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Schwelende Vernichtung: Der Krieg in der Ukraine

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Der Krieg in der Ukraine Schwelende Vernichtung

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Politik

Zwanzig Jahre lang beschäftige ich mich nun als Philosoph mit der atomaren Frage, ohne jedoch den Status eines Experten oder Spezialisten zu beanspruchen.

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Cover zum Buch. Foto: zVg

Datum 21. Mai 2023
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KorrekturKorrektur
Im Allgemeinen denke ich seit meiner Begegnung mit dem Werk von René Girard Ende der 1970er Jahre über eine Geschichte und eine Philosophie der Gewalt nach. Dies führte unweigerlich dazu, mich mit der Frage der Katastrophen und des Bösen zu befassen, vor allem mit jenen Gefahren, die auf der zukünftigen Menschheit lasten, seien es nun der Klimawandel, das Risiko, dass fortschrittliche Technologien wie Nanobiotechnologie, synthetische Biologie oder die Entschlüsselung des menschlichen Genoms ihren Schöpfern aus den Händen gleiten, und natürlich der Atomkrieg.

Der Atomkrieg lieferte mir die Matrix für jene Form des Katastrophismus, den ich als „rational“ oder „aufgeklärt“ bezeichnete. Er definiert ein Verhältnis zur Zukunft, das ich „Zeit des Entwurfs“ nannte. Gemäss dieser Zeitauffassung ist es legitim, mögliche katastrophale Ereignisse so zu betrachten, als ob sie zwangsläufig eintreten werden, sobald die Spieleinsätze ungeheuerlich sind und jedes menschliche Mass überschreiten.

Was daran schwer begreiflich ist und was ich in dem Buch, das wir gleich lesen werden [1], ausführlich zu illustrieren versuche, ist, dass dieser Nezessitarismus kein Fatalismus ist. Es steht uns nämlich frei, durch unser Handeln das betreffende Ereignis ad vitam aeternam hinauszuzögern. Allerdings müssen wir es für unausweichlich halten, sonst wäre die Motivation, es von uns fernzuhalten, nicht ausreichend. Es ist kein Widerspruch, die Unausweichlichkeit des Kommenden und seine Unbestimmtheit in einem zu denken.

Der Atomkrieg hat seine eigene Syntax, die sich den Intentionen der Akteure aufzwängt

Es zeigt sich, dass die nukleare Frage dazu führt, einige der wichtigsten und schwierigsten Fragen jenes Bereichs der Philosophie, der als Metaphysik bezeichnet wird, erneut zu stellen. Der Übergang zur Abstraktion und zur apriorischen Begründung wird durch eine sehr einfache und in Wahrheit erschütternde Tatsache unerlässlich. Der Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften Thomas C. Schelling, dessen Schriften zur formalen Spieltheorie einen bedeutenden Einfluss auf die Nukleardoktrin ausübten, stellte sie mit den folgenden denkwürdigen Sätzen dar, als er seine Rede zur Entgegennahme seines Preises am 8. Dezember 2005 in Stockholm eröffnete: „The most spectacular event of the past half century is one that did not occur. We have enjoyed sixty years without nuclear weapons exploded in anger.“ [2]

Heute, nach mehr als fünfzehn Jahren, ist diese Feststellung immer noch aktuell. Dieses Zitat wird oft in Erinnerung gerufen, aber in der Regel wird vergessen, was Schelling direkt danach hinzufügt: „In 1960 the British novelist C. P. Snow said on the front page of the New York Times that unless the nuclear powers drastically reduced their nuclear armaments thermonuclear warfare within the decade was a ,mathematical certaintyʻ [3]. Nobody appeared to think Snow's statement extravagant.“ Die Kopplung von Notwendigkeit und Unbestimmtheit zeigt sich also durchaus als ein Paradoxon, über das nachzudenken lohnt.

Dieses Vorwort zu dem bereits veröffentlichten Buch anlässlich seiner Neuauflage hinzuzufügen, war in theoretischer Hinsicht nicht verpflichtend. Die historischen Situationen und Ereignisse, die ich darin beschreibe und analysiere, sind in erster Linie dazu da, um Konzepte zu veranschaulichen. Was über die Krise in der Ukraine geschrieben und gesagt wird, fällt gewöhnlich fast ausschliesslich in den geopolitischen Bereich.

Diese Dimension ist wesentlich, aber sie ist nicht die einzige. Als vorhandene Möglichkeit hat der Atomkrieg seine eigene Syntax, die sich den Intentionen und Entscheidungen der politischen Akteure aufzwängt. Der psychologische Aspekt spielt bei Putin zweifellos eine Rolle, ebenso wie bei Trump in der Nordkorea-Krise. Die Bedeutung der Ukraine für die russische Geschichte und Kultur ist nicht ausser Acht zu lassen, genauso wenig die Rolle, die die Vereinigten Staaten innerhalb der Militärführung der NATO spielen.

