UB-Logo Online MagazinUntergrund-Blättle

Mexiko: El Yunque - Eine rechtsextreme-katholische Geheimorganisation

7750

Aus Spanien und Mexiko expandiert das „Intoleranz-Netzwerk“ in die gesamte Welt Mexiko: El Yunque - Eine rechtsextreme-katholische Geheimorganisation

earth-europe-677583-70

Politik

WikiLeaks enthüllt, dass hinter „CitizenGo“ federführend die radikale ultrakatholische „HazteOír“ steht, die enge Verbindungen zu paramilitärischen Gotteskriegern von „El Yunque“ in Mexiko unterhält.

Symbol der Geheimorganisation El Yunque.
Mehr Artikel
Mehr Artikel
Bild vergrössern

Symbol der Geheimorganisation El Yunque. Foto: laicismo.org

Datum 26. Juni 2023
2
0
Lesezeit11 min.
DruckenDrucken
KorrekturKorrektur
Seit vielen Jahren sind die Verstrickungen zwischen der radikal-ultrakatholischen spanischen Organisation „HazteOír“ (Verschaff dir Gehör) und der paramilitärischen mexikanischen Geheim-Organisation „El Yunque“ (Der Amboss) bestätigt, auch schon vor spanischen Gerichten. El Yunque, schon 1955 in Mexiko gegründet, will die „katholische Religion“ verteidigen, ein Reich Gottes errichten und „die Kräfte Satans bekämpfen, sei es durch Gewalt oder Mord“, schreibt zum Beispiel Wikipedia. Die englische Wikipedia zitiert mit Álvaro Delgado einen der zentralen Kritiker einer Organisation, die bereit ist, „Blut für Gott zu vergiessen“. Delgado bezeichnet El Yunque als „ultrakatholisch, antikommunistisch, antisemitisch, antiliberal“, sie und habe „faschistische Züge“.

Der Schwur der Organisation, lässt keinen Zweifel an den Vorstellungen von El Yunque: „Wir sind eine Miliz und unser Kampf ist der der Kreuzfahrer.“ Von einer Aufnahmezeremonie in Spanien berichtete zum Beispiel schon vor neun Jahren die spanische Zeitung „El Confidential“. Sie zeigt auf, wie ein neuer „Amboss“ angeworben wird, der „seine Prinzipien umso deutlicher bekräftigt, umso mehr Schläge er erhält“. Die neu angeworbenen Mitglieder gehörten dann einer „auserwählten Kaste“ an berichtet die Zeitung, die sich seit vielen Jahren mit der Geheim-Miliz und ihren Verstrickungen zu spanischen Ultras beschäftigt.

Dass die Organisation tief im klerikal-faschistoiden Denken der Franco-Diktatur verankert ist, zeigt sich auch an anderen Stellen. So wird von einer Miliz gesprochen, die „gegen die perversen Feinde Gottes und des Vaterlandes“ kämpft, womit natürlich auch die Unabhängigkeitsbestrebungen von Katalanen und Basken gemeint sind. Man hat es mit einem radikal-katholischen Fundamentalismus zu tun, der dem islamistischen des Islamischen Staats ähnelt.

Diese Kräfte werden im stärker in Europa und dabei auch von Grossspendern gestützt, wie 17.000 interne und vertrauliche Dokumente zeigen, die von der Enthüllungsplattform WikiLeaks veröffentlicht wurden. Wikileaks spricht vom „The Intolerance Network“ (Das Intoleranz-Netzwerk). Gemeint ist damit CitizenGo, eine Stiftung die inzwischen feste Büros in 15 Städten unterhält und schon in 50 Ländern sehr aktiv ist. Unter dem „Deckmantel familiärer Werte“ führe die Organisation Kampagnen durch, hinter der federführend die spanische HazteOír mit ihren Verwicklungen mit El Yunque steht. Unter anderem förderte CitizenGo auch internationale Kampagnen gegen Frauenrechte, wie das Recht auf Abtreibung. Sehr aktiv sind die Ultrakatholiken aber auch beim Kampf gegen Rechte von Schwulen, Lesben, Queers, trans und inter Personen (LGBTIQ), wie die Wikileaks-Dokumente bestätigen.

Aus den veröffentlichten Unterlagen „geht klar hervor, dass ihre Werte in einem extrem ultrakonservativen christlichen Kontext verwurzelt sind“, schreibt Wikileaks. Es handele sich um „Dokumente aus den Computersystemen“ der verschiedenen ultrakatholischer Organisationen. Darunter befinden sich unter anderem auch „Spender- und Mitgliederlisten sowie Strategie- und Planungsdokumente, Briefe, Finanztabellen sowie Rechts- und Schulungsunterlagen“.

