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Krieg beginnt hier - wo die Drohnen fliegen

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Drohnentechnologie Krieg beginnt hier - wo die Drohnen fliegen

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Politik

Die Kampagne ‚Krieg beginnt hier‘, hat eine erfreulich breite Resonanz mit vielfältigen Aktionen gefunden. Wir schlagen vor, Drohnentechnologie und deren Datenlieferantenin in diese Kampagne miteinzubeziehen und verstärkt in den Fokus zu nehmen.

Eine General Atomics MQ-1A Predator Kampfdrohne.
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Eine General Atomics MQ-1A Predator Kampfdrohne. Foto: AFM (PD)

Datum 5. Juni 2014
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Als Spielzeug für den Mann erobern Drohnen und Minihubschrauber die Kleingärten und Liegewiesen, die Wohnblöcke und Garageneinfahrten. Vom sogenannten Smartphone, Tablet-Computer oder einem anderen tragbaren Multifunktionskommunikator gesteuert, mit einer Kamera ausgestattet, gelingt endlich der Blick über den Gartenzaun bis zum Tellerrand. Diese Drohne kommt als harmloses Vollstreckungsinstrument männlicher Allmachtsphantasie daher. Sie ist ja nur ein Spielzeug.

Als Lebensretter für Feuerwehr und Rettungsdienst schweben Drohnen über Katastrophengebieten, Brandruinen und Massenkarambolagen. Mit Wärmebildkamera und CO²-Messgerät ausgestattet, gelingt es endlich, einen Überblick zu erhalten, wo vorher keiner war. Diese Drohne tut nur Gutes, oder? Sie ist ein Lebensretter. Als Elendsüberflieger für die Medien erheischen die fliegenden Wunderdinger Einblicke in von Monsterwellen überflutete Gegenden. Sie sind noch direkter dabei, wenn Amokläufer und Prominente gejagt werden. Kameras für den Live-Kick sind selbstverständlich. Diese Drohne dient der Informationsvielfalt und der Pressefreiheit. Sie ist ja nur ein fliegendes Kamerastativ.

Als Diebstahlsicherung, Graffitischutz und Arbeitsüberwachung nutzen ganz normale Firmen Drohnen. Die Bahn nutzt sie, die Stromnetzbetreiber, der Wachschutz... Alles zu unserer Sicherheit. Der Chef muss über alles Bescheid wissen, denn es es geht um Arbeitsplätze. So dient die Drohne letztendlich nur dem Arbeitsplatzerhalt. Es ist ja nur zu unserem Besten. Über der Castorstrecke, über dem Fussballstadion, über dieser und jener Demonstration, über der Partymeile, über der viel befahrenen Kreuzung, über dem Protestcamp, über den Katastrophengebieten, Bahngeländen, ‚Problemvierteln', den Dieb_innen und denen, die was zu verbergen haben, schweben die Drohnen der Polizei - freundlich helfend. Sie dienen ja nur unserer Sicherheit.

Militär und Geheimdienste einiger Staaten können aus 15 Kilometern Höhe ganze Kleinstädte mit einer einzigen Drohne überwachen, alle Bewegungen verfolgen, speichern und auswerten, heranzoomen, Menschen identifizieren, Nacht und Tag, die Wohnblöcke und Kleingärten, die Brandruinen, die Katastrophengebiete, die Bahngelände, den Problemmenschen auf dem Markt im Problemviertel der Problemstadt. Kein Problem. Mit Raketen bestücken ist kein Problem. Mit ihnen zu töten - kein Problem.

Die zivile und militärische Nutzbarkeit von Drohnen verwischt. Die spielerische, die tötende, die beobachtende und die helfende Funktion von Drohnen verweht das schlechte Image, das sie dereinst hatten. Durch die allgemeine gesellschaftliche Akzeptanz wird so auch der Kriegseinsatz von Drohnen problemlos möglich. Kriegsdrohnen sind Waffen, gleichgültig ob sie bewaffnet fliegen oder nicht. Diese Drohnen, teilweise in der Grösse von Verkehrsflugzeugen, operieren in kaum erreichbaren Höhen, unsichtbar für die am Boden Gebliebenen und kaum zu hören. Sie werden von Täter_innen gesteuert, die tausende Kilometer entfernt in ihren Büros sitzen, die hinter dem Schutzschild der Technologie und der nicht spürbaren Entfernung zu ihren Opfern keine Empathie entwickeln können. Moralische und politische Verantwortung wird ins Nichts delegiert.