Doch wenn sich die nukleare Eskalationsspirale in Bewegung setzt, werden die vermeintlichen Akteure zu fieberhaft zappelnden Marionetten – Kräften unterworfen, die sich ihrer Kontrolle entziehen, obwohl sie selbst es waren, die sie hervorbrachten. Noch wähnen sie ihre Gewalt beherrschen zu können, doch es ist die Gewalt, die sie nach ihren eigenen Gesetzen manipuliert. Mit diesem Aspekt befasst sich das Buch im Wesentlichen, wobei die Ukraine-Krise nur eine besondere Fallstudie darstellt.

Unter den gegebenen Umständen wäre es jedoch schwer begreiflich, wenn ich dieses Vorwort nicht dazu nützen würde, eine zumindest grobe Analyse der aktuellen Ereignisse zu geben, die der Methode entspricht, die mich beim Schreiben dieses Buches geleitet hat.

Mit Ausnahme der Experten, die zu wissen vorgeben, dass die aktuelle Krise unter keinen Umständen zu einem nuklearen Konflikt führen kann, der wiederum einen dritten Weltkrieg auslösen könnte, treibt die Menschen auf der ganzen Welt die Frage um, wie wahrscheinlich ein solches Szenario ist. Wird Putin eine Atombombe auf eine ukrainische Stadt abwerfen, um Präsident Selenskyj endlich zum Einlenken zu bringen? Um zu verdeutlichen, dass dieses Szenario nicht unwahrscheinlich ist, lässt es sich mein Stanford-Kollege Scott Sagan – einer der wichtigsten Denker auf diesem Gebiet, der nicht zögert, Putin als den „gefährlichsten Mann der Welt“ zu bezeichnen – nicht nehmen, daran zu erinnern, dass die Vereinigten Staaten 1945 auf diese Weise Japan unterworfen haben [4]. Wird der russische Präsident so weit gehen, eine europäische Hauptstadt ins Visier zu nehmen, um die NATO dafür zu bestrafen, dass sie immer schwerere und ausgeklügeltere Waffen an die Ukraine liefert? Ist er aufgrund seiner zahlenmässigen Überlegenheit bereit, seine ballistischen Interkontinentalraketen auf die einzig andere grosse Atommacht, die Vereinigten Staaten von Amerika, abzufeuern?

Um diese Fragen zu beantworten, muss ich eine Vorfrage aufwerfen, die Thomas C. Schelling im Jahr 2005 stellte: Wie erklärt sich, dass seit dem 9. August 1945, dem Tag der Zerstörung von Nagasaki, noch keine Atombombe abgeworfen wurde, um die Zivilbevölkerung auszurotten? Wüssten wir den Grund dafür, könnte uns dies vielleicht einen Hinweis geben, warum es möglich ist, dass dieses geheimnisvolle Wunder fortwirkt. Gibt es eine gute Fee, die über die Menschheit wacht und sie daran hindert, sich selbst zu zerstören, wozu sie jetzt, wenn man so sagen darf, dank der Bombe fähig ist?

Ich stosse hier auf ein methodisches Problem. Das vorliegende Werk beschäftigt sich mit der Lösung dieses Problems. Es ist allgemein üblich, die Lektüre eines Buches mit seinem Vorwort zu beginnen. Ich sehe mich daher verpflichtet, am Anfang zu wiederholen, was daraufhin folgen wird. Das Ironische an der Sache: Diese zeitliche Inversion hat genau die gleiche Form wie jene „Zeit des Entwurfs“, die ich als Lösung anbiete, um die Paradoxien der nuklearen Abschreckung aufzuklären. Ich werde dafür sorgen, dass diese Wiederholungen wie ein Gaumenkitzler Appetit auf gehaltvollere Speisen machen.

Ist die enorme Gewalt der Atombombe nicht Grund genug, jeden davon abzuschrecken, auch nur an ihren Einsatz zu denken? Ist es nicht die Masslosigkeit selbst, die das Prinzip der Abschreckung prägt? Wer könnte ein Interesse daran haben, eine Eskalation in Gang zu setzen, aus der alle als Verlierer hervorgehen würden? Diese Ideen sind seit 1945 stets gegenwärtig gewesen und haben nach wie vor eine unbestreitbare Überzeugungskraft.

Wie wir später noch sehen werden, hat man versucht, sowohl die Sprengkraft der Waffen als auch die Reichweite der Trägerraketen zu reduzieren, in der Hoffnung, die nuklearen Verwüstungen an jene eines herkömmlichen Krieges anzugleichen, bevor man begriff, dass es vielmehr die sogenannten „taktischen“ Waffen und Raketen sind, die verbannt werden müssen. In der Tat verleitet ihre relativ geringe Sprengkraft [5] dazu, sie auf dem Schlachtfeld wie herkömmliche Waffen einzusetzen, was darauf hinausläuft, in die nukleare Gewaltspirale zu geraten, die dazu bestimmt ist, wie wir apriorisch herleiten werden, nach dem Äussersten zu streben, das heisst nach gegenseitiger Vernichtung.

So wie die Explosion einer A-Bombe dazu dient, den thermonuklearen Prozess im Kern einer Wasserstoffbombe in Gang zu setzen, ist der Einsatz taktischer Atomwaffen auf dem Schlachtfeld der sicherste Weg, ballistische Interkontinentalraketen aus ihren Silos zu fahren, obwohl sie den atomaren Frieden einzig durch ihr blosses Vorhandensein sichern sollen.

