Am 25. April 1935 gegen acht Uhr abends versammelten sich einige junge Deutschbrasilianer in Hitlerjugenduniform vor einer Buchhandlung in der südbrasilianischen Grossstadt Porto Alegre. Sie wollten die Scheiben einschlagen, aber der Buchhändler Friedrich Kniestedt und seine Nachbarn, darunter drei Deutschbrasilianer, stellten sich ihnen entgegen. Einer der Nachbarn schnappte sich einen der Jugendlichen und brachte ihn zur Polizei. Die anderen Hitlerjungen rannten weg, kamen aber mit dreissig weiteren zurück. In der Zwischenzeit hatten sich jedoch schon fünfzig Personen versammelt, um die Buchhandlung und die darin befindliche antifaschistische Literatur zu verteidigen. Die Auseinandersetzung war damit beendet. Erst später erfuhr Kniestedt, dass die Angriffe von oben geplant worden waren, dass mit weiteren zu rechnen war, und dass sein Name auf einer Todesliste stand. (1)
Von 1933 bis 1938 ging der einzige nennenswerte Widerstand gegen die Nazifizierung im Süden Brasiliens von einem relativ kleinen Kreis antiautoritärer Aktivist*innen in Porto Alegre, der Hauptstadt von Rio Grande do Sul, aus. Im Zentrum dieses Kreises stand Friedrich Kniestedt (1873-1947), ein dickhäutiger anarchistischer Redakteur, der seit zwanzig Jahren in Brasilien lebte. Zwar gab es in den 1930er Jahren mehrere brasilianische antifaschistische Gruppen, aber Kniestedt konzentrierte sich auf die grosse deutschbrasilianische Gemeinschaft, denn sie war massiver Nazipropaganda ausgesetzt. (2) Dieser Propaganda setzte Kniestedt seinen humanistischen, kosmopolitischen und antiautoritären Aktivismus und seine Vision für die Zukunft entgegen.
Naziimperialismus in Brasilien
Um diesen spezifisch deutschen antifaschistischen Widerstand in Brasilien zu verstehen, müssen wir uns den Kontext ansehen. Die nationalsozialistische Propaganda in Brasilien war vielgestaltig, gut organisiert und mit reichlich Geld ausgestattet, um sicherzustellen, dass der Nationalsozialismus sehr schnell Fuss fassen würde. Und tatsächlich war Brasilien, wenngleich „nur“ 5% der deutschen Staatsangehörigen in Brasilien Mitglieder von Nazi-Organisationen waren, ausserhalb Deutschlands das Land mit den meisten – nämlich 3.000 – NSDAP-Mitgliedern. (3) Hitler hatte grosse Pläne für Brasilien; er wollte ein neues Deutschland schaffen, um den bestehenden „korrupten Mestizenstaat“ zu ersetzen. (4)Ausschlaggebend waren die wirtschaftliche Bedeutung Brasiliens und die eine Million deutschstämmiger Brasilianer. Brasilien war Deutschlands wichtigster Lieferant von Wolle, Kaffee und Kautschuk. Die grosse, hauptsächlich im Süden des Landes lebende deutschstämmige Bevölkerungsgruppe in Brasilien versprach eine solide Basis für den Naziimperialismus zu werden. Da die grösste deutsche Einwanderungswelle nach Brasilien erst in den 1920er Jahren stattgefunden hatte, war die Gemeinschaft nicht assimiliert und daher anfällig für Loyalitäts- und Ideologiewechsel.