Ausgewertet, aufgearbeitet und geprüft haben die Dokumente vier verschiedene Zeitungen. Das waren Il Fatto Quotidiano (Italien), Público (Spanien), die Berliner taz und Contralínea (Mexiko). So schreibt die taz, dass CitizenGo eine seit 2013 in Spanien tätige Stiftung sei, die aus der rechten und katholisch-fundamentalistischen Organisation HazteOír (Verschaff dir Gehör) hervorgegangen ist. Und hinter HazteOír und CitizenGo steht federführend der ultrarechte und ultrakatholische Igancio Arsuaga Rato, der ab 2001 mit einem Internet-Blog begonnen hatte.

Zwar sind, darauf weist auch Contralínea hin, HazteOír und El Yunque nicht deckungsgleich, doch es gibt viele auch personelle Überschneidungen, wie inzwischen auch gerichtsfest bestätigt ist. So berichtete „El Confidential“ zum Beispiel davon, dass Álvaro Zulueta, der Schatzmeister von HazteOír, eine „Schlüsselperson von El Yunque in Spanien ist“. Die Zeitung zitierte dabei schon 2012 Aussteiger, die von einer Instrumentalisierung durch El Yunque sprechen und Grossspender wie die Familie Ruiz Mateos. Der Chef des Familienclans, José María Ruiz-Mateos, auch Mitglied der Vatikansekte Opus Die, wurde mehrfach zu Gefängnisstrafen verurteilt, unter anderem wegen betrügerischen Vermögensverschiebung. Seine erste Firma wurde wegen nichtgezahlter Steuern schliesslich vom Staat enteignet.

Im Jahr 2014 wurden die Verwicklungen zwischen HazteOír und El Yunque von Aussteigern auch in einem Prozess bestätigt. Deshalb kam die Richterin María Belén López Castrillo schliesslich zu dem Ergebnis, dass es sich bei der „Beziehung zwischen Mitgliedern von HazteOír und El Yunque um eine erwiesene und anerkannte Tatsache handelt, die auf Dokumenten und Zeugenaussagen beruht“. Das alles sei hier angeführt, weil HazteOír und CitizenGo offiziell „Nächstenliebe, Agilität, Glaubwürdigkeit, Engagement, Leidenschaft, Rationalität und Transparenz“ propagieren. Dazu passt gut ein spanisches Sprichwort: „Sag mir, von was du prahlst, und ich sage dir, was dir, was dir fehlt.“ Russische Oligarchen, Orban und AfD

Die mexikanische Zeitung Contralínea weist nach der Studie der Wikileaks-Dokumente Yunque auf die Doppelstrategie von CitizenGo hin. Auf der einen Seite arbeite man offen in einem „Massenmodell“ mit sogenannten Lebensschützern und Abtreibungsgegnern zusammen, unterhalte aber auch Verbindungen zu verdeckten Strukturen. Das sei hier näher ausgeführt, weil über all diese Verstrickungen und Hintergründe die taz kein Wort verliert. Aber erst damit wird letztlich klar, mit welchen gefährlichen und militanten ultrakatholischen Gruppen man es hier zu tun hat.

Die taz berichtet aber über andere Vorgänge. Sie zitiert zum Beispiel aus den Wikileaks-Dokumenten, wie sich Arsuaga Rato 2013 nach dem ersten „World Congress of Families“ (WCF), zu dem 2012 katholische Fundamentalisten aus aller Welt in die spanische Hauptstadt nach Madrid geströmt waren, dem russischen Oligarchen Konstantin Malofejew einen Brief geschickt hatte. Er bat den Russen um eine Anschubfinanzierung für CitizenGo. Denn Arsuaga wollte aus CitizenGo „die einflussreichste internationale christlich inspirierte Mobilisierungswebsite“ aufbauen, ist in den veröffentlichten Dokumenten zu lesen. Das eigentliche Ziel der Organisation ist: „Eine Generation von konservativen Führern“ gegen linke Laizisten in Stellung zu bringen, und das soll national und international geschehen. „Nationale Regierungen, Parlamente und internationale Institutionen“ sollen „effektiv beeinflusst“ werden, heisst es in den Strategiepapieren.