Diese Erklärung, die auf dem Nutzen – dem Nutzen jedes Einzelnen sowie der Allgemeinheit – beruht, wird allerdings durch die Geschichte bestraft. Die Tragik der Menschheitsgeschichte besteht darin, dass sie sehr oft genau jene zerstört, die sie vorantreiben, obwohl jeder von ihnen dabei nur seine Interessen verfolgen wollte. Wir werden später sehen, dass taktische Atomwaffen tatsächlich für eine Zeit lang zumindest teilweise verbannt wurden, heute jedoch wieder mehr denn je präsent sind.

Eine ganz andere Erklärung für das Ausbleiben eines Atomkriegs lautet: Wir sind knapp mit dem Leben davongekommen! Glück, reines Glück, also der Zufall war es, der uns vor dem Schlimmsten bewahrt hat. Historiker des Atomzeitalters reihen unzählige Zwischenfälle aneinander, die eine fatale Eskalation hätten auslösen können, es aber nicht taten: schlechte Kommunikation zwischen den wichtigsten Akteuren, Fehldeutungen, unüberlegte Risikokalkulationen, Wutausbrüche etc.. Jedes Mal wäre das Entsetzliche um ein Haar Wirklichkeit geworden.

Einige dieser Fälle werden in dem Buch analysiert. Die relative Schwäche dieser Erklärung besteht darin, dass wir nicht wissen, ob der angebliche Zufall die Systemstörung verursacht oder aber die Katastrophe verhindert hat. Ausser man geht bei dieser Reihe von Beinahe-Katastrophen von einer wundersamen gemeinsamen Ursache aus, kann man mit Recht annehmen, dass es der Zufall müde werden wird, immer Kopf zu werfen, und zwangsläufig der Moment kommen wird, in dem Zahl herauskommt, ja, dass dies sogar schon längst hätte geschehen müssen.

Der Leser mag sich wundern, dass ich die einfachste, offensichtlichste und häufigste Antwort auf die von mir gestellte Frage noch nicht erwähnt habe: Es war der Erfolg der nuklearen Abschreckung, die den Atomkrieg verhindert hat. Nach dieser Interpretation hätte der Besitz eines Nuklearwaffenarsenals nur einen Zweck: andere Atommächte davon abzuhalten, ihr eigenes Arsenal einzusetzen, und falls sie sich darüber hinwegsetzen als Erster anzugreifen, indem mit unermesslichen Vergeltungsmassnahmen und gegebenenfalls mit einem nichtnuklearen Angriff gedroht wird, der die vitalen Interessen der Nation gefährden würde. Ein grosser Teil dieses Buches stellt im Grunde genommen diese Behauptungen zur Diskussion. Was diese Frage zu einem wahrhaft philosophischen Rätsel macht, ist, wie ich bereits erwähnt habe, das Fehlen einer empirischen Grundlage und die Notwendigkeit, auf A-priori-Argumente zurückzugreifen.

Die vorwiegend amerikanischen Philosophen und Strategen, die über dieses Thema debattierten, kamen zu dem Schluss, dass Abschreckung nur dann funktionieren kann, wenn die beteiligten Akteure – sagen wir die Staatsoberhäupter zweier in Konflikt stehender Atommächte – Grund zu der Annahme haben, dass ihr Rivale irrational handelt [6]. Die Schwierigkeit der nuklearen Abschreckung besteht darin, dass die aufgestellten Vergeltungsdrohungen unglaubwürdig sind. Wenn die Abschreckung scheitert, wird die angegriffene Macht dann mit ihrer Drohung Ernst machen und eine selbstmörderische Eskalation auslösen? Muss man verrückt sein oder dies vorgeben, um glaubwürdig zu sein? Von der Antwort auf diese Frage hängt ab, wie belastbar das Gebäude der Abschreckung ist.

Wie dem auch sei, ein wichtiger Grund, daran zu zweifeln, dass sich die Praxis der Abschreckung in den gesamten fast acht Jahrzehnten in einem erheblichen Masse auf das Ausbleiben eines Atomkriegs ausgewirkt hat, ist die Tatsache, dass diese Praxis meistens nicht stattfand. Das ist eine These, die in diesem Buch vertreten wird. In ihrer reinen Form bedeutet Abschreckung, auf das zu verzichten, was den Streitkräften ihre Legitimität verleiht: die Verteidigung. Nur indem man dem Gegner zeigt, dass man nichts unternimmt, um seine Raketen aufzuhalten – etwa durch einen Raketenschutzschild –, kann man ihn davon überzeugen, dass man nicht als Erster angreifen wird.

Würde man das tun, hätte der Gegner freie Hand, seine Drohung mit unermesslichen Vergeltungsmassnahmen dank der Fähigkeit zum Zweitschlag auszuführen [7]. Keiner greift als Erster an und im Grunde ist das sogenannte Gleichgewicht des Schreckens erreicht. Aber für die Streitkräfte, deren wichtigste Aufgabe die Verteidigung der Nation darstellt, ist der Preis zu hoch, als dass sie diese aufzugeben bereit wären. In diesem Buch werden mehrere ergreifende Fälle analysiert, in denen das Prinzip der Abschreckung über Bord geworfen wurde.