Im Bundesstaat Rio Grande do Sul lebten in den 1930er Jahren rund 600.000 deutschstämmige Menschen (20 % der Bevölkerung), und in der Hauptstadt Porto Alegre waren 12 % deutschstämmig. (5) Es schadete auch nicht, dass die populistische Regierung von Getúlio Vargas die Aktivitäten der Nazis tolerierte und enge Handelsbeziehungen zu Deutschland unterhielt. Aus diesem Grund investierte die Auslandsabteilung der NSDAP so viel in Brasilien. „Wir werden nicht wie Wilhelm der Eroberer Truppen landen und Brasilien mit der Waffe in der Hand erobern“, sagte Hitler einmal. „Die Waffen, die wir haben, sieht man nicht.“ (6)
Gleichschaltung und Einschüchterung
Eine dieser Waffen war die Politik der Gleichschaltung aller Schulen, Vereine und der Presse innerhalb der deutschbrasilianischen Gemeinschaft. Gleichschaltung bedeutet „auf Linie bringen“, von oben koordinieren und im Namen der nationalen Einheit konsolidieren. Der Begriff stammt aus der Elektrotechnik, wo alle Schalter auf denselben Stromkreis gelegt werden, so dass alle durch das Umlegen eines Hauptschalters aktiviert werden können. Die Instrumente dieser Politik waren beeindruckend: Das deutsche Konsulat in Porto Alegre, das Gelder verteilte (7); die Nazi-Parteizellen mit ihren Jugend- und Frauenorganisationen (8); ein Netz von Gestapo-Agenten, die ihre Befehle direkt aus Berlin erhielten; die Pseudo-Gewerkschaft Arbeitsfront und zahlreiche zivile Informant*innen.„Ich betrachte mich als Gegner dieses Staates, ich halte es für meine Pflicht, das zu tun, was ich immer getan habe, nämlich die Wahrheit zu sagen und danach zu handeln.“
So genehmigte beispielsweise 1935 eine Konferenz deutscher Protestant*innen den Bau eines neuen Gymnasiums, in dem die Schüler*innen das Horst-Wessel-Lied singen mussten und im Geschichts- und Religionsunterricht antisemitischer Propaganda ausgesetzt waren (9). Zugleich legte die Gestapo in ihrem Hauptquartier in Santa Catarina eine Datenbank mit über 1.000 Personen samt Bildern und Biografien an, die gegen den Nationalsozialismus waren oder deren Loyalität zweifelhaft war (10). Die brasilianischen Behörden wussten so gut wie nichts über diese ausländischen Propagandabemühungen in ihrem Land. Erst nach 1942, als Brasilien sich den Alliierten anschloss, erfuhren die Brasilianer*innen vom Ausmass der Nazi-Propaganda in den 1930er Jahren. (11)
Souveräne Antifaschisten, blamierte Nazis
Die erste dokumentierte Konfrontation zwischen Kniestedt und den örtlichen Nazis ereignete sich im April 1932, als die Nazizelle forderte, den Saal der Sociedade Caixa Beneficente Navegantes (Unterstützungskasse Navegantes), der grössten deutschbrasilianischen Organisation in der Region, nutzen zu dürfen. Diese Einrichtung bestand seit 1909 und zählte etwa dreihundert Mitglieder. (12) Kniestedt, der Schatzmeister, und die anderen Vorstandsmitglieder lehnten den Antrag ab. (13) Dies setzte eine Reihe von Infiltrationsversuchen der Nazis in Gang, um die Kontrolle über diese Gemeinschaft zu erlangen.Am 30. Januar 1933, dem Tag, an dem Hitler Reichskanzler wurde, organisierte Kniestedt im Saal der Unterstützungskasse die wohl erste öffentliche antifaschistische Demonstration in Brasilien. (14) Er lud die örtlichen Nazis zu einer Debatte ein. Das Ergebnis war eine Niederlage für die Braunhemden; die Mitglieder des Vereins lehnten den Nationalsozialismus rundweg ab. Die Nazis blamierten sich, indem sie herumschrien und die Beleidigten spielten, bevor sie schliesslich abzogen. „Kniestedt war der Sieger auf der ganzen Linie“, schrieb ein Berichterstatter, „dank seines souveränen, gemässigten, ruhigen Vortragsstils, der Polemik vermied und Fakten und Dokumente für sich selbst sprechen liess“.(15)
