Man geht sicher nicht fehl, hinter dieser Art von Machtwechsel die lange Hand der USA zu vermuten. Genauso ist es jedoch notwendig, sich die Eliten dieses Staates anzusehen, die mit dem gewählten Repräsentanten unzufrieden sind und ihre Interessen durch einen solchen Machtwechsel schützen.
Metropole und Dschungel
Kaum ein Land Lateinamerikas repräsentiert den Gegensatz zwischen Stadt und Land, zwischen europäischstämmiger Oberschicht und indianischen Landbewohnern reiner als Peru.Ungefähr ein Drittel der Bevölkerung Perus, ca. 33 Millionen, lebt in Lima. Es gibt also einen urbanen Ballungsraum, die sich sehr vom Rest des Landes unterscheidet. Die Eliten sitzen in der Stadt und blicken mit Misstrauen auf die ländliche Bevölkerung. Sie erscheint ihnen lästig, unnötig und gefährlich. Um so mehr, als die Eingeborenen im Inneren des Landes durch ihre blosse Existenz immer an den durch die Kolonisatoren verübten Raub erinnern, auf dem ihr Reichtum beruht.
Der Rest des Landes teilt sich auf zwischen Grossgrundbesitz, wo für den Weltmarkt produziert wird – Peru ist derzeit international Marktführer für Heidelbeeren –, Bergbau und Subsistenz. Ein bedeutender Teil des Landes unterliegt gar keiner Kontrolle, dorthin führen keine Strassen, und Holzräuber, illegale Bergbau-Firmen, Schmuggler und Indianerstämme treiben sich dort herum. Ihre Tätigkeit bleibt unbekannt, sie gehen in kein BIP ein und sie scheinen höchstens einander zu stören, niemanden sonst.
Es gab Versuche von Politikern, diese disparaten Teile des Landes zu einer mehr als nur territorialen Einheit zu formen, sie sind bisher alle gescheitert.
Das Inkareich
Die Inkas erschienen zwischen dem 9. und dem 12. Jahrhundert in der Gegend von Cusco und begannen sich von dort auszubreiten. Sie unterwarfen die vorherigen Stämme und Zivilisationen und errichteten ein Reich, das sich vom heutigen Ecuador bis in den Süden Chiles des heutigen Chile erstreckte.
Neben einer sehr ausgetüftelten Verwaltung mittels Boten und deren Raststätten gelang ihnen diese Expansion vor allem dank der Verwaltung des Wassers, das Kämpfe um Wasserquellen und Böden beendete, möglicherweise auf neue klimatische Bedingungen Rücksicht nahm und die Anbaufläche und das Nahrungsangebot steigerte. Das Inkareich setzte das Ketschua als Landes- und Verwaltungssprache durch. Ihre Anweisungen und Vorstellungen wurden nicht in einer Schrift verewigt, sondern in einem komplizierten System von Schnüren mit Knoten, den „Kipus“, die bis heute nicht entziffert sind. (Die ersten schriftlichen Zeugnisse des Ketschua stammen daher bereits aus der Kolonialzeit, als das Inkareich zerstört war.)
Die höchste Ausdehnung erreichte das Inkareich ausgerechnet in den Jahrzehnten vor der spanischen Eroberung. Es wurde jedoch zu gross, eine 2. Hauptstadt wurde geschaffen – Quito – und die Verteilungskämpfe innerhalb der Eliten nahmen zu. Das schuf die Voraussetzungen, warum dieses Reich trotz seiner beeindruckenden Reichtümer relativ schnell zerstört werden konnte.
Die Stellung zum Inkareich und seinem Erbe spaltet die Gemüter und prägt die Kultur Perus bis heute – einerseits muss stets die Überlegenheit Europas betont werden, aus der die heutigen Eliten ihre Macht und Existenzberechtigung beziehen. Andererseits lassen sich die Indigenen nicht wegleugnen, die Bauwerke sind zahlreich, die Inka-Forschung wird teilweise durch Ausländer bis heute betrieben, und schliesslich ist der Tourismus eine bedeutende Einnahmequelle, der sich keine peruanische Regierung der jüngeren Vergangenheit verschliessen will.
