Jede Gegenwehr ist berechtigt Frankreich: Randale in Paris
Politik
Knüppel drischt auf rohes Fleisch. Bewusstlose Menschen werden in Sicherheit gebracht. Die Polizeitaktik erinnert an Berlin in den 90er Jahren.
Mehr Artikel
25. März 2023
6
0
3 min.
Drucken
Korrektur
Es ist die Lust der Strasse an der Revolte. Für ein Leben in Wut gegen dieses System. Hatten wir in den Gelbwestenprotesten noch oft Tränen in den Augen, überwiegt heute das Herz und die Leidenschaft am Leben zu sein. Vor der Demo: In einem Café im Bezirk der hohen Bourgeoise, treffe ich einen typischen Demonstranten aus Paris. Er hatte damals noch um die Ecke ein Haus besetzt. Eine Villa in der Rue de la Perle. Wir ziehen, am Rande der offiziellen Gewerkschaftsdemo, in einer kleinen Sauvage durch die Strassen und rufen: „Nie! Nie! Nie Arbeiten.“ Versteckt hinter der mit Plane abgedeckten Fassade eines Hauses, schallt es ironisch lieb von Unbekannt zurück. „Ich arbeite.“ In Frankreich sind nur die vom Staat angestellten ArbeiterInnen im Streik. Die Privatwirtschaft ist nicht betroffen. Auch in den Staatsfirmen gibt es keinen Generalstreik, sondern einzelne Arbeitsniederlegungen. Zudem ist der Staatssektor in Frankreich mittlerweile teilprivatisiert. Auf unserer kleinen Demo schlägt uns Liebe entgegen. Wir sehen lachende Gesichter. Es wird diskutiert und gescherzt.
Paris von seiner schönsten Seite. In den Seitenstrassen brennen kleine Müllberge. Die Müllabfuhr ist im Streik. «Wunderschön!» Ein Photograph kommentiert den Funkenflug einer Windhose. Ein anderer sitzt vor einer ausbrennenden Ampel. Der Wind in Paris lässt den Rauch aus den Löchern treiben. Die Gewerkschaftsdemo ist fröhlich. Nur schöne Menschen ziehen an uns vorbei. Es gibt viel Musik und Tanz. Es ist auch Verunsicherung zu spüren. Anscheinend geht die Demokratie in Frankreich gerade den Bach runter. Der Präsident Macron hat mit einem Notstandsparagrafen das Rentenalter mit 64 beschlossen. Die Gewerkschaften sind jetzt auf der Strasse. Die Regierung braucht sie nicht mehr. Es trudeln Nachrichten aus dem Land ein. Eine kleine Polizeistation wurde angegriffen und GenossInnen für Blockaden in den Knast gesteckt.
Die Spitze der Gewerkschaftsdemo läuft durch das Tränengas hindurch auf den Platz der alten Oper. Die Strasse herunter wird ein Schokoladengeschäft geplündert. Einmal. Zweimal. Dreimal. Ja, die Menschen sind hungrig und können sich den Spass nicht leisten. Um mich herum auf der Dachterrasse knallt es nach 22 Uhr. Es wehen Parolen von wilden Demos durch die Nacht: „Die ganze Welt hasst die Polizei“. Ein konstantes Sirenengeheul. Ich muss los. Gegen ein Leben wie dieses. In Armut und Unterdrückung. Für den Hass gegen die Bourgeoisie. Es fehlen die Gefangenen.