Gleich nach der Machtübernahme, in ihrer ersten Amtswoche, hat die Trump-Administration alle Gleichstellungsprogramme (DEI – Diversity, Equity and Inclusion) abgeschafft und ein Denunziationssystem in der US-Verwaltung eingeführt.[1] Nicht nur sind nun alle Programme, die Minderheiten eine grössere Repräsentanz im Staatsapparat verschaffen sollten, ersatzlos gestrichen worden. Das Weisse Haus hat zugleich eine Mailadresse einrichten lassen, bei der Denunzianten Vorfälle melden können, bei denen die neuen Regelungen „umgangen“ werden, wie es die New York Times (NYT) formulierte.
Was bedeutet das konkret? Die bei der rassistischen US-Rechten verhassten DEI-Programme liefen im Endeffekt darauf hinaus, bei Bewerbungen den Kandidaten sozial benachteiligter oder unterrepräsentierter Minderheiten den Vorzug zu geben, sofern sie die gleichen Qualifikationen wie ihre Mitbewerber aufwiesen. Sollte dies weiterhin passieren, dann könnte dies als eine Fortführung der DEI-Massnahmen interpretiert werden, was unterlegene Bewerber dazu veranlassen könnte, dies der Trump-Administration zu melden. Im Endeffekt bedeutet dies, dass es für die Entscheidungsträger in der öffentlichen Verwaltung und im Staatsapparat der USA sicherer ist, künftig weisse Männer einzustellen, um sich nicht dem karriereschädlichen Vorwurf „woker“ Umtriebe auszusetzen.
Es ist eine nur flüchtig getarnte rassistische Regelung, die die Dominanz des weissen Amerika in dessen Machtapparat ausbauen soll. Zugleich wird eine rassistisch grundierte Atmosphäre der wechselseitigen Denunziation und Verdächtigung geschaffen, wie sie der Kontrolle grosser Machtapparate förderlich ist. Anfang Februar sind im Netz Listen mit „Zielen“ im öffentlichen Dienst publiziert wurden, auf denen Namen und Fotos von vornehmlich schwarzen Angestellten des öffentlichen Dienstes im Gesundheitssektor zu finden sind, die „woker“ Gedankenverbrechen beschuldigt werden, wie der Benutzung von Pronomen, der Unterstützung der Demokraten, oder der Mitarbeit bei DEI. Es ist unklar, woher diese rechten Denunziationsseiten (“DEI Watch List”) ihre Informationen beziehen.[2] Der Kampf gegen die „woken“ DEI-Massnahmen fungiert als vielseitiges ideologisches Vehikel für die Rückkehr des Rassismus – und der Klimaleugnung. Inzwischen hat das Weisse Haus in Reaktion auf Klima-Katastrophen (Feuer in Los Angeles) und Unfälle (Flugzeugkollision in Washington) sogar das Narrativ etabliert, hierfür die DEI Programme verantwortlich zu machen.
Alles muss raus!