Die Inkas erschienen zwischen dem 9. und dem 12. Jahrhundert in der Gegend von Cusco und begannen sich von dort auszubreiten. Sie unterwarfen die vorherigen Stämme und Zivilisationen und errichteten ein Reich, das sich vom heutigen Ecuador bis in den Süden Chiles des heutigen Chile erstreckte.
Neben einer sehr ausgetüftelten Verwaltung mittels Boten und deren Raststätten gelang ihnen diese Expansion vor allem dank der Verwaltung des Wassers, das Kämpfe um Wasserquellen und Böden beendete, möglicherweise auf neue klimatische Bedingungen Rücksicht nahm und die Anbaufläche und das Nahrungsangebot steigerte. Das Inkareich setzte das Ketschua als Landes- und Verwaltungssprache durch. Ihre Anweisungen und Vorstellungen wurden nicht in einer Schrift verewigt, sondern in einem komplizierten System von Schnüren mit Knoten, den „Kipus“, die bis heute nicht entziffert sind. (Die ersten schriftlichen Zeugnisse des Ketschua stammen daher bereits aus der Kolonialzeit, als das Inkareich zerstört war.)
Die höchste Ausdehnung erreichte das Inkareich ausgerechnet in den Jahrzehnten vor der spanischen Eroberung. Es wurde jedoch zu gross, eine 2. Hauptstadt wurde geschaffen – Quito – und die Verteilungskämpfe innerhalb der Eliten nahmen zu. Das schuf die Voraussetzungen, warum dieses Reich trotz seiner beeindruckenden Reichtümer relativ schnell zerstört werden konnte.
Die Stellung zum Inkareich und seinem Erbe spaltet die Gemüter und prägt die Kultur Perus bis heute – einerseits muss stets die Überlegenheit Europas betont werden, aus der die heutigen Eliten ihre Macht und Existenzberechtigung beziehen. Andererseits lassen sich die Indigenen nicht wegleugnen, die Bauwerke sind zahlreich, die Inka-Forschung wird teilweise durch Ausländer bis heute betrieben, und schliesslich ist der Tourismus eine bedeutende Einnahmequelle, der sich keine peruanische Regierung der jüngeren Vergangenheit verschliessen will.
Die Wirtschaft Perus – die Armut des Menschen als Ergebnis des Reichtums der Erde
Die Bergbauindustrie macht 80% des BIP aus. Peru exportiert Kupfer, Gold, Silber, Eisen, Zinn, Zink, Blei, Wismut und Tellur, es verfügt auch über Lithium, das allerdings noch in der Prospektionsphase ist.Die meisten dieser Minerale verlassen Peru jedoch in Form von Erz, weil es nie gelungen ist, so etwas wie eine Hüttenindustrie zu etablieren. Diese Erze werden also aus Peru in ihrer rudimentärsten Form exportiert und im Ausland verhüttet. Das ist z.B. ein grosser Unterschied zu den Verhältnissen in Chile, wo die gesamte Kupferproduktion im Inland und grösstenteils staatlich betrieben wird.
Es war schon eine Leistung, die Bergbauunternehmungen im Rahmen der umfangreichen Privatisierungen unter der Regierung Fujimori zur Besteuerung zu veranlagen.
Als die Regierung unter dem inzwischen abgesetzten Präsidenten darüber nachdachte, die Verträge mit den Bergbauunternehmen neu zu verhandeln und eventuell zur Verarbeitung im Land zu veranlassen, kam es zu gröberem Grummeln und über dem Haupte von Castillo braute sich Unheil zusammen.
Die Ölindustrie wurde unter General Velasco 1969 verstaatlicht und die Ölfirma Petroperu ist bis heute in staatlicher Hand. Seither wurden jedoch offenbar andere Ölfelder privatisiert oder Konzessionen vergeben. Die Raffinerie bei Lima, bei der es im Jänner 2022 zu einem Unfall beim Befüllen eines Tankers kam, gehört jedenfalls der spanischen Firma Repsol bzw. wird von ihr betrieben.
