Und es ist gerade diese reaktionäre Idee, am Bestehenden auch angesichts der weiter prozessierenden kapitalistischen Krisendynamik festzuhalten zu wollen, die dem Faschismus Auftrieb verschafft. Biden als der gross gepriesene Washingtoner „Dealmaker“, der Kompromisse auszuhandeln verstehe, konnte kaum etwas von seinen ohnehin inadäquaten Reformprojekten durchsetzen, während die Inflation weiten Teilen der demokratischen Wählerschaft die Luft abschnürte.[4] Der Green New Deal und die postulierte ökologische Transformation der USA – sie sind angesichts des Abgrunds zwischen ökologischer Notwendigkeit und politischer Durchsetzbarkeit ein schlechter Witz geblieben.[5] Eine Reduzierung der krisenbedingt zunehmenden sozialen Spaltung der USA findet nicht statt, das private Gesundheitssystem bleibt dysfunktional, die Obdachlosigkeit erreicht Höchststände, die Lebenshaltungskosten steigen weiter an, die Infrastruktur bleibt weitgehend marode.
Biden sorgte tatsächlich dafür, dass sich nichts grundlegend änderte. Insofern vollführte die seie Administration durchaus einen letzten neoliberalen Veitstanz auf einem brodelnden Krisenvulkan,[6] wobei alle Abweichungen von der neoliberalen Orthodoxie – vor allem hinsichtlich der eingeleiteten protektionistischen Deglobalisierung[7] – eigentlich nur den Boden bereiteten für die grosse autoritäre Wende, die nun ansteht. Und dennoch gestaltet sich die spätkapitalistische Krisenrealität noch weitaus krasser als die überzogensten Karikaturen oder Satiren der vergangenen Jahre.
Was bei Amtsantritt Bidens 2020 nicht zu erwarten war, war die Bereitschaft der Demokratischen Partei, das Gaslighting bezüglich des geistigen Zustands ihres Präsidenten bis zum bitteren Ende zu treiben. Joe Biden war schon während des Wahlkampfs 2020 nicht mehr im Vollbesitz seiner geistigen und kognitiven Kräfte, er wurde als „creepy-“ oder „sleepy Joe“ verspottet – bis er es aufgrund exzellenter Vernetzung in der US-Politmaschine schaffte, den linken Altsozialdemokraten Sanders als Präsidentschaftskandidaten zu verhindern, um im amerikanischen Demenzwahlkampf von 2020 den beeindruckend unbeliebten Trump zu schlagen,[8] gegen den damals ein jeder handelsübliche Toaster hätte gewinnen können. Die Präsidentschaft Joe Bidens kann somit als eine Leistungsschau der spätkapitalistischen Gesundheitsindustrie interpretiert werden, deren Spitzenprodukte es vermochten, den tatterigen Präsidenten über vier lange Jahre weitestgehend präsentabel zu halten, während die Meinungsindustrie es bei ihrem Gaslighting mit orwellscher Gründlichkeit vermochte, das Offensichtliche zu tabuisieren – dass da jemand im Weissen Haus residiert, der kaum noch einen Posten als Pförtner ergattern könnte, da er immer öfter mit der korrekten Wahrnehmung der Raumzeit überfordert ist.[9]
USA als neue Sowjetunion?
In den vier Jahren seiner Präsidentschaft wurde auch kein Nachfolger aufgebaut. Denn Joe Biden war bequem – es änderte sich nichts fundamental, die mächtigen Lobbygruppen in der Washingtoner Politmaschine konnten sicher sein, dass die Biden-Administration trotz der munter voranschreitenden sozioökologischen Systemkrise keine ernsthaften Auseinandersetzungen wagen würde. Von der Fracking-Industrie bis zur Gesundheits-Branche: Biden – dessen „Verdienst“ darin bestand, Sanders verhindert zu haben – war eine sichere Politwette.Joe Bidens Präsidentschaft machte vor allem klar, dass die komplexen Politmaschinen der spätkapitalistischen Zentrumsstaaten auch ohne Führungsfigur weitgehend funktionieren können – einzig in historischen Umbruchsituationen, bei der Frage von Krieg und Frieden, wie während der Kubakrise 1962, können einzelne starke Führungsfiguren tatsächlich historische Weichenstellungen machen. Insofern kann mensch schon von Glück sprechen, dass die Welt die vier Jahre der Biden-Präsidentschaft samt Ukraine-Krieg ohne Weltkrieg überstanden hat.