Wozu haben Nuklearwaffen also bisher gedient, das auch nur im Entferntesten mit dem Ausbleiben eines Atomkriegs zu tun hätte? Die Antwort, die ich vorschlage, ist sehr paradox [8]: Sie dienten zur Vorbereitung eines Erstschlags.

Im Nuklearbereich wird ein Angriff als „Präemption“ bezeichnet. Man kommt dem anderen zuvor, man reagiert auf einen möglichen Angriff, als ob er bereits stattgefunden hätte. Die Antwort geht der Frage voraus: Dieser zeitlichen Inversion wird man das gesamte Buch über immer wieder begegnen. Es sind, wie ich sagen werde, vorgreifende Vergeltungsmassnahmen. Was auch immer die Nukleardoktrin als solche erklärt, so kann man behaupten, dass sowohl die sowjetischen und später die russischen als auch die amerikanischen Staatsoberhäupter die Entscheidung, als Erster zuzuschlagen, nie aus ihrem Handlungsrepertoire ausgeschlossen haben.

Jemanden von dieser Handlungsbereitschaft zu überzeugen, versteht sich ebenso wenig von selbst wie das Spiel mit der Abschreckung. Auch in diesem Fall stellt sich ein Glaubwürdigkeitsproblem. Ein Erstschlag wird nicht ausreichen, um den Gegner zu neutralisieren, und er wird weiterhin zum Gegenschlag fähig sein: Man muss ihm also zeigen, dass man den beigebrachten Schlag überstehen (engl. ride out) und den Schaden begrenzen kann, dass man also weiterhin uneingeschränkt fähig bleibt, mit einem weiteren Gegenschlag zu antworten.

Das kann eine grosse Herausforderung sein. Die Vereinigten Staaten und Russland hatten und haben weiterhin ein ambivalentes Verhältnis einem Bestandteil der Nukleardoktrin gegenüber, der den gekünstelten und irreführenden Namen Escalate to De-Escalate erhalten hat. Ihre diesbezüglich unschlüssige und unklare Haltung veranschaulicht das Dilemma zwischen Abschreckung und Präemption, in dem sich die beiden nuklearen Supermächte befinden. Da dieses Thema einen direkten Einfluss auf die Ukraine-Krise hat, verdient es in diesem Vorwort einige erklärende Worte.

Die Idee der Eskalation zum Zwecke der Deeskalation findet sich bereits in Thomas C. Schellings Buch The Strategy of Conflict [9] und hat mehrere Generationen von Strategen beeinflusst. Die ab den 1960er Jahren von Robert McNamara empfohlene Doktrin eines stufenweisen Gegenschlags, das Konzept eines begrenzten Atomkriegs sowie der „Eskalationsdominanz“ oder „-kontrolle“ (escalation control) etc. sind allesamt Variationen derselben Idee.

Dieser Begriff lässt sich am einfachsten mit der Logik einer Auktion veranschaulichen: Man treibt den Preis so lange in die Höhe, bis die anderen nicht mehr mitgehen können. Man erhöht die Gefechtsintensität mit nichtnuklearen (sogenannten „konventionellen“) Streitkräften bis zu dem Punkt, in dem der Übergang in die Phase eines Atomschlags unvermeidlich erscheint, um den Konflikt zu beenden und ihn gleichzeitig zu gewinnen. Genau das ist die besagte Deeskalation.

In dem Buch finden sich Argumente, die nicht nur auf die Hohlheit dieser Idee schliessen, sondern auch auf die Gefahren, in die man bei ihrer Umsetzung geraten würde. Der preussische General Clausewitz – Autor des Buches Vom Kriege – begriff, dass es in der Theorie kein letztes Wort gibt, das einen gewaltsamen Prozess beendet. Für ihn ist es der „Nebel des Krieges“, das heisst alle logistischen und sonstigen Schwierigkeiten, die zumeist verhindern, dass es zu einem fatalen Ende, also zur gegenseitigen Vernichtung kommt. Wir werden sehen, dass es im Falle eines Atomkrieges dieselben Schwierigkeiten sind, die das Streben nach dem Äussersten vielmehr beschleunigen.

Sowohl amerikanische als auch russische Kriegsstrategen protestieren kopfschüttelnd und beten das Credo der nuklearen Abschreckung herunter: Man schreckt einen begrenzten Angriff nicht ab, indem man auf sehr glaubwürdige Weise mit einem begrenzten Gegenschlag droht. Man schreckt ihn ab, indem man die Wahrscheinlichkeit der gegenseitigen Vernichtung auf einem niedrigen Level hält. Die Eskalation zum Zwecke der Deeskalation stellt für die Generalstäbe in der Praxis nach wie vor eine Verlockung dar.