Beim Erdgas ist die Situation sehr unklar. Peru besitzt angeblich die zweitgrössten Erdgasreserven Südamerikas. Aber um an die heranzukommen, braucht man erst einmal Kapital, das sich in Peru für diese Zwecke nicht findet. Es ist allerdings auch schwierig, ausländisches Kapital anzulocken, weil das will für seine Investitionen Freiheiten, die den Energiebedürfnissen der peruanischen Wirtschaft wiedersprechen, die mehr als die Hälfte seines Energiebedarfs durch Importe decken muss.
Es ist das gleiche Problem, das auch schon in Bolivien für Aufruhr gesorgt hat. In Peru wäre die Energie obendrein sehr notwendig, um die restliche Industrie voranzubringen.
Eine Energieversorgung ist nämlich eine Vorleistung für jede industrielle Entwicklung bzw. Produktion. Wo die nicht gewährleistet ist, sieht es schlecht aus für andere energieintensive Geschäftszweige, wie eben eine Schwerindustrie mit Hochöfen und Walzstrassen.
Peru besitzt auch eine Textilindustrie, produziert Gewebe und Kleidung aus tierischen, pflanzlichen und Kunststoff-Fasern. Diese angestammte Industrie gerät jedoch seit geraumer Zeit sehr unter Druck durch die Importe aus China. Die Textil-„Front“ zieht sich quer durch diverse Sektoren der peruanischen Gesellschaft: Die armen Leute wollen billige Kleidung, die Produzenten wollen ihr Zeug verkaufen, der Inlandsmarkt schrumpft durch die chinesische Konkurrenz – und diese macht auch den Exporteuren Schwierigkeiten, neben allen anderen Widrigkeiten, die der Weltmarkt für Textilien sonst noch bereithält. Dazu kommen noch die Arbeiter in den Textil- und Konfektions-Fabriken und -Werkstätten, die zwar einerseits um ihre Arbeitsplätze fürchten, aber dann doch meistens irgendein chinesisches Leiberl erstehen, wenn sie ihre geringe Kaufkraft für den Erwerb von Kleidung einsetzen. Auch die Textil-Händler ziehen chinesische Ware vor, weil die leichter und in grösseren Mengen verkauft wird.
Agrikultur und Fischereiwirtschaft tragen auch noch ihr Scherflein bei zur Wirtschaftsleistung, fransen jedoch bereits in den informellen Sektor aus, wo Mengen nicht wirklichkeitsgetreu deklariert und steuerschonend im Inland versilbert oder ins Ausland verschoben werden.
Der Rest der Bevölkerung ist entweder beim Staat angestellt oder bringt sich im weiten und breiten informellen Sektor weiter: am Bau, als fliegende Händler, Kellner, Gärtner, Fuhrunternehmer und Taxler, Krimineller, usw. usf. Keine Krankenversicherung, keine Pension, keine Steuern.
Das Ausmass und die Unsicherheit dieser Existenzen wurde durch die Corona-Pandemie deutlich. Peru hat nach den offiziellen Zahlen weltweit sowohl die höchste Sterblichkeit im Verhältnis zur Bevölkerung als auch im Verhältnis zu den gemeldeten Infektionen.
Die vielen Personen, die sich irgendwie in Lima mit Jobs aller Art durchbrachten, verloren über Nacht jegliche Einkommensquelle und machten sich auf in ihre Herkunftsorte – Städte und Dörfer in den Bergen, am Meer und im Urwald –, um mit Hilfe ihrer Familienangehörigen zu überleben. Dadurch schleppten sie das Virus überall hin. Ausserdem haben die Eingeborenen Amerikas sowieso eine geringere Widerstandsfähigkeit gegenüber Infektionskrankheiten, und so wütete diese Grippe ziemlich heftig unter der peruanischen Bevölkerung.
Die Unabhängigkeit und die Grenzen Perus
Die Unabhängigkeit von der spanischen Kolonialherrschaft war in Peru grösstenteils ein Werk ausserhalb dieses Territoriums ansässiger Mächte und Personen.Abgesehen vom Condorcanqui-Aufstand von 1780 gingen die Initiativen von Militärs aus dem heutigen Argentinien und Chile aus – sie vertrieben schliesslich die spanischen Truppen aus Lima und richteten eine Art Befreiungs-Protektorat ein, das 1821 in der Unabhängigkeitserklärung Perus mündete. Die war aber nicht sehr viel wert, weil sich die spanischen königstreuen Truppen in die Berge zurückgezogen hatten und endgültig erst 1824 durch die Armee Bolívars geschlagen wurden.