Sleepy Joe war sozusagen der Leonid Breschnew[10] des in offene Auflösung übergehenden spätkapitalistischen Weltsystems; ein verlässliches, bequemes Urgestein der US-Politkaste, in dessen Siechtum sich die letale Krise des an seine inneren, historischen Entfaltungsschranken stossenden Kapitals spiegelt. Die Parallelen zwischen dem gegenwärtigen spätkapitalistischen Weltsystem und der Stagnation der Sowjetunion in den 1980ern, wie sie der Krisentheoretiker Robert Kurz in seinem Werk Der Kollaps der Modernisierung[11] schon in den 90ern hellsichtig beschrieb, sind längst evident.
Doch während die alten Männer der sowjetischen Nomenklatura es zumindest soweit brachten, einen jugendlich und dynamisch wirkenden Staats- und Parteichef zu produzieren, der spektakulär an der Reform des maroden Staatskapitalismus osteuropäischer Prägung scheiterte, bringt der Spätkapitalismus nur noch einen faschistischen Terrorclown wie Donald Trump hervor, der diesmal wirklich demokratisch – mit der tatsächlichen Stimmenmehrheit – gewählt wurde. Der politische Borderliner Donald Trump[12] – der zugleich die Klimakrise leugnen und das ressourcenreiche Grönland aufgrund der rasch tauenden Eisdecke in der Arktis fordern kann – verkörpert die ganze Irrationalität, die Todessehnsucht des Kapitals in seiner Agonie. Konfrontiert mit den eigenen, sich immer stärker zuspitzenden Widersprüchen, gibt es für das Kapital und die extreme Rechte als dessen Krisenexekutor nur den Exzess, die Flucht nach vorn. Es ist die Flucht in den Abgrund.
Der demokratische Weg in die Postdemokratie
Trump ist der personifizierte Apokalypse-Trip – doch befinden sich die US-Funktionseliten schon seit 2020 auf dem Weg in die Katastrophe eines chaotischen Zusammenbruchs der Wertvergesellschaftung.[13] Die biedere sozialdemokratische Argumentation eines Bernie Sanders, dass sich vieles ändern müsse, um schwerste soziale Verwerfungen zu verhindern, ist schon zu viel gewesen. An der Durchsetzung eines neuen New Deal, den noch Roosevelt in der präfordistischen Durchsetzungskrise der 1930er realisieren konnte, musste Bernie Sanders 2020 scheitern. Das liegt nicht nur an den vier Dekaden neoliberaler Indoktrination und Hegemonie, die dem schicksalsträchtigen demokratischen Vorwahlkampf 2020[14] vorhergingen. Ein Green New Deal wäre schlicht nicht genug gewesen, es wäre nur ein erster Schritt, um der sozioökologischen Krise des Kapitals zu begegnen. Der Altsozialdemokrat Sanders hätte aber eine andere, transformatorische Dynamik initiieren können – und eben dies jagte dem US-Geldadel und dessen Politelite eine Heidenangst ein.Letztendlich ging es beim Vorwahlkampf 2020 um einen Weg in eine Systemtransformation, um der kapitalistischen Systemkrise begegnen zu können – instinktiv spürten das auch die Funktionseliten in den USA, gerade in der Demokratischen Partei. Und eben gerade deswegen konnte Joe Biden sehr schnell die Reihen hinter sich schliessen, indem er – wie eingangs erwähnt – schlicht versprach, dass nichts sich ändern würde. Genau dies wollten die wichtigsten Kapitalfraktionen in den Vereinigten Staaten hören. Und genau dies motivierte alle relevanten Parteiflügel der Demokraten, in einer gemeinsamen Anstrengung Sanders zu verhindern – auch wenn ein geistig rasch abbauender Joe Biden der Preis dafür sein musste.[15] Die Krise des Kapitals lässt sich aber nicht durch Intrigen und Manipulationen bei Präsidentschaftsvorwahlen aufhalten. Nachdem die Demokraten einen progressiven Weg der Krisenbearbeitung verhindert hatten, schlug das Pendel abermals in Richtung Rechtspopulismus und blanker faschistischer Krisenideologie aus. Gerade weil das – nun ja[16] – „Team Biden“ tatsächlich nichts substanziell verändern wollte.