Oberflächlich betrachtet, wollen Trump und Musk eine Extremform neoliberaler Kürzungspolitik durchsetzen. Das von Elon Musk in einer rechtlichen Grauzone[3] geleitete orwellsche Konstrukt des „Büros für Regierungseffizienz“ (DOGE) will den US-Haushalt, der sich 2024 auf 6,7 Billionen Dollar summierte, um zwei Billionen Dollar kürzen. Hierzu hat die Trump-Administration an alle 2,3 Millionen Angestellten des öffentlichen Diensts Mails verschickt, in denen sie aufgefordert werden, „Jobs mit höherer Produktivität“ zu suchen und bis zum 06. Februar eine Abfindung anzunehmen, die eine Lohnfortzahlung bis September 2025 vorsieht.[4] Kurz vor dem Ablauf der Frist haben nur 20 000 Angestellte dieser Regelung zugestimmt.[5] In einem ersten Schritt sollen zehn Prozent der Stellen im öffentlichen Dienst – mehr als 200 000 Arbeitsplätze – wegfallen, was auf harte Auseinandersetzungen in den kommenden Monaten hindeutet, die der Trump-Administration weitere Gelegenheiten zur reaktionären Politisierung des schrumpfenden Staatsapparates verschaffen dürften.Ins Fadenkreuz des reichsten Mannes der Welt geriet auch die Hilfsorganisation der USA, USAID, die Elon Musk als ein „Vipernnest von Linksradikalen und Marxisten“ bezeichnete.[6] USAID fungierte jahrzehntelang nicht nur als humanitäre Hilfsorganisation, hierdurch wurden auch global US-Interessen im Rahmen des üblichen „Soft-Power“ Ansatzes flankiert. Hierauf wollen die Imperialisten im Weissen Haus künftig offenbar verzichten. Nahezu alle 10 000 Angestellten der Hilfsorganisation der US-Regierung sind entlassen worden, die meisten Programme in Entwicklungsländern wurden eingestellt.[7] Das US-Aussenministerium wird nur noch wenige ausgesuchte Hilfsprogramme direkt kontrollieren und leiten.[8] Überdies haben rund 60 Vorfeldorganisationen der US-Aussenpolitik ihre Finanzierung verloren, die mit der Förderung zivilgesellschaftlicher und demokratischer Strukturen in autoritären Staaten wie China, Russland, Iran oder Ungarn beschäftigt seien, so die NYT.[9] Insbesondere der ungarische Machthaber Viktor Orban – dem Mitte September eine Audienz bei Trump gewährt wurde – habe diese Projekte vehement kritisiert.
Ein weiteres Prioritätsziel der Trump-Administration ist der Bildungssektor und das Bildungsministerium, dem faktisch die Finanzierung weitgehend entzogen werden soll – nicht, dass es noch grossartig nötig wäre. Demnach sollen dem Bildungsministerium (Education Department) nicht nur die Gelder gestrichen werden, zudem ist geplant, alle seine Funktionen, die „nicht explizit in seinem Statut festgeschrieben“ seien, auf andere Ministerien zu verteilen, berichteten US-Medien.[10] Schon Ende Februar soll es soweit sein. Neben angeblichen Sparzwängen scheinen vor allem Programme der Biden-Administration zur Gleichstellung und Toleranz im Bildungswesen dieses Vorgehen zu motivieren. Trump scheint hier einen grundlegenden, autoritär-reaktionären Neuanfang zu suchen.
Auch die US-Universitäten, denen oftmals ein liberaler Ruf anhaftet, geraten bereis ins Fadenkreuz der Trump-Administration. Hunderte von Millionen an Staatsgeldern stehen auf der Abschussliste, sodass Universitätsleitungen es vermeiden, öffentlich Kritik an der bisherigen Revision von Gleichstellungsprogrammen zu üben. Professoren und Universitätsleitungen zögen es vor, „den Präsidenten nicht zu provozieren“, so die NYT, da die Finanzschrauben bereits angezogen würden.[11]
Finger am Gelddrücker
Den bisher grössten Coup landete Elon Musk in seiner Funktion als „besonderer Regierungsangestellter“ (so die offizielle Bezeichnung des Weissen Hauses für den Oligarchen) bei seinem Angriff auf das Zahlungssystem des Finanzministeriums, das einen Grossteil des Zahlungsverkehrs der USA abwickelt.[12] Das sogenannte Bureau of the Fiscal Service ist ein bloss ausführendes Organ, das von Beamten geleitet wird, die nicht politisch ernannt werden. Hier werden nahezu 90 Prozent aller Zahlungen der Bundesregierung abgewickelt, etwa bei Sozialprogrammen oder Steuerrückzahlungen. Hier sind Daten von mehr als 100 Millionen US-Bürgern und den meisten Regierungsangestellten gespeichert, auf die bislang nur eine „Handvoll nicht-politischer Spitzenbeamter“ Zugang hatte, so der Independent.[13]Doch nun konnte Musk mittels seines DOGE-Konstrukts und unter Rückendeckung des Trump- Finanzministeriums Zugang zu dem Datenstrom erhalten, wobei es dem Oligarchen nicht so sehr um eine effiziente Zahlungsabwicklung zu gehen scheint, sondern um dessen Kontrolle und etwaige Zahlungsblockaden. Hierbei würde schlicht der Kongress, der die legislative Grundlage für das Zahlungsbüro liefert, von der Trump-Administration ausgehebelt. Schon seit Dezember wollte Musk den Zugang zum Zahlungssystem erhalten, was ihm von dem nun zurückgetretenen Leiter verweigert wurde, wobei sein Team insbesondere die Möglichkeiten von Zahlungsstopps auslotete. Bei Auseinandersetzungen mit widerspenstigen Teilen des Staatsapparates, bei Repressionen gegen „ideologische Feinde“, wie es der Rolling Stone formulierte,[14] sitzt die Trump Administration samt ihres Oligarchen nun am Gelddrücker. Wer nicht spurt, dem wird – ganz unbürokratisch – der Geldhahn abgedreht.