In ihren inoffiziellen Debatten ist diese Idee besonders unter russischen Kriegsstrategen präsent. Um sich auf ein Zitat zu beschränken: „Unsere konventionellen Präzisionswaffen sollten in der Lage sein, den Streitkräften und Stützpunkten der NATO genügend Verluste zuzufügen, um sie dazu zu bringen, ihre Aggression zu beenden oder die konventionelle Kriegsführung einschliesslich einer Offensive mit Bodentruppen auf die höchste Stufe zu steigern. Dies wäre wiederum die Rechtfertigung Russlands, auf einen nuklearen Erstschlag mit taktischen Waffen zurückzugreifen.“ [10]

Am Ende dieses Überblicks kann man nur eine negative Bilanz ziehen. Die Tatsache, dass wir einem dritten Weltkrieg mit interkontinentalen Nuklearraketen noch einmal entgangen und überdies keine Atomwaffen mit begrenzter Schlagkraft auf dem Schlachtfeld explodiert sind, erscheint wie ein Wunder.

Das Buch bietet gleichwohl eine fundierte Erklärung für die komplexe Tatsache jenes „Ereignisses, das nicht eingetreten ist“ (Thomas C. Schelling). Es sollte nicht überraschen, dass wir dafür auf eine Form der Metaphysik zurückgreifen, die man – entsprechend der gleichnamigen Theologie – als negativ bezeichnen könnte. Im Augenblick wissen wir jedoch genug, um eine Antwort auf die Frage zu wagen, von der wir ausgegangen sind: Ist es möglich, dass die Ukraine-Krise zu einem Atomkrieg führt, und in welchem Grade ist dies wahrscheinlich?

Am 1. und 2. Februar 2019 fanden zwei Ereignisse statt, die zumindest in Frankreich von der öffentlichen Meinung unbemerkt blieben und aus denen die aktuellen Geschehnisse zu einem grossen Teil hervorgegangen sind. Die Staatsoberhäupter von Amerika und Russland, zuerst Donald Trump und am nächsten Tag Wladimir Putin, gaben bekannt, dass sie ein 1987 in Washington von ihren Vorgängern Ronald Reagan und Michail Gorbatschow unterzeichnetes Abkommen auflösen würden, wonach die beiden Unterzeichner alle landgestützten Marschflugkörper und ballistischen Raketen mit einer Reichweite zwischen 500 und 5.500 km aus ihrem jeweiligen Waffenarsenal verschrotten.

Der Vertrag hatte den irreführenden Namen INF (für „Intermediate-Range Nuclear Forces“, also nukleare Mittelstreckensysteme). Er war sogar sehr irreführend, wie wir noch sehen werden, da er keine Atomwaffen, sondern eine bestimmte Art von Raketen verbot, unabhängig davon, ob sie einen nuklearen Sprengkopf enthielten oder nicht. Der Rücktritt der USA von diesem Vertrag wurde am 2. August 2019 offiziell.

Es sei an die Geschichte erinnert, die zu diesem Doppelbeschluss geführt hat. Zwischen 1976 und 1987 sorgte die sogenannte Euroraketenkrise für Angst und Schrecken in Europa. Im März 1976 stationierte die Sowjetunion in ihrem europäischen Teil SS20-Raketen mit einer Reichweite von etwa 5.000 km, die also Westeuropa, aber auch China und Japan erreichen konnten.

Angesichts dieser militärischen Aggression geht US-Präsident Jimmy Carter vorerst davon aus – gemäss den Grundprinzipien der Abschreckung –, dass seine strategischen Atomwaffen und ballistischen Interkontinentalraketen ausreichen werden, um die Sowjetunion von einem Überraschungsangriff auf Europa abzuhalten. Doch der deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt drängt auf ein Eingreifen der USA. Im Dezember 1979 trifft der NATO-Gipfel einen Doppelbeschluss: Druck auf die Sowjetunion auszuüben, damit sie ihre SS20 abziehen, und falls die Verhandlungen scheitern, innerhalb von vier Jahren amerikanische Mittelstreckenraketen in Deutschland zu installieren: die Pershing II.

Es folgt eine verwirrende Zeit, in der berühmt gewordene Sätze fallen. Die deutschen Pazifisten, unterstützt von der Kommunistischen Partei, erklären, sie seien lieber „rot als tot“. Präsident Mitterrand, der sich im Namen des Kräftegleichgewichts für die Stationierung von Euroraketen ausspricht, entgegnet daraufhin mit der feinsinnigen Bemerkung, dass „die Pazifisten im Westen und die Raketen im Osten sind“. Schliesslich werden die Pershings im November 1983 in Deutschland stationiert.

Mit der Machtübernahme von Michail Gorbatschow im März 1985 ändert sich die geopolitische Situation grundlegend. Reagan und Gorbatschow treffen sich im Oktober 1986 in Reykjavik und und stehen kurz vor einer Einigung über den Grundsatz der allgemeinen Abrüstung. Das Treffen scheitert aus Gründen, die wir zu gegebener Zeit analysieren werden. Aber die Entspannung ist da und wird im Folgejahr, am 8. Dezember 1987, im INF-Vertrag umgesetzt. Es ist dieser Vertrag, den Trump und Putin im Februar 2019 aufkündigten.