Doch es wird sich alles ändern, da das Kapital als fetischistischer Prozess uferloser Selbstverwertung an sich selbst zugrunde geht. Wie gesagt, die Altmännerriege im Kreml der 80er-Jahre war weiter in der Einsicht notwendiger tiefgreifende Reformen gediehen, als die permanent um Sponsorengelder bettelnden Politunternehmer in Washington. Offen war aber, wie dieser Transformationsprozess in den USA verlaufen wird. Und die demokratische Blockade eines fortschrittlichen Wegs in die weitere Krisenbearbeitung in den Vereinigten Staaten sorgte dafür, dass nun die faschistische Option zur Entfaltung gelangen wird. Es liesse sich gar argumentieren, dass schon die erste Präsidentschaft Trumps die Demokratische Partei irreversibel geschädigt hat. Alle progressiven politischen Forderungen, alle Reformversprechen, die noch 2020 Sanders gemacht wurden, mussten sich der Maxime beugen, Trump abermals zu verhindern. Und dies bedeutete, sich immer stärker der Rhetorik der Rechten anzunähern. Die Demokratische Partei hat auch keinen nennenswerten Vorwahlkampf um die Aufstellung eines Alternativkandidaten zum zunehmend senil wirkenden Joe Biden durchgeführt. Die panisch in der heissen Wahlkampfphase aus der zweiten Reihe hervorgekramte Kamala Harris, der hohle Shooting-Star des vereinten linksliberalen Stumpfsinns beiderseits des Atlantiks, bot keine Alternative, da sie rechts von Joe Biden stand. Ihre wirtschaftspolitische Agenda wurde massgeblich von der Wallstreet geformt.[17] Deswegen hing ja auch der Altsozialdemokrat Sanders so lange an dem greisen Präsidenten[18] – Biden war das Maximum dessen, was an progressiver Politik möglich war in der spätkapitalistischen Washingtoner Politmaschine.
Neue oligarchische Normalitäten
Die zweite Präsidentschaft Trumps wird keine blosse Wiederholung der Shitshow während seiner ersten Amtszeit sein. Es scheint sicher, dass die Grundlagen der amerikanischen Demokratie – selbst in ihrem gegenwärtigen, fassadenartigen, quasi postdemokratischen Zustand – in den kommenden vier Jahren weiter erodieren werden, um autoritär-oligarchischen, genuin faschistoiden Tendenzen Platz zu machen. Die Grundlage des Politbetriebs in Washington bestand bislang tatsächlich in der Rechtsstaatlichkeit. Konkret bedeutet dies, dass Lobbys – je finanzkräftiger, desto einflussreicher – Einfluss auf die Gesetzgebung ausüben, um die entsprechenden, dem spezifischen Verwertungsinteresse förderlichen, rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen.An die Stelle des kapitalistischen Rechtsstaates, der immer auch als idealer Gesamtkapitalist fungieren muss (auch wenn dieses systemstabilisierende Moment im neoliberalen Zeitalter zunehmend in den Hintergrund trat), wird das oligarchische Machtprinzip treten. Hierbei handelt es sich um eine durch die Krisendynamik beförderte Verwilderungsform kapitalistischer Herrschaft, wie sie auch in vielen Ländern der Semiperipherie des kapitalistischen Weltsystems – etwa in Russland oder der Ukraine – zu finden ist. An die Stelle des Kampfes um die Gesetzgebung treten persönliche Bekanntschaft, Seilschaften, in rechtlichen Grauzonen operierende Rackets und Machtblöcke, die um Machtpositionen und Zugang zu staatlichen oder öffentlichen Machtmitteln kämpfen. Der Staat degeneriert dabei zur Beute eben dieser Rackets, seine Machtmittel werden für Partikularinteressen direkt instrumentalisiert, etwa beim Kampf um ökonomischer Pfründe, wie es gerade im postsowjetischen Raum üblich war und ist.
Somit gehen staatliche Erosion und autoritäre Formierung innerhalb der faschistischen Krisendynamik im 21. Jahrhundert Hand in Hand – es sind zwei Seiten ein und desselben Prozesses krisenbedingter Verwilderung, sobald progressive, ins bewusst Transformatorische weisende Krisenreaktionen unterdrückt worden sind. Und eben dies ist in den USA gerade in aller – mitunter schlicht lächerlichen – Eindeutigkeit zu beobachten. Dies gilt nicht nur für den rechtsextremen Milliardär Elon Musk, der – Trump nicht unähnlich – in seinen borderlinehaften Charakterzügen die immer offener zutage tretende Irrationalität des Kapitalverhältnisses in seiner Dauerkrise personifiziert.