Von Drohnen abgefeuerte Raketen treffen schon jetzt Hochzeitsgesellschaften in Afghanistan, Marktplätze in Pakistan, Wohnhäuser in Somalia. In den letzten Jahren wurden über 3.000 Menschen durch Drohneneinsätze ermordet. Viele Menschen sind traumatisiert von der Angst aus dem Nichts getroffen zu werden. Sie vermeiden Kontakte zu Nachbar_innen und Freund_innen, gehen kaum mehr auf die Strasse, in die Gärten und auf die Felder. Sie isolieren sich in der hilflosen Hoffnung, so besser geschützt zu sein.

...wo die Drohnen entwickelt werden

Die Industrie zur Herstellung von Drohnen boomt. Nicht nur in den USA oder Israel, wo die deutsche Regierung ihre kauft. Bisher. Denn auch die hiesige Industrie will an dem auf lange Zukunft sicheren Drohnenhype mitverdienen. So entwickelt zum Beispiel die Firma Thielert Aircraft Engines (TAE) Dieselmotoren für Drohnen, die besonders geräuscharm sind. Damit die Nachbar_ innen nicht gestört werden? Oder damit ihnen niemand entkommen kann? Das Penzberger Unternehmen EMT fertigt Klein-Drohnen für die Bundeswehr. An der TU München werden Navigationsverfahren, Raketen und Drohnen erforscht. Denn Bundeswehr und Polizei rüsten auf, um Drohnen in Städten gegen Unruhen einsetzen zu können. Denn wer die Städte kontrolliert, „wird die Richtung zukünftiger Ereignisse in der Welt diktieren“, wie der Kriegsforscher Dickson zu wissen glaubt.

… wo mit Drohnen geübt wird

Genau dies wird auf dem Gefechtsübungszentrum (GÜZ) Altmark bei Magdeburg geübt. Ab 2016 in der neuen Übungsstadt Schnöggerburg. In über 500 Gebäuden, einer U-Bahn, einem Flughafen, und allem was sonst noch zu einer Stadt gehört, trainieren die Soldat_innen Aufstandsbekämpfung. Dort werden in Zukunft Minidrohnen eingesetzt, die, klein wie Insekten, im Schwarm auch noch die letzte Ecke eines Hauses erfassen können.

Die bewaffneten Drohnen werden jedoch nicht nur von Mini-Drohnen mit Informatio nen versorgt.

...wo die Drohnen gefüttert werden

Drohnen werden mit dem Extrakt aller Informationen versorgt, die anfallen. Alle Informationen, die gesammelt, erspäht, erschnüffelt, und bereitwillig hergegeben werden, landen im Zweifelsfall am Ende, zum Tötungsbefehl transformiert, im Bordcomputer. Alle Daten? Alle Daten. Drohnen können sich auch selbst füttern, indem sie SIM-Karten und W-LAN Zugänge selbsttätig auslesen.

Deutsche Universitäten arbeiten an Programmen, die das Ziel haben, Datenspuren der Nutzer_innen von z.B. Google und Facebook zu erfassen, sie mit ‚normalem' Verhalten zu vergleichen und aus den Abweichungen den/die ‚Feind_in' zu extrahieren. Mit dem Ergebnis dieser Algorithmen arbeiten dann auch Drohnen. Die USA haben bereits per Drohne einen Menschen getötet, der aufgrund von statistischer Computeranalyse als verdächtig galt. Seine Handynutzungsgewohnheiten waren nicht ‚normal'. Er hatten öfter als üblich die SIM-Karte und das Handy gewechselt. Wer die getötete Person tatsächlich war, ist zum Zeitpunkt ihrer Ermordung nicht bekannt gewesen. Oft wird vermutet, dass die Rechner nicht in der Lage seien, den gigantischen Datenwust der millionenfach mitgeschnittenen ‚sozialen' Medien, Emails, Browser- und Mobilfunkdaten zu verarbeiten.