In der nuklearen Welt ist die Rationalität eins mit dem Wahnsinn

Natürlich beschuldigte jeder der beiden Partner den anderen, unaufrichtig zu sein und seit langem gegen den INF-Vertrag zu verstossen. Beide konnten gute Argumente ins Feld führen. Donald Trump wurde dafür verspottet, dass seine Politik in jeglichem Bereich nur darin bestand, alles rückgängig zu machen, was sein Vorgänger Barack Obama veranlasst hatte, doch in diesem Punkt war er sein würdiger Nachfolger. Bereits 2014 zeigte sich die amerikanische Regierung besorgt darüber, dass die Russen einen Marschflugkörper stationiert hatten, der in allen Punkten den Systemen entsprach, die der INF-Vertrag untersagte.

Die Russen hatten diese Rakete bereits 2008 getestet, ohne dies zu verheimlichen, wie die Tatsache zeigt, dass sich Putin 2013 offen darüber beklagte, dass Russland, durch den Vertrag eingeschränkt, in Asien von Ländern umgeben sei, in erster Linie von China, denen es freistand, sich mit nuklearen Mittelstreckensystemen auszurüsten. Nach einer langen Bedenkzeit, wie eine angemessene Reaktion aussehen könnte, beschloss Amerika daher den Vertrag zu beenden.

Für Russland war es wiederum ein Leichtes, der USA, die beispielsweise glaubte, in Osteuropa Raketenabwehrsysteme installieren zu können, Betrug vorzuwerfen. Abgesehen davon, dass diese Abwehrschirme nicht nur gegen den ABM-Vertrag verstiessen, konnten sie ohne Weiteres in Angriffswaffen umgewandelt werden. Nebenbei bemerkt gab es 1987 keine bewaffneten Drohnen, die dazu fähig sind, denselben Zweck wie Raketen zu erfüllen.

Die NATO entschied für ihren Teil, dass Russland für die Verletzung des Vertrags voll verantwortlich war und er von daher keinen Rettungsversuch verdiente. Eine seltsame Position, die sich auch Frankreich zu eigen machte, wenn man bedenkt, dass der Frieden in Europa und die Sicherheit der NATO mehr als dreissig Jahre grösstenteils dank dieses Vertrags bewahrt wurden. Aber wir werden lernen, dass man in einer atomaren Welt, in der Vernunft und Wahnsinn eins sind, nicht vorschnell die Guten von den Bösen trennen darf.

Dies ist der Hintergrund, vor dem sich die jüngsten Ereignisse einordnen und vielleicht auch verstehen lassen, darunter Putins Entscheidung, in die Ukraine einzumarschieren und sie anzugreifen, während er diejenigen, die sich ihm in den Weg stellen, mit seinen Atomraketen zu vernichten droht.

Dieser Schilderung muss ein Hinweis auf die Kräfteverhältnisse hinzugefügt werden. Mit Ende des Kalten Krieges 1989 kam es zwischen Washington und Moskau zu einer dramatischen Umkehrung des Kräfteverhältnisses, was die Aufteilung von konventionellen und nuklearen Waffen betrifft. Vor 1989 war die Überlegenheit der Sowjetunion bei konventionellen Waffen offensichtlich und die Vereinigten Staaten versuchten, ihren Rückstand durch die Entwicklung ihres Nukleararsenals auszugleichen.

Nach dem Zusammenbruch der UdSSR interessierte sich das Pentagon, stolz auf den Sieg der „freien Welt“, also der liberalen Demokratie und der Marktwirtschaft, auch für andere Gebiete, z. B. für regionale Konflikte, bei denen sich konventionelle Waffen als effektiver erwiesen als Atombomben. Zur gleichen Zeit baute Putin in Russland sein Nukleararsenal aus.

Nun hat Amerika im Verhältnis gesehen generell nicht nur Atomwaffen, sondern vor allem taktische Atomwaffen vernachlässigt. Die Doktrin lautete: Konventionelle Waffen auf regionalen Schlachtfeldern und bei einer erforderlichen Eskalation zum Zwecke der Deeskalation strategische Atomwaffen, die von ihren Interkontinentalraketen getragen werden. Im Jahr 2022 hat Amerika nur noch hundert Nuklearsprengköpfe in Europa, verteilt auf fünf Länder: Deutschland, die Niederlande, Belgien, Italien und die Türkei.

Russland hat vielleicht zwanzigmal mehr Nuklearsprengköpfe, viele davon in jener von Polen und Litauen eingeschlossenen Exklave Kaliningrad, einem strategischen Standort wie er im Buche steht. Es mutet wie ein tragisches Augenzwinkern der Geschichte an, dass Immanuel Kant, der Verfasser der Abhandlung Zum ewigen Frieden, zu Zeiten des preussischen Staates in dieser Stadt, die damals Königsberg hiess, sein ganzes Leben verbracht hat; von dort stammen auch die Eltern von Hannah Arendt, der Autorin von Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft.

Wladimir Putin ist stolz auf die Überlegenheit seines taktischen Nuklearwaffenarsenals, auf das es unter den gegenwärtigen Umständen ankommt. Noch beunruhigender ist, dass er glaubt, viel besser als die USA darauf vorbereitet zu sein, einen nuklearen Schlagabtausch mit ihr zu überstehen (ride out). Wir haben gesehen, dass dies die notwendige Voraussetzung für eine erfolgreiche Präemption ist, das heisst für den Schritt, als Erster anzugreifen.