Ist es noch ein Wunder, dass CitizenGo nach eigenen Angaben unter anderem in Deutschland mit der Initiative Familienschutz zusammenarbeitet. Die wurde 2005 von Beatrix von Storch gegründet, der stellvertretenden Bundessprecherin der AfD. Und es ist nun wohl kaum noch überraschend, dass der ungarische Premierminister Viktor Orbán beim WCF 2017 in Budapest die Begrüssungsrede hielt. Der Feldzug dieses „konservativen Führers“ gegen die Rechte von sexuellen Minderheiten hat jedenfalls seither massiv Fahrt aufgenommen. Gerade werden in Ungarn sogar Kinderbücher verbannt, die nach Auffassung der Regierung für Homosexualität oder Geschlechtsumwandlung werben oder anstössige Abbildungen von Sexualität enthalten.

Dass sich Arsuaga ausgerechnet an den russischen Oligarchen gewandt hat, ist wahrlich auch kein Zufall: „Malofejew pflegt enge Kontakte zur russisch-orthodoxen Kirche und dem Präsidenten Wladimir Putin. Er organisiert Kongresse für Abtreibungsgegner*innen, Homosexualität setzt er gleich mit Sodomie. Die Demokratie lehnt er ab und hat beste Kontakte in die rechten Parteien Europas“, schreibt die taz über den russischen Oligarchen. Deshalb sei er der beste Geldgeber für Arsuaga, um die „internationale Kampagnenplattform“ CitizenGo aufbauen zu können.

Die taz beschränkt sich bei ihrer Beschreibung vor allem darauf, dass CitizenGo seit vielen Jahren schon eine zum Teil sehr erfolgreiche Kampagnenpolitik auch im Europaparlament betreibt. So sei es den Fundamentalisten über Lobbyismus und Petitionen zum Beispiel auch gelungen, 2013/2014 zu verhindern, dass sich das EU-Parlament klar hinter die Forderung stellt, dass alle Menschen in der EU Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen und Sexualaufklärung haben sollen. Warum Spanien?

Über den taz-Bericht hinaus ist aber weiterhin wichtig, den Blick noch etwas stärker auf die Ursprünge der Organisation zu richten. Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet Spanien der Ort ist, in dem die ultrakatholische und ultrarechte Initiative in Europa ihre Basis hat. Spanien ist für solche Organisationen ein Schutzraum, da die Vergangenheit der Franco-Diktatur, eines klerikal-faschistischen Systems, nie aufgearbeitet und die Verbrecher nie bestraft wurden. Die Aufarbeitung der Verbrechen kommt nach dem Tod des Diktators bestenfalls schleppend voran, wie wir auf Krass & Konkret unter anderem hier im Gespräch beleuchtet haben.

Dass Rechtsextreme auch in Spanien immer deutlicher gewalttätig zur Tat schreiten, ist vor allem in Regionen zu beobachten, wo, wie in Murcia, die VOX-Partei besonders stark ist. Denn mit der Hilfe von HazteOír wurde in Spanien inzwischen diese ultrarechte Partei in Stellung gebracht, die schon die drittstärkste Partei im spanischen Parlament ist.

Bei VOX handelt es sich allerdings nur um eine ultrarechte Abspaltung von der ultrakonservativen Volkspartei (PP), für die der VOX-Chef und Parteigründer Santiago Abascal einst im Parlament sass. Wie Público nun am Donnerstag berichtet hat, sind auch die Verstrickungen zwischen VOX und El Yunque eng. Das verwundert nicht, da Abascal ein Busenfreund von HazteOír-Gründer Arsuaga ist.

Mit Bezug auf ein Buch von Santiago Mata kann sogar vermutet werden, dass vor allem El Yunque hinter den Vorgängen steht. „VOX und El Yunque: Die Geheimorganisation, die Santiago Abascal gross gemacht hat”, ist der Titel des Buchs. Für Mata ist El Yunque entscheidend dafür, dass der Ultra die Macht in VOX an sich reissen konnte. „Abascal hat VOX in eine Geheimorganisation verwandelt, in der nur er weiss, welche Leute in seinem Umfeld die wichtigen Entscheidungen treffen.” Nach Aussagen von “qualifizierten Zeugen”, sind mindestens neun Mitglieder von El Yunque auch wichtige VOX-Mitglieder, wie der HazteOír-Mitbegründer José Castro Velarde. Dabei sind auch Lucía Gilgado, “eine Tarnorganisation von El Yunque”, die als “Todos somos Cataluña” (Wir sind alle Katalonien) gegen die Unabhängigkeitsbewegung auftritt, und andere wie Norberto Domínguez y Alfonso González Vilariño (VOX Valladolid) oder José Manuel Menéndez, Mitglied einer weiteren Tarnorganisation „jovenesxunacausa.es“.