Seit den Enthüllungen des Edward Snowden erübrigt sich diese Vermutung. Das Gegenteil ist er Fall: je mehr Daten erfasst werden,desto sicherer kann die Abweichung bestimmt werden. Keith Alexander, der Chef der NSA, hat es auf den Punkt gebracht: „Wir brauchen den Heuhaufen, um die Nadel zu finden“. Eines ist klar: Wir alle sind ein Teil dieses Heuhaufens und somit der Überwachungs- und Mordmaschinerie. Wer glaubt, nichts zu verbergen zu haben, macht sich zum/r aktiven Unterstützer_in, weil genau dieser Haufen an Informationen nötig ist, um überhaupt erst die Nadel, den/die Feind_in, zu konstruieren, zu definieren, zu finden und auszuschalten.

Zudem geht hier der Zwang zur ökonomischen Selbstoptimierung nahtlos in die repressive Datenerfassung über. Denn wir leisten mit jedem Halm, den wir auf den Heuhaufen legen, unbezahlte Arbeit für Regierung, Geheimdienste, Militärs und monopolistische Konzerne.

Die ungeheure Datenmenge, die zudem von den Drohnen selbst gesammelt wird, kann nahezu in Echtzeit auf Rastermerkmale durchforstet werden. Die Analyseergebnisse aus den angefallenen Daten sind in der Regel von Menschen nicht zu verifizieren und damit auch nicht zu korrigieren. Es wird nicht mehr lange dauern, dann wird eine Rechenmaschine selbstständig den Befehl zum Töten geben – leidenschaftslos, ohne Exzesse oder Skrupel. Die Drohne ist Teil einer digitalen Maschinerie, die zugleich Ermittler, Richter und Henker ist.

...let's stop it here!

Markieren, blockieren, sabotieren – auch gegen den Komplex der Datenerfassungs- Überwachungs- und Drohnentechnologie gibt es viele Handlungsmöglich keiten. Eine weitere liegt auf der Hand: keine – eigenen – Spuren im Netz hinterlassen! In einer Zeit, da elektronische Maschinen beginnen, Beziehungen zu Menschen zu ersetzen, scheint das nicht leicht. Alle neuen Fernseher verbinden sich zum Beispiel, von den Zuschauenden unbemerkt, mit dem Netz und melden, was gerade geguckt wird. Viele deutsche Sender lassen diese Daten von Google auswerten. Spielekonsolen vermelden alle Aktivitäten in die Konzernzentralen – und damit an Regierungen, Geheimdienste und Militärs. Mit einer Kamera am Gerät wird der Mensch als Daten-Ressource identifiziert und ausgeplündert. Kaum vorstellbar, das hier noch ein Ort ist, an dem sich Widerstand entwickeln kann. Kaum vorstellbar, dass sich Menschen dem verweigern können.

Aber Widerstand entwickelt sich über soziale, persönliche Beziehungen. Es macht lebendig, nicht bis ans Lebensende zum Halm im Heuhaufen degradiert zu sein. Es macht lebendig, unerfasst und unberechenbar zu sein und sich der digitalen Kolonisierung unserer Körper zu widersetzen. Es gibt viel auszuprobieren. Dass wir im Raster auffallen, wenn wir versuchen aus dem Raster zu fallen? Das lässt sich leider schwer vermeiden. Aber wir werden einen Umgang damit erlernen, damit wir Krieg hier markieren, blockieren und sabotieren können. Krieg beginnt hier – hier wollen wir ihn stoppen.

Drohneneinsatzzentralen, Drohnenproduktion und Drohnentechnologie markieren, block ieren, sabotieren!

Gib deine Daten nicht den Konzernen und Regierungen! Smartphones, Tablets und andere Spionagegeräte in die Mülltonne!

Mach dich nicht selbst zu einem vertrockneten Grashalm!

Ein Graswurzelhaufen