Eigentlich war für diesen Anlass eine öffentliche Veranstaltung in Düsseldorf geplant. Doch wegen organisatorischer Probleme musste auch in diesen Jahr wie seit 2020 die Preisverleihung digital stattfinden. Doch auf diese Weise wurde es eine angemessene Würdigung für Julian Assange, der insgesamt 14 Jahre mit sich verstärkender Repression konfrontiert ist, weil er als Journalist Verbrechen des US-Militärs im Irak öffentliche machte.
Der Bruder von Julian Assange, Gabriel Shipton, betonte in seiner Dankesrede für den Ethecon-Preis, dass die Solidaritätsarbeit gerade jetzt besonders wichtig ist. Er erinnerte daran, das die Freilassung seines Bruders das Ergebnis eines Deals mit der US-Regierung war, in dem er sich der Spionage für schuldig erklärte und zu einer fünfjährigen Haftstrafe verurteilt wurde. Das entsprach der Zeitspanne, die Assange im Londoner Hochsicherheitstrakt sass. Daher kam er danach frei.
Nun befürchten Jurist*innen, die neu gewählte US-Administration unter Trump könnte versuchen, den Deal zu widerrufen und Assange wegen weiterer Delikte anklagen. Da Australien ein enger US-Verbündeter ist, wäre Assange dann wieder akut gefährdet. Noch ist unklar, ob ein ein erneuter Repressionsversuch juristisch durchsetzbar wäre. Doch die Unsicherheit ist bei den Unterstützer*innen und Verwandten von Assange ist gross, wie in mehreren Reden der Online-Preisverleihung deutlich wurde.
Deshalb stellte Gabriel Shipton die Initiative für einen Appell an den scheidenden und den künftigen US-Präsidenten vor, seinen Bruder zu begnadigen. Damit würde nicht nur der Druck einer neuen Verfolgung von Assange wegfallen. „Das würde eine klare Botschaft aussenden, dass Journalismus kein Verbrechen ist, und … die Verurteilung rückgängig machen, für die Julian sich schuldig bekennen musste, um seine Freiheit zu erhalten...“, betonte Shipton. Die Zeit drängt.
Bis zur Amtseinführung von Trump solle die internationale Solidaritätsbewegung noch mal den Druck verstärken, um die Begnadigung zu erreichen. Auf pardonassange kann die Forderung unterstützt werden.
Investigativer Journalismus ist kein Verbrechen
Marie Wasilewski von der Kampagne freeassange.eu, die die Laudatio zur Preisverleihung hielt, lobte den Journalisten in den höchsten Tönen: „Während er selbst also schon seit Jahren politisch verfolgt und in der Botschaft gefangen gehalten wurde – was eine Arbeitsgruppe der UN schon 2016 dokumentierte und als willkürliche Gefangenschaft anerkannte – kämpfte er nicht für sich selbst, sondern in erster Linie für andere“, sagte Wasilewski.Als Beispiel führte sie an, dass Assange, während er in der ecuadorianischen Botschaft Zuflucht gefunden hatte, am Fenster mit einem Schild zu sehen war, auf dem Free Palestine und nicht Free Assange gestanden hat. Etwas bemüht versuchte Wasilewski, Assange in eine Linie mit der Sozialistin Rosa Luxemburg zu stellen. „Zu sagen was ist, bleibt die revolutionärste Tat“, dieses Zitat von Luxemburg sei auch die Devise von Assange. Wasilewski schloss ihren Beitrag mit der Aufforderung an die Zuhörer*innen: „Schliesst euch zusammen und baut eine Welt auf, die ihr euch wünscht.“
Assange in eine explizit linke Tradition zu stellen, ist etwas überraschend, weil der sich selber als Libertärer, aber nie explizit als Linker oder gar Sozialist verstanden hat. Er wurde verfolgt, weil er als investigativer Journalist Kriegsverbrechen öffentlich machte. Darauf machte auch Maurice Heyer von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International Düsseldorf in seinem Beitrag bei der Preisverleihung aufmerksam.
„Assange wurde verfolgt, diskreditiert und inhaftiert, weil er die Wahrheit ans Licht brachte, wo andere diese verschleiern wollten. Er hat geheime Dokumente veröffentlicht, die uns aufrütteln und mahnen, genauer hinzusehen, was hinter den Fassaden der Mächtigen geschieht“ erklärte der Menschenrechtler. Er beendete seinen Beitrag mit der Aufforderung: „Lassen wir nicht zu, dass investigativer Journalismus zum Verbrechen erklärt wird.“
Schmähpreis an den Springerkonzern
Wie in den Jahren zuvor wurde auch 2024 ein Ethecon-Schmähpreis verliehen. Der Dead Planet Award ging an den Springerkonzern und war stellvertretend an den Vorstandsvorsitzenden Mathias Döpfner, den Aufsichtsratsvorsitzenden Ralf Büchi und die Grossaktionärin Friede Springer adressiert.Der Publizist Werner Rügemer erklärte in seiner Rede zum Schmähpreis: „Springer ist kein Medien-Konzern im üblichen Sinne, sondern ein Agitations-, Werbe- und Verkaufs-Konzern. Neben den Zeitungen BILD und Welt werden nicht nur weitere Print- und Digital-Magazine und Verkaufsportale betrieben, sondern zahlreiche Tochter- und Handelsunternehmen und Beteiligungen an anderen Grosskonzernen, in über 40 Ländern“.
Mit der Forderung nach dem Boykott, der Entmachtung, der Entflechtung und Enteignung des Springerkonzerns popularisierte Rügemer eine Parole der 68er-Bewegung, der aktuell allerdings jede Durchsetzungsmacht fehlt. Dagegen könnte die Forderung nach Begnadigung von Assange noch einmal auch internationale Wirkungsmacht entfalten.