Und Abascal ist wiederum ein Busenfreund von HazteOír-Gründer Arsuaga. Um in Deutschland zu verstehen, wie weit rechts VOX steht – rechts der AfD -, sei angemerkt, dass sich diese Partei auch nicht von hochrangigen spanischen Militärs distanziert hat, die für einen Putsch gegen die sozialdemokratische Regierung eintreten und „26 Millionen Hurensöhne erschiessen“ wollen.

Schon die PP muss als CDU-Schwesterpartei am rechten Rand verortet werden, von der sich VOX noch rechts abgespalten hat. Denn die PP wurde von Ministern der Franco-Diktatur gegründet und hat sich vom Putsch gegen die Republik 1936 und die Jahrzehnte der Diktatur nie distanziert. Berührungsängste hat die PP zu VOX ohnehin nicht. Die Madrider PP-Regionalpräsidentin Isabel Ayuso hatte VOX vor den Madrider Regionalwahlen im Mai den Ultras sogar eine Regierungsbeteiligung angeboten. Wie in Madrid ist auch in der grossen und wichtigen Region Andalusien die rechte Regierungskoalition von VOX abhängig.

Der rechte PP-Rand spielte auch beim Aufstieg von HazteOír, CitizenGo und VOX eine entscheidende Rolle. Es war der ultrakatholische Fundamentalist und ehemaliger Innenminister Jorge Fernández Díaz, der die Startbahn zum Abheben für die Ultrakatholiken geschaffen hat. Das Mitglied der Vatikansekte Opus Dei, der sich unter anderem nun wegen Amtspflichtverletzung, Geheimnisverrat, Veruntreuung, Bestechung und unerlaubte Einflussnahme im Rahmen selbst vor Gericht verantworten muss, hatte dafür gesorgt, dass HazteOír 2013 die Gemeinnützigkeit in Spanien erhielt. Grossspender aus der Wirtschaft

Aus bescheidenen 3000 Euro, welche HazteOír zu Beginn ausgewiesen hatten, konnten über eingehende Spenden bald Kampagnen gestartet werden, die Millionen kosten. 18 Millionen Euro hat die „ultrarechte Lobby“ in Spanien bisher für Kampagnen ausgegeben, berichtet Público. Zentral verantwortlich war dafür die vom PP-Innenminister gewährte Gemeinnützigkeit. Denn damit konnten Spenden an die Ultras von der Steuer abgesetzt werden. Somit wurde vom spanischen Steuerzahler ein guter Teil der Hass-Propaganda und der Internationalisierung finanziert.

Warum HazteOír seine Spender gegen jede Transparenz verheimlichte, die man bei HazteOír und CitizenGo gerne vor sich herträgt, wird über die WikiLeaks-Dokumente deutlich. Anders als in Deutschland, wo vor allem eher unbekannte Kleinspender die Ultra-Plattform unterstützt haben, waren es in Spanien unter anderem Chefs grosser Firmen, die die Ultras unterstützt haben. Als „Grosse Grossspender” werden in einer Exel-Tabelle insgesamt 209 Spender aufgeführt. Darunter finden sich Namen wie Isidoro Álvarez, langjähriger Präsident der grössten europäischen Warenhauskette El Corte Inglés. Es findet sich darin auch Juan Miguel Villar-Mir. Der Milliardär und Chef des Baukonzerns OHL spielte auch schon in den Korruptionsskandalen der PP eine Rolle. Auch Esther Koplowitz, Chefin des Baukonzerns FCC, taucht auf der illustren Liste auf, wie auch Führungsmitglieder von anderen Unternehmen wie Bernard Meunier von Nestle.

Für Público ist nach der Auswertung der Wikileaks-Dokumente klar, dass die ultrarechte VOX, deren Gründung und erster Wahlkampf von der iranischen Exilorganisation mit dem Namen „Volksmudschahedin“ oder „Mudschahedin e-Khalq“ (MEK) finanziert wurde nach anfänglichen Wahlschlappen durch eine Millionen-Unterstützung der rechten Ultrakatholiken „abgehoben“ hat. CitizenGo sei ein „internationaler Motor für rechtsextreme Parteien und Organisationen“.

Ralf Streck
overton-magazin.de