Als Vergeltung gründeten die Nazis ihre eigenen Gruppen, um den Verein für gegenseitige Hilfe an den Rand zu drängen, der sich jedoch nicht einschüchtern liess und mit der Gründung einer Amateurtheatertruppe, einer Sportgruppe und eines Gesangvereins dagegenhielt. (16) Wichtig war auch, interne Streitigkeiten zu vermeiden, die von den Nazis leicht hätten ausgenutzt werden können. Im Oktober 1935 appellierte Kniestedt an die Mitglieder, zusammenzuhalten und das Prinzip der gegenseitigen Hilfe zu bewahren und nicht zuzulassen, dass Saboteure von aussen die Organisation zerstörten. (17)
Die Zeitschriften „Aktion“ und „Alarm“
Zudem beschloss Kniestedt, die Nazis direkt zu bekämpfen. Im April 1933 gründete er die Menschenrechtsliga Porto Alegre als unabhängige internationale Organisation, „um die Menschenrechte durch die Anwendung und Ausübung aller notwendigen Mittel zu verteidigen“ (18). Eine der ersten Aktionen der Liga bestand darin, die Maifeierlichkeiten der Nazis zu unterminieren, indem Flugblätter an deutsche Arbeiter*innen verteilt wurden mit der Aufforderung, nicht an den Maifeiern teilzunehmen. (19) Einige Wochen später gründete Kniestedt die „Aktion“ als Sprachrohr der Liga.Sie sollte seine stärkste Waffe und die langlebigste antifaschistische Zeitschrift Brasiliens werden. Die erklärte Aufgabe der Zeitung war es, den Faschismus und seine Folgen zu bekämpfen, den Opfern des Faschismus beizustehen, den Lügen des „Dritten Reichs“ entgegenzutreten, jede Art von Unterdrückung zu bekämpfen und Wege zur Befreiung der Menschheit zu diskutieren. In diesem Titanenkampf, der sich in einem kleinen Winkel der Welt abspielte, gelang es Kniestedt und seinem Kreis, eine anarchistische Stimme zu erheben und die Diktaturen von Stalin, Mussolini und Hitler blosszustellen. Auf „Aktion“ folgte später „Alarm“. Beide Zeitschriften sind Zeugnisse antifaschistischen Handelns in einem feindlichen Umfeld.
Die Forschung hat diese Publikationen oft unterschätzt und ist von einer Auflage von einigen hundert Exemplaren ausgegangen. Hingegen berichtet uns ein Historiker, dass bis 1936 insgesamt 9000 Exemplare der „Aktion“ gedruckt wurden, von denen 3000 nach Deutschland geschickt wurden. (20) Die Abonnent*innen waren über die drei südlichsten Bundesstaaten Brasiliens verteilt, und Vertragshändler verkauften die Zeitschrift in Städten wie Rio de Janeiro, São Paulo, Santos und Curitiba. „Aktion“ und „Alarm“ wurden auch an andere radikale Organisationen im Tausch gegen deren Zeitschriften verschickt, unter anderem an die Menschenrechtsliga in Strassburg, die Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit in Genf und die Federación Anarquista Ibérica (FAI) in Barcelona. (21)
Kniestedt und seine Mitstreiter*innen nutzten die Liga für Menschenrechte, ihre Zeitschrift„Aktion“ und Kniestedts Position in der Unterstützungskasse, um die nationalsozialistische Propaganda und die Politik der Gleichschaltung zu durchkreuzen, wo immer es möglich war. In Curitiba (Paraná) wurde eine neue Zweigstelle der Liga gegründet, die die Verbreitung antifaschistischer Flugblätter in diesem Bundesstaat intensivierte, und 1935 wurde ein portugiesischsprachiger Zweig gegründet. (22) Da alle deutschen Schulen in Brasilien nationalsozialisiert worden waren, wurde die Liga gebeten, Gelder für den Bau einer freien Schule nach Pestalozzis Grundsätzen zu beschaffen, aber daraus wurde nichts. (23) Wenn man schon die Kinder verloren geben musste, war es jedoch immer noch möglich, mit Hilfe der Literatur die erwachsenen Deutschbrasilianer*innen zu erreichen. 1936 gründete die Liga eine Leihbibliothek und eine Theatergesellschaft.