Wenn das Vorgehen Musks an Oligarchien, wie die Ukraine oder Russland, erinnert,[15] wo es üblich ist, staatliche Machtmittel zur Durchsetzung von Partikularinteressen zu missbrauchen, dann liegt dies daran, dass der Spätkapitalismus in den Vereinigten Staaten im Rahmen der krisenbedingten Verrohung in sein oligarchisches Stadium eintritt. Inzwischen sind etliche Klagen gegen dieses Vorgehen der – nun ja – Regierung Trump angestrengt worden,[16] doch werden diese Verfahren in einem Justizapparat ausgetragen werden, der seit vielen Jahren gezielt von den Republikanern und rechten Gruppen mittels politischer Ernennungskampagnen unterwandert worden ist.[17] Der stramm rechte Oberste Gerichtshof, der schon mal vorsorglich Trump eine generelle Immunität für seine zweite Amtsperiode[18] gewährte, bildet nur die Spitze des reaktionären Eisberges im Justizsystem. Und gerade hier wird über viele der Vorhaben der Trump-Administration entschieden werden, die ja in einer rechtlichen Grauzone ablaufen. Deswegen bemühte sich die Biden-Administration, noch bis Ende 2024 möglichst viele Richterposten zu besetzen, um der rechten Offensive im kommenden Justizkrieg etwas entgegenzusetzen.[19]
Kampf um den „Tiefen Staat“
Der Kampf gegen den sogenannten „tiefen Staat“, gegen informelle Netzwerke in den Machtministerien, den Trump sich auf die Fahnen geschrieben hat,[20] bildet eine klassische rechte Projektion.[21] Die US-Rechte will im Zuge ihres faschistischen Anlaufs den „tiefen Staat“ übernehmen, ihn notfalls erst aufbauen, um mit dessen Hilfe nie wieder die Macht abgeben zu müssen. Hierzu dienen gerade die Angriffe der Trump-Administration auf das FBI und die CIA. Es geht nicht darum, diese Staatsorgane zu zerstören oder zu schwächen, wie etwa das Bildungsministerium oder USAID. Trump will sie – auch dies ein Charakteristikum oligarchischer, autoritärer Systeme – zu seinen persönlichen Machtmitteln zurichten.Der kapitalistische Rechtsstaat steht praktisch auf der Kippe. Die durch den Staat und Justizapparat vermittelte, subjektlose Form kapitalistischer Herrschaft, wie sie FBI und CIA im In- und Ausland exekutierten, degeneriert so zur potenziellen Beute partikularer Interessen. Welcher Oligarch gewinnt mittels Milliardeneinsatz die nächsten „Wahlen“, um seine Interessen vermittels FBI und CIA durchzudrücken? Diese Zukunft droht den USA, sollte sich Trump bei seinem Griff nach dem „Tiefen Staat“ durchsetzen. Die Unterdrückung etwaiger Oppositionsbewegungen durch den hochgezüchteten, militarisierten Repressionsapparat der Vereinigten Staaten wäre – losgelöst von rechtsstaatlichen Rücksichten – nahezu lückenlos möglich.