Diese Waffenhilfe war nicht ganz uneigennützig – Bolívar und seine Mannschaft erwarteten den Anschluss Perus an die Föderation Gross-Kolumbiens. Als die neuen Oberhäupter des unabhängigen Peru nicht einverstanden waren, kam es zum ersten kolumbianisch-peruanischen Krieg von 1828-29, der im Grunde nur die Grenzen, die zwischen den spanischen Provinzen Peru und Neugranada bestanden hatten, bestätigte. Diese Grenzen waren aber nie genau festgelegt worden – wozu auch? – weshalb die heutige Grenze Perus mit Ecuador nach wie vor strittig ist und schon zu Kriegshandlungen geführt hat.
Dieser Krieg trat eine lange Reihe von Grenzkriegen los, die Peru allesamt entweder verloren oder nicht wirklich gewonnen hat, was das ursprüngliche Gebiet des Vizekönigreiches verkleinert und einen Haufen Ausgaben verursacht hat. Peru verlor in alle Richtungen Territorien, häufte dabei Schulden an und hat bis heute offene Grenzfragen mit seinen Nachbarn.
Das Militär – Hüter der Einheit
Die Armee, obwohl sie keine besonderen Erfolge aufzuweisen hat, ist doch dasjenige Element des Gewaltapparates, das die staatliche Einheit aufrechterhält. Die Geschichte Perus weist nicht nur einen Haufen Grenzkriege, sondern auch ebensoviele Bürgerkriege auf, bei denen zu kurz gekommene Provinz-Häuptlinge durch Verfügung über Waffen vermeintliche Rechte von den Eliten der Metropole einforderten.Es ist daher verständlich, dass der ernsthafteste Versuch, aus Peru etwas zu machen, Land und Leute irgendwie für eine nationale Idee und nationale Grösse zu gewinnen, vom Militär ausging. Der General Velasco Alvarado (Präsident von 1968 bis 1975) unternahm den Versuch, die Bodenschätze und sonstigen Reichtümer Perus in einer Weise zu entwickeln, die den durchschnittlichen Wohlstand heben, der Staatskasse Einnahmen und der Armee Schlagkraft verschaffen sollten. Seine Anerkennung des Ketschua als Verkehrssprache und die kulturelle Rückbesinnung auf das Inkareich waren sicher auch von der Hoffnung getragen, die Erfolge der Inkas auf irgendeine Art zu wiederholen und die einheimischen Reichtumsquellen sprudeln zu lassen.
Damit brachte er sowohl einheimische Eliten als auch die USA gegen seine Regierung auf. Er störte besonders in einer Zeit des „Containment“, als aller sowjetischer oder kommunistischer Einfluss durch die USA in Lateinamerika bis aus äusserste bekämpft wurde.
In seine Regierungszeit fallen die Militärputsche 1973 in Uruguay und Chile, der Tod Peróns und überhaupt Gorilla-Regimes rundherum – Velasco störte sehr und wurde 1975 durch einen Putsch abgesetzt. Er verstarb 2 Jahre später, unter seinem Nachfolger nahm Peru am Plan Cóndor teil.
Die politischen Traditionen Perus
Der Aufstand des Kaziken Condorcanqui – Tupac Amaru II beruhte auf dem „Modell“ der spanischen Kolonialverwaltung, das der indigenen Bevölkerung eine eigene (meist mestizische) Elite beliess, auf die sich dann das restliche, vom Mutterland gesteuerte Kolonialsystem stützte.Die Kaziken waren sozusagen Kollaborateure der Kolonie, die die Traditionen und Verwandtschaftsverhältnisse nutzten, um bei der eingeborenen Landbevölkerung für Ordnung, aber auch ein gewisses wirtschaftliches Gedeihen zu sorgen. Schliesslich wollte die Kolonialverwaltung mit Gütern, die Bergwerke und Hafenanlagen mit Arbeitskräften versorgt werden, und der Warentausch und Transport quer durch die Lande sollte funktionieren.