Musk ist aber auch oligarchische Avantgarde. Künftige US-Wahlkämpfer werden kaum noch auf solche Sponsoren oder Akteure verzichten können, die nicht mehr über den Umweg von Spendenkampagnen, oder politischen Aktionskomitees (PAC) intervenieren, sondern direkt ihre Kandidaten – mitunter durch schlichte Geldgeschenke an Wähler – “unterstützen”.[19] Gleich nach der Wahl ging Musk dazu über, von den USA aus populistische oder extreme Rechte Kräfte zu unterstützen und nach seinen Vorstellungen zu formen, etwa durch Interventionen in Grossbritannien, oder durch Wahlkampfunterstützung für die AfD. Ein perfekter Sturm kündigt sich an, bei dem Washington mit all seinen Machtmitteln zum Förderer rechtspopulistischer oder gar faschistischer Bewegungen im krisengebeutelten Europa oder – abermals – in Lateinamerika mutiert.
Dabei sei Musk nur die prominente Führungsfigur einer „Allianz von Oligarchen“, die sich um Trump gebildet habe, wie es die New York Times (NYT) Mitte Januar formulierte.[20] Jeff Bezos (Amazon), Mark Zuckerberg (Meta/Facebook), Tim Cook (Apple), Sundar Pichai (Google/Alphabet) haben Trump bereits ihre Aufwartung bei Audienzen in Mar-a-Lago gemacht. Die Milliardäre hätten erkannt, dass sich fortan „die Regeln ändern“ werden – und sie „signalisierten ihre Bereitschaft, ihnen zu folgen“, so die NYT. Die Gunst des labilen 78-jährigen Egomanen an der Staatsspitze ist nun entscheidend, um nicht ins Visier des Staates zu geraten.
Die ersten Unterwerfungsgesten – mit denen Gunst des Mad King im Weissen Haus erworben werden soll – erfolgten mitunter schon vor der Wahl Trumps. Reihenweise werden Programme zur Förderung von Minderheiten bei US-Konzernen eingestellt – nicht nur bei Facebook. Microsoft tat dies in weiser Voraussicht schon Mitte 2024.[21] Die Milliardäre, denen die liberalen Zeitungen Washington Post und die Los Angeles Times gehören, verhinderten in der heissen Wahlkampfphase Wahlempfehlungen für Harris. Nach der Wahl spendete Tim Cook eine Million Dollar für die Wahlparty Trumps. Der Disney-Konzern spendete vermittelt seines Fernsehsenders ABC News rund 15 Millionen Dollar für eine Trump-Stiftung und ein künftiges Trump-Präsidentschaftsmuseum. Zuckerberg liess die – ohnehin symbolischen – Faktenchecks bei Facebooks entfernen, um seine sozialen Netzwerke für massenhafte rechte Hetze nicht nur in Wahlkampfzeiten, sondern ganzjährig zu öffnen. Und nur die IT-Götter in der Google-Chefetage dürften wissen, welche Modifikationen der heiligen Algorithmen, die den Puls des Netzes steuern, in Reaktion auf den Wahlsieg Trumps vorgenommen worden sind. Amazon wiederum soll 40 Millionen Dollar für eine Reportage von- und über Trumps Gattin Melania Trump lockergemacht haben.
Nihil Obstat
Klingt nach einer abgefuckten Oligarchie, nach etwas, was in Russland, in Turkmenistan oder in der Türkei üblich ist? Genau. Dabei handeln die US-Oligarchen aus Einsicht in die Notwendigkeit, denn es steht kaum etwas der autoritären Transformation des US-Staates entgegen. Es ist nicht mal massgebend, dass die Republikaner derzeit eine Mehrheit im Repräsentantenhaus wie im Senat halten, und somit die parlamentarischen “Checks and Balances” kaum noch gegeben sind, die das politische System der USA charakterisierten. Entscheidend ist das, was sich innerhalb der US-Justiz in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten abspielte.In der US-Judikative tobte ein regelrechter Justizkrieg um die Benennung einflussreicher Richterposten, bei dem straff organisierte, “konservative” Gruppierungen wie die Federalist Society es vermochten, ihre mitunter rechtsextremen Kandidaten in viele Schlüsselpositionen im Justizapparat zu hieven.[22] Die rechte Mehrheit im Obersten Gericht der USA bildet somit nur die Spitze des Eisbergs: Die mythologisierte US-Verfassung – ein vor rund 250 Jahren verfasstes, mit unzähligen Ergänzungen versehenes Schriftstück – bietet der rechten Mehrheit im obersten Gericht einen weiten Interpretationsspielraum, um die Faschisierung der USA juristisch zu flankieren.