Trump plant eine umfassende Säuberungswelle im FBI, bei der vor allem jene FBI-Beamte auf Abschusslisten stehen, die gegen Trump und seine Anhängerschaft ermittelten. Die rechte „Cancel Culture“ zielt auf alle, die als disloyal erscheinen. Auch hierbei wird formell von „Kürzungen“ gesprochen,[22] denen bereits sechs Führungsfiguren des FBI zum Opfer fielen.[23] Die Säuberungen könnten „Hunderte, wenn nicht Tausende“ Agenten treffen, so US-Medien.[24] Jeder FBI-Ermittler, der an den Ermittlungen nach dem versuchten Staatsstreich Trumps im Januar 2021 beteiligt war, ist faktisch gefährdet. Inzwischen haben FBI-Leute gar die Gerichte bemüht, um im Eilverfahren per Gerichtsbeschluss der Trump-Administration den Zugang zu ihren Identitäten zu verwehren.[25]
Bei der CIA, die aufgrund seiner Vorliebe für Despoten ein angespanntes Verhältnis zu Trump hat, sind hingegen die üblichen Drohmails mit Abfindungsangeboten verschickt worden – dies galt ausnahmslos für alle CIA-Leute.[26] Die CIA solle durch diese Vorgehensweise auf Linie mit den Zielen der neuen Administration gebracht werden, erklärte ein Sprecher des berüchtigten Nachrichtendienstes. Schon im November 2024 warnten CIA-Insider davor, dass Trump den Nachrichtendienst politisieren und zur persönlichen „Waffe“ transformieren wolle, um sie etwa rechtswidrig gegen politische Gegner einzusetzen.[27] Musks Imperium ist ohnehin eng verflochten mit dem Staatsapparat der USA, etwa bei Raumfahrtprogrammen und bei den Nachrichtendiensten.[28]
Guantanamo für Migranten
Diese Trump-Kampagne, bei der in faschistischer Tradition die Gewaltenteilung und alle „Checks and Balances“ des politischen Systems der USA ausgehöhlt werden sollen, läuft vor dem Hintergrund umfassender Deportationen von Migranten durch die neue Administration. Die Polizei- und Zollbehörde des Ministeriums für Innere Sicherheit der USA (United States Immigration and Customs Enforcement – ICE) wurde Ende Januar instruiert, eine tägliche Verhaftungsquote von 1200 bis 1500 „illegalen“ Migranten zu erreichen.[29] Länder wie Kolumbien, die sich weigerten, Abschiebeflügen aus den Vereinigten Staaten Landegenehmigungen zu erteilen, wurden von Washington mit Sanktionsdrohungen belegt und auf Linie gebracht. Ähnliches gilt für Mexiko, das nach umfassenden US-Sanktionen, die von Trump für einen Monat ausgesetzt worden sind, rund 10 000 Soldaten an die Grenze verlegt, um diese abzusichern. Die Trump-Administration lässt ebenfalls Einheiten der Armee und der Marines an die Südgrenze verlegen.[30]Die Migrantenjagd der Zollbehörde ICE, die von grossen Teilen der US-Bevölkerung befürwortet wird,[31] gestaltet sich inzwischen zu erfolgreich:[32] Anfang Februar mussten internierte Migranten mitunter freigelassen werden, weil die Gefangenensammelstellen überfüllt waren.[33] Doch auch hierfür scheint die Trump-Administration eine Lösung gefunden zu haben. Die berüchtigte Militärbasis auf Guantanamo, die beim „Krieg gegen den Terror“ als ein Internierungs- und Folterzentrum für islamistische Terroristen diente, soll zu einem – nun ja – Konzentrationslager für all die von der ICE festgesetzten Migranten dienen, die nicht einfach abgeschoben werden können. Die Aufnahmekapazität dieses Lagers soll bis zu 30 000 Menschen betragen.[34]