Dieses System war von den spanischen Königen und ihren Verwaltern im 16. Jahrhundert eingeführt und seither mit Modifikationen weiter beibehalten worden.
Im 18. Jahrhundert kam es jedoch zu umfassenden Verwaltungsreformen, sowohl in Spanien als auch in den Kolonien, und diese Form der Sub-Regierung geriet ins Visier der Kolonialbehörden, als eine Art Schlendrian, die der zentralen Kassa Mittel entzog und die Einheimischen begünstigte.
Der Versuch, diese beschränkte Selbstverwaltung der Kolonien zu begrenzen bzw. aufzuheben und die Kaziken durch vom Mutterland eingesetzte Beamte zu ersetzen, brachte die Mittelschicht der Kolonien in Aufruhr. Der „Grosse Aufstand“ dauerte von 1780 bis 1783, erstreckte sich über die Gebiete des heutigen südlichen Peru und Boliviens und mobilisierte einen guten Teil der Bevölkerung – auf beiden Seiten, der Aufständischen und der Obrigkeit –, bis er niedergeschlagen werden konnte und alle führend Beteiligten hingerichtet worden waren.
Dieser Aufstand enthält alle Widersprüche, die Revolutionäre und Reformer in Peru bis heute beschäftigt: Staatseigentum, Stammes- bzw. Familieneigentum, Privateigentum? Tauschhandel, Geldwirtschaft oder Requirierung? Lohnarbeit oder Zwangsarbeit (Mita)? Für welche Ziele kämpft man? Wer entscheidet und wer verteilt, und nach welchem Schlüssel?
Die 1927 in Mexiko und 1930 in Peru gegründete Partei APRA (Amerikanische revolutionäre Volksallianz) vereinte alle Unzufriedenen in Stadt und Land mit einem anfänglich ebenso umfassenden als verschwommenem Programm: gegen die USA, für Volkseigentum und Solidarität mit den Unterdrückten der ganzen Welt. Die APRA war in Peru wiederholtermassen verboten. In anderen Staaten gelang es ihr trotz ihrer gesamt-lateinamerikanischen Ausrichtung nie, sich im Parteienspektrum zu etablieren.
Während sie sich in ihren Anfängen sehr radikal gab, mässigte sie ihre Vorstellungen im Lauf der Zeit auf eine Art gemässigte europäische Sozialdemokratie und nahm Mass an den europäischen Staaten der Nachkriegszeit. Damit gewann sie zwar erstmals Wahlen, verlor aber jegliche Unterscheidungsmerkmale zu anderen Parteien und ist heute nicht mehr im Parlament vertreten.
Der Philosoph und Journalist „Amauta“ José Mariátegui distanzierte sich von der APRA und forderte eine stärkere Einbindung der indigenen Traditionen und der bäuerlichen Bevölkerung in die peruanische Gesellschaft und gründete mit anderen zusammen 1928 die Peruanische Sozialistische Partei, die sich vor allem den Kampf gegen die nach wie vor feudalen Strukturen im ländlichen Peru auf ihre Fahnen schrieb. Nach seinem Tod benannte sich die Partei in Peruanische Kommunistische Partei um.
Auf der anderen Seite trat von Seiten der Eliten der zweifache Präsident Belaúnde Terry auf den Plan, der die indianische Bevölkerung als ein einziges Hindernis für die Entwicklung Perus betrachtete. In seinem Buch „Die Eroberung Perus durch die Peruaner“ stellte er die Forderung auf, dass alle Gegenden des Landes sich als Quelle der Reichtumsproduktion zu bewähren hätten. Eingeborene, die mit dem nicht einverstanden waren, wurden als Kommunisten oder Barbaren denunziert und damit sozusagen zum Abschuss freigegeben. In Anlehnung an seinen Buchtitel waren das eben keine Peruaner und gehörten deshalb weg.