Verhängnisvoll ist diese reaktionäre Politisierung der US-Justiz gerade deswegen, weil die reaktionären und autoritären innenpolitischen Vorhaben der Trump-Administration, die faktisch die Faschisierung der USA beschleunigen werden, in einer rechtlichen Grauzone angesiedelt sind. Vieles von dem, was Washington in kommenden Jahren durchzusetzen gedenkt, wird schlicht vor Gericht entschieden werden – letztendlich vor dem Obersten Gerichtshof, der schon mal nachträglich – und vorsorglich? – dem Präsidenten nahezu allumfassende Immunität hinsichtlich seiner Umsturzpläne nach seiner Wahlniederlage 2020 zugesichert hat.[23] Ohne den Obersten Gerichtshof wäre Trump gar nicht in der Lage gewesen, bei den Wahlen anzutreten.[24] Die Grundzüge der intendierten Faschisierung der USA während der zweiten Regentschaft Trumps sind hinlänglich bekannt. Das von ultrarechten Zusammenhängen und Denkfabriken entworfene Projekt 2025 wurde während des Wahlkampfes skandalisiert, da es faktisch auf die Abschaffung der Gewaltenteilung, eine Entgrenzung der Machtstellung des Präsidenten und eine Säuberung samt anschliessender Politisierung des US-Staatsapparates entlang christlich-nationalistischer Ideologie abzielt, sodass Trump sich im Wahlkampf öffentlich davon distanzieren musste. Doch nur wenige Wochen nach der Wahl lobte der angehende Präsident[25] die reaktionäre Agenda. Inzwischen sind etliche Figuren aus eben den rechten Netzwerken um Projekt 2025 von Trump in seine Administration geholt worden[26] – während die US-Medien nun, wohl aus Selbsterhaltungstrieb, das einstige heisse Wahlkampfthema und den Skandal meiden.
Trump wird jetzt schon von Teilen des Medienmainstreams normalisiert. Es gibt in den USA derzeit keine breite politische Oppositionsbewegung, die Demokraten sind kollabiert, die Medien versuchen, sich mit der neuen rechten Macht zu arrangieren, die Wirtschaft kann sowieso mit Trump eher leben als mit Sanders.[27] Nichts steht der Faschisierung der USA entgegen, die zuerst – wie üblich – die Migranten, Flüchtlinge und Minderheiten treffen wird. Trumps angedrohte Massendeportationen dürften die erste grosse Auseinandersetzung um die Faschisierung der USA bilden. Der Kampf der US-Rechten gegen Programme zur Gleichstellung von Minderheiten wird zudem den Rassismus weiter entfachen.
Die zweite Präsidentschaft Trump scheint auch rassistische Bestrebungen zu befördern, die Dominanz des „Weissen Amerika“ angesichts der demografischen Veränderungen der letzten Dekaden wiederherzustellen – deswegen die Überlegungen der Rechten, das Bürgerschaftsrecht zu verändern, etwa den in den USA geborenen Migrantenkindern die Staatsbürgerschaft abzuerkennen, deswegen das debile Gerede eines Elon Musk von der „demografischen Krise“ in einer Welt, die weiterhin ein Bevölkerungswachstum aufweist – wohl ein Erbe seiner Sozialisierung im Südafrika des demografisch fixierten Burenrassismus. Musk meint damit die weisse Bevölkerung der nördlichen Metropolen oder von Zentrumsstaaten wie Japan.
Der Rassismus – gerade im militarisierten Polizeiapparat der Vereinigten Staaten – könnte auch während der zweiten Amtszeit Trumps zu Unruhen und breiten Aufständen führen. Doch scheint diesmal die US-Rechte bereit, auch mit extralegalen Mitteln gegen Proteste vorzugehen. Der rechte Milizionär Kyle Rittenhouse hat im August 2020 bei Protesten gegen Polizeitötungen zwei Demonstranten in Kenosha, Wisconsin getötet. Dafür ist er vor Gericht freigesprochen, von konservativen Medien zur Symbolfigur erhoben und von Donald Trump mit einer Audienz beehrt worden. Aufstände – wie sie im Frühjahr 2020 die USA erschütterten – dürften sich während der zweiten Präsidentschaft Trumps viel stärker mit straff organisierter rechtsextremer Gewalt konfrontiert sehen. Die Staatