten uns gegenseitig unsere Leben an, denn uns hielt das gleiche Kletter-seil. Auch wir in Europa sind durch das gleiche Sicherungsseil verbunden. Wir werden sterben, wenn es reisst.
Oleg Bodrov (71) ist Physiker, Ökologe und Mitglied des Internationalen Friedensbüros. Als Vorsitzender des Öffentlichen Rates des Südufers des Finnischen Meerbusens in St. Petersburg setzt er sich für Umweltschutz und Förderung des Friedens ein.
Yurii Sheliazhenko (42) ist Exekutivsekretär der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung und Vorstands-mitglied des Europäischen Büros für Kriegsdienstverweigerung. Als Universitätsdozent lehrt er in Kiew (9)