Wie haben die beiden nuklearen Supermächte vor diesem Hintergrund 2019 auf die gegenseitige Zurückweisung des INF-Vertrags reagiert? Ich erinnere daran, dass dieser Vertrag die Beschränkung von Raketen vorschrieb, unabhängig davon, ob sie nukleare Sprengköpfe trugen oder nicht. Die Vereinigten Staaten und die NATO erkannten sofort die Chance, Raketen mit geringer und mittlerer Reichweite in Europa zu stationieren, allerdings ohne nukleare Bestückung.

Dabei hatten sie nicht mit der Antwort Russlands gerechnet. Putin forderte die Vereinigten Staaten und die NATO mehrfach dazu auf, ein Moratorium für die Stationierung solcher Raketen mit nuklearer Bestückung in Europa zu verhängen. Diese Forderung blieb so unbeachtet, dass der französische Präsident Emmanuel Macron, obwohl er die Forderung Russlands entschieden ablehnte, diese Worte fand: „Hat das Ausbleiben des Dialogs mit Russland den europäischen Kontinent sicherer gemacht? Ich glaube nicht.“ [11]

Eine technische Frage ist hierbei von erheblicher Bedeutung: Vor Erreichung ihres Ziels ist es unmöglich zu bestimmen, ob eine ballistische Rakete einen nuklearen Sprengkopf trägt oder nicht. Angesichts dieser Unbestimmtheit hat Russland beschlossen, jede Rakete, die sich ihrem Hoheitsgebiet nähert, als nuklearen Angriff zu behandeln. Seiner erklärten Doktrin zufolge stellt dies für Russland einen ausreichenden Grund dar, seine eigenen Atomraketen abzuschiessen, noch bevor die feindlichen Raketen den Boden erreichen. Dies sollte Amerika, das im Glauben war, freie Hand zu haben, um seine konventionellen und nuklearen Raketen wieder in Europa zu stationieren, zum Nachdenken bringen. Ich erinnere daran, dass all dies geschah, kurz bevor Putin beschloss, in die Ukraine einzumarschieren.

Im ersten Kapitel des Buches lernen wir einen ähnlichen Fall kennen, aus dem der Schluss zu ziehen sein wird, dass es im Atomzeitalter von nun an angezeigt ist, alle Alarmsignale, die von Überwachungssystemen gemeldet werden, ganz gleich, ob es sich dabei um einen Fehlalarm handelt oder nicht, so zu behandeln, als ob sie echt wären. Das ist eine wesentliche Eigenschaft des von mir vertretenen Katastrophismus. Sobald eine Katastrophe grösseren Ausmasses möglich erscheint, muss man so tun, als ob sie einträte.

Dieses apokalyptische Szenario ist offensichtlich möglich, da alles darauf ausgerichtet ist, dass ein beliebiger Fehler oder Zufall die Katastrophe ins Rollen bringen kann, zum Beispiel ein „Rauschen“ im System, eine schlechte Kommunikation oder verbale Entgleisung, die, durch den Teufelskreis der Kränkung ausgelöst, zu Groll und dann zur Tat führt. Gemäss der oben genannten Regel gilt es, alles so zu betrachten, als ob die Katastrophe eintreten würde und auf dieser Grundlage alles zu tun, damit sie nicht eintritt.

Dies also ist die Lehre, die ich aus dem Fall der Ukraine ziehe und die im Einklang mit den theoretischen Entwicklungen steht, die in diesem Buch zu finden sind. Die allgemeine Regel lautet wie folgt: Angesichts mehrerer für möglich gehaltener Szenarien ist es notwendig, sich auf das Schlimmste gefasst zu machen, unabhängig davon, ob es die Zukunft auch derart prägen wird [12], um zu erreichen, dass es nicht eintritt.

Ich gebe zu, dass ich die Frage, die die Menschen heute umtreibt, nicht vollständig beantwortet habe: Wird Putin seine Atomraketen auf eine ukrainische oder europäische Stadt abfeuern? Wie so häufig in der Philosophie habe ich die Frage noch einmal neu formuliert.

Emmanuel Macron war zweifellos ungeschickt, als er am 3. Juni 2022 betonte, dass man Russland nicht kränken solle. Die Äusserung erregte insofern Anstoss, als dass man sie auf ihren psychologischen und moralischen Gehalt bezog und in dem Sinne interpretierte: Die Gemütsverfassung des Aggressors gehe nur diesen selbst etwas an. Der französische Präsident hätte besser sagen sollen, dass die Weltordnung der schlechten Laune eines führenden Politiker ausgeliefert sei. Dies hätte ihre extreme Fragilität verdeutlicht. Geschickt formuliert hätte man von ihrer „strukturellen Instabilität“ gesprochen.

Meine Analyse hat die geopolitische Dimension des Problems fast völlig ausgeklammert. Es liegt mir fern, ihre Bedeutung herunterzuspielen. Ich wollte einfach nur zeigen, welch entscheidende Macht dieses Werkzeug, in vorliegendem Fall ein Werkzeug der Zerstörung, besitzt: die Atomwaffe. Dieses Werkzeug ist nicht neutral; ganz gleich, ob jene, die damit operieren, gute oder schlechte Absichten haben, es bleibt ein grundsätzliches Übel.