Kniestedt betrieb schon seit 1925 eine eigene Buchhandlung, die einige Male verwüstet wurde, weil sie wahrscheinlich der einzige Ort war, an dem man deutschsprachige Literatur jenseits der Nazi-Zensur erhalten konnte. (24) In den Jahren 1936/37 scheiterten die Nazis bei ihrem Versuch, den Turnerbund, eine der grössten deutschen Institutionen im Land, zu übernehmen, was zum Teil auf die antifaschistischen Aktivitäten der Liga und der „Aktion“ zurückzuführen war. Auf einer schlecht besuchten Mitgliederversammlung – nur 116 der 1200 Mitglieder waren anwesend – sahen die Nazis die Chance, eine Abstimmung über die Nazifizierung der Gesangsgruppe des Turnerbundes zu erzwingen. Als die Mitglieder davon Wind bekamen, beantragten sie erfolgreich eine neue Mitgliederversammlung. Diese verabschiedete mit 364 zu 254 Stimmen mehrere Anträge, die den Turnerbund in Zukunft vor einer Übernahme durch die Nazis schützen sollten. (25)
Die Wahrheit sagen und danach handeln…
Die Wahrheit über die Verbrechen des Dritten Reiches und anderer Despotien zu sagen, war eine der wirksamsten (und gefährlichsten) Formen des Widerstands. Die „Aktion“ druckte Berichte über Konzentrationslager, in denen Andersdenkende gefangen gehalten wurden, über die Gewalt gegen Juden, über die engen Beziehungen zwischen Hitler und den Vertretern der Grossindustrie, aber auch über die Moskauer Schauprozesse. Im Sommer 1934 organisierte die Liga eine Kampagne für die Freilassung von Erich Mühsam, Carl von Ossietzky, Ludwig Renn und anderen Opfern des Hitler-Terrors. Sie machte die Verbrechen des Nazistaates öffentlich, und sie organisierte Versammlungen für deutsche Flüchtlinge in Porto Alegre. (26) Diese öffentliche Anprangerung machte die Nazis in Südbrasilien nervös. „Wir wissen aus zuverlässigen Quellen“, schrieb Willy Keller, einer von Kniestedts engen Mitarbeitern, „dass am Tag vor dem Erscheinen der ‚Aktion' im deutschen Konsulat immer Panikstimmung herrschte“. (27)Die Nazis drängten die Anzeigenkunden, ihre Unterstützung für die „Aktion“ zurückzuziehen, aber ohne Erfolg. Im Mai 1934 reichten dann zwei Nazizeitungen, der „Urwaldsbote“ aus Blumenau und die „Neue Deutsche Zeitung“ aus Porto Alegre, vor Gericht eine Verleumdungsklage ein, um die „Aktion“ als kommunistisches Organ brandmarken zu dürfen. (28) Einige Mitglieder der Liga wollten mit einer ähnlich schmutzigen Taktik kontern, aber ihre Mitstreiter*innen lehnten das ab. (29) Letztendlich gewann Kniestedt den Prozess, erhielt aber niemals die vom Gericht angeordnete Entschädigung für die ihm entstandenen Kosten. Tatsächlich bestand ein Ziel der Kläger darin, ihn finanziell zu ruinieren. (30)
Ein Jahr später ging der Wunsch der Nazis in Erfüllung: Im November 1936 wurde Kniestedt von der brasilianischen Polizei verhaftet und die „Aktion“ beschlagnahmt. Wegen eines gescheiterten kommunistischen Aufstands in Brasilien hatte Vargas den Ausnahmezustand ausgerufen und liess alle kommunistischen Aktivitäten unterdrücken. Kniestedts Zeitschrift war zwar nicht kommunistisch, unterstützte aber die republikanischen Truppen, die im Spanischen Bürgerkrieg gegen Franco kämpften. (31) Die „Aktion“ musste eingestellt werden, aber keine zwei Monate später gründete Kniestedt die Zeitschrift „Alarm“, um weiter gegen den Totalitarismus anschreiben zu können.