(Ähnliche Auffassungen und entsprechende Vernichtungsaktionen fanden auch in anderen Teilen Lateinamerikas statt, wie die in Uruguay erfolgte Auslöschung der eingeborenen Bevölkerung nach dem Massaker von Salcipedes 1831, die vom Präsidenten Roca veranlasste „Eroberung der Wüste“ in Argentinien 1878–1885, oder der Massenmord in El Salvador 1932. Gemeinsam ist all diesen Vorstellungen und Taten, dass die Eroberung durch die Spanier unvollständig ist, solange es noch Eingeborene gibt, die sich den europäischen Vorstellungen von Staat, Eigentum, Grundbesitz usw. widersetzen.)
Während seiner zweiten Regierungszeit – er beerbte nach einer Übergangszeit den gestürzten und indianerfreundlichen General Velasco – bildete sich die Guerillabewegung „Leuchtender Pfad“, dessen Gründer Abimael Guzmán sich auf die Überzeugung Mariáteguis „Der Marxismus−Leninismus ist der leuchtende Pfad in die Zukunft“ bezog und Anfang der 80-er Jahre im Gebirge einen von den Theorien Maos inspirierten bewaffneten Kampf gegen die Regierung begann. Der Leuchtende Pfad hatte eine grosse Anhängerschaft unter der Jugend, der indigenen Bevölkerung und in den Armenvierteln Perus und stellte um 1990 wirklich eine ernsthafte Gefahr für den peruanischen Staat dar, bis er mit einer Mischung von Repression und Zugeständnissen an die Landbevölkerung schliesslich besiegt, die Anführer verhaftet und zu lebenslangen Gefängnisstrafen verurteilt wurden.
Ganz verschwunden ist der Leuchtende Pfad aber nicht – er war seit dem Niedergang der APRA die einzige ernsthafte Opposition in Peru und seine Sympathisanten verteilen sich auf andere Parteien und verschiedene Gesellschaftsschichten. Einer davon ist Vladimir Cerrón, der Gründer der Partei „Freies Peru“ und sozusagen Königsmacher von Pedro Castillo (er selbst konnte damals aufgrund einer inzwischen aufgehobenen Verurteilung nicht kandidieren), der derzeit vorhat, zu den nächsten Präsidentenwahlen anzutreten. Derzeit optiert diese oppositionelle Strömung also für den legalen Weg. Noch.
Die USA und Peru
Im 19. Jahrhundert war Peru kaum im Blickwinkel der USA. Das einzige, das den grossen Bruder im Norden interessierte, waren die Chincha-Inseln vor der Küste Perus, von denen die die USA Guano als Kunstdünger importierten.Mit dem Erstarken der USA wurden auch südamerikanische Staaten wie Peru im 20. Jahrhundert stärker in die Einflusssphäre der USA einbezogen. Als der peruanische Präsident Bustamante die damals noch sehr antiamerikanisch und sozialistisch ausgerichtete APRA 1945 legalisierte und in die Regierung berief, unterstützten die USA 1848 seinen Sturz mittels eines Putsches durch den General Odría.
1965 unterstützten US-Berater das peruanische Militär bei der Niederschlagung der aus der APRA hervorgegangen Guerilla des MIR (Bewegung der revolutionären Linken). Dabei wurde erstmals das später im Vietnamkrieg zu trauriger Berühmtheit gelangte Napalm eingesetzt, seine Wirkungen getestet.
Als Velasco Alvarado 1968 die Macht übernahm, schrillten bei den USA die Alarmglocken. Er kaufte Waffen von der SU, verstaatlichte US-Firmen und bemühte sich um internationale Allianzen, die Peru aus der regionalen und US-Abhängigkeit lösen sollten.
Bei seinem Sturz durch das Militär 1975 beginnt auch der Aufstieg der sinistren Figur von Vladimiro Montesinos, der die School of The Americas durchlaufen und dann im peruanischen Militär Karriere gemacht hatte. Später sorgte er für die Einbindung Perus in den kolumbianischen Drogenhandel zur Finanzierung diverser nichtöffentlicher Aktivitäten und wurde zum Königsmacher des Präsidenten Fujimori (Regierung von 1990-2000).
Beide sitzen inzwischen in peruanischen Gefängnissen – mit unklarem Einfluss auf die Politik Perus.