Ich schreibe dies, während Amerika wieder einmal gewohnheitsgemäss um die Opfer einer Massenerschiessung trauert, die das Leben von neunzehn Kindern im Alter von nur zehn Jahren forderte [13]. Der Mörder war achtzehn Jahre alt. Ein Teil Amerikas kommt zu der Schlussfolgerung, dass der Zugang zu Schusswaffen erweitert und nicht eingeschränkt werden muss. Gewalt wird die Gewalt besiegen. Sie allein kann vor Geisteskrankheiten und dem radikalen Bösen schützen, das in anderen wohnt.

Diejenigen, die diesen Diskurs führen, sind blind für die Entscheidungsautonomie, die eine Schusswaffe in gewisser Weise mit sich bringt. Es sieht ganz so aus, als würde der Besitz einer Waffe bedeuten, den freien Willen aufzugeben. Zum Abschluss dieses Buches werden wir alle Faktoren vorfinden, um zu dem Urteil zu gelangen, dass der blosse Besitz von Atomwaffen eine moralische Abscheulichkeit darstellt.

Jean-Pierre Dupuy

Anmerkungen

[1] Es handelt sich bei diesem Text um das Vorwort, das Jean-Pierre Dupuy unter dem Titel „Guerre en Ukraine: l'anéantissement en filigrane“ anlässlich der Neuauflage seines Buches La Guerre qui ne peut pas avoir lieu: Essai de métaphysique nucléaire in der Reihe Points verfasst hat (Éditions du Seuil: Paris 2022). Der Essay war erstmalig 2018 im Verlag Desclée de Brouwer erschienen. A.d.Ü.

[2] Thomas C. Schelling: „An Astonishing Sixty Years: The Legacy of Hiroshima“. Prize Lecture, December 8, 2005. Online verfügbar: https://www.nobelprize.org/uploads/2018/06/schelling-lecture.pdf.

[3] Snow schrieb „mathematische Gewissheit“. Als Theoretiker der „zwei Kulturen“ ist er gewiss ein mächtiger Geist, doch vermutlich wenig in Metaphysik bewandert, sodass man ihm diese Verwechslung zwischen Notwendigkeit als einer ontologischen und Gewissheit als einer epistemischen Kategorie durchgehen lassen kann.

[4] Scott Sagan, „The World's Most Dangerous Man. Putin's Unconstrained Power Over Russia's Nuclear Arsenal“, in: Foreign Affairs, 16. März 2022.

[5] Ihre Sprengkraft kann bis zu zwanzigmal höher sein als die von Little Boy, der Bombe, die Hiroshima zerstörte.

[6] Kritiker der nuklearen Abschreckung bringen meist die gegenteilige Behauptung vor. Es wird hervorgehoben, dass die nukleare Abschreckung ein abstraktes Konstrukt sei, das die völlige Rationalität der Akteure erfordere. Da diese Bedingung in der Praxis nicht erfüllt werde, zieht man den Schluss, dass das Konzept der nuklearen Abschreckung als solches abzulehnen sei.

[7] Mit dem im Mai 1972 von Richard Nixon und Leonid Breschnew unterzeichneten ABM-Vertrag (Anti-Ballistic-Missile) nahm dieser teilweise Verteidigungsverzicht konkrete Formen an. Mit dem Start der Strategic Defense Initiative durch Ronald Reagan im Jahr 1983, besser bekannt unter dem bildhaften Ausdruck „Krieg der Sterne“, sollte er hinfällig werden.

[8] Vieles gelehrt hat mich das für den Atomkrieg wegweisende Buch The Doomsday Machine. Confessions of a Nuclear War Planner (Bloomsbury Publishing: London 2018), welches der hervorragende Rational-Choice-Theoretiker Daniel Ellsberg über seine Erfahrungen verfasste.

[9] Harvard University Press: New York 1960.

[10] Alexei Arbatov, „Reducing the Role of Nuclear Weapons“, Vortrag im Rahmen des Kolloquiums „Eine Welt ohne Nuklearwaffen“, Oslo, 26.-27. Februar 2008, Hervorhebung des Verfassers (eigene Übersetzung).

[11] Nachrichtenagentur Reuters, Aerospace and Defense, 28. November 2019, zit. n. Brennan Deveraux, „Why Intermediate-Range Missiles are a Focal Point in the Ukraine Crisis“, War on the Rocks, 28. Januar 2022 (eigene Übersetzung).

[12] Diese gekünstelte Formulierung hat eine Funktion: mich daran zu hindern, auf den Begriff der Wahrscheinlichkeit zurückzugreifen, der hier, wie ich zeigen werde, keine Gültigkeit besitzt.

[13] Es handelt sich um den Amoklauf an der Robb Elementary School in der Kleinstadt Uvalde im US-Bundesstaat Texas, bei dem am 24. Mai 2022 neunzehn Schulkinder und zwei Lehrerinnen erschossen wurden. A.d.Ü.


Aus dem Französischen von Martin Alexander Sieber

Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Verlags Éditions du Seuil