Als im August 1937 der antikommunistische Ausnahmezustand aufgehoben wurde, brachte Kniestedt wieder die „Aktion“ heraus, nur um drei Monate später von der brasilianischen Regierung erneut verboten zu werden. (32) Seine verlegerische Tätigkeit endete im Mai 1938, als Vargas alle politischen Aktivitäten von Ausländer*innen verbot. Im Alter von fünfundsechzig Jahren schloss er sich der Bewegung „Das andere Deutschland“ an, die 1937 von Linkssozialisten wie August Siemsen in Buenos Aires gegründet worden war und zu den einflussreichsten Exilgruppen in Südamerika zählte. (33)
… trotz Gefängnis, Schikanen und Todesdrohungen
Die Bemühungen der Nazis, Kniestedt zum Schweigen zu bringen, zeigen, wie hinderlich er für die Auslandspropaganda der NSDAP war. Der Historiker René Gertz schrieb einmal, dass „dieser ganze Kampf gegen den Nationalsozialismus als effektiv angesehen werden kann, wenn wir die Reaktion der anderen Seite berücksichtigen“ (34). Die anfangs geschilderte Konfrontation vor der Buchhandlung war nur ein Beispiel. Kniestedt wurde routinemässig angegriffen und schikaniert – ob bei Versammlungen oder in der nazifreundlichen Presse, die ihn als Verräter bezeichnete.Bei den lokalen Behörden wurde er als Kommunistenführer denunziert – in Vargas' Brasilien immer ein guter Weg, um jemanden verhaften zu lassen. Als ein Boykott seines Buchladens scheiterte, zerstörten jugendliche Nazis die Aushängeschilder und schlugen die Fenster ein. Per Post wurde ihm eine vergiftete Maus geschickt, Stinkbomben wurden geworfen, und zweimal wurde sein Haus nachts mit Gas angegriffen. (35) Er erhielt Morddrohungen. Mehrmals wurde er verhaftet und ins Gefängnis geworfen, was ihm allerdings auch wachsende Bekanntheit bescherte. All diese Schikanen wurden von oben koordiniert. (36)
Ein herber persönlicher Verlust
1934 erfuhr Kniestedt, dass der Aussenminister des nationalsozialistischen Deutschlands ihm und siebenundzwanzig anderen im Ausland lebenden Deutschen die Staatsbürgerschaft entzogen hatte. Er antwortete, er fühle sich durch diese Entscheidung geehrt: „Ich betrachte mich als Gegner dieses Staates, ich halte es für meine Pflicht, das zu tun, was ich immer getan habe, nämlich die Wahrheit zu sagen und danach zu handeln.“ (37) Einer seiner schmerzlichsten Momente war, als Kniestedt erfuhr, dass sein Sohn vor die Wahl gestellt worden war, der Deutschen Arbeitsfront (DAF) beizutreten oder seinen Arbeitsplatz zu verlieren. Er entschied sich für seinen Arbeitsplatz, und Kniestedt und seine Frau brachen alle Beziehungen zu ihrem Sohn ab. (38)Vereint im Kampf gegen Unterdrückung und Faschismus
Was bleibt? Unter den Deutschbrasilianer*innen hatte Kniestedt einen beachtlichen Rückhalt und konnte seinen anarchistischen und antifaschistischen Zeitschriften in den 1920er- und 30er-Jahren praktisch durchgängige Unterstützung sichern. „Unserem Freund Friedrich Kniestedt in Porto Alegre ist es gelungen“, schreibt Willy Keller, „einen Kreis von Menschen um sich zu scharen, die durch gegenseitiges Vertrauen zusammengehalten werden. Diese Menschen haben unterschiedliche politische Meinungen, aber das hindert sie nicht, freundschaftlich miteinander umzugehen. Sie sind vereint in ihrem Kampf gegen Unterdrückung, soziales Elend, Krieg und Rassenhass.“ (39)Nach Meinung eines der bedeutendsten Kenner der deutschbrasilianischen Geschichte „repräsentiert Kniestedt grosse Teile der deutschsprachigen Arbeiterschaft in Südbrasilien […]. Hier war die Solidarität über sprachliche und ethnische Grenzen hinweg wichtiger als die Zersplitterung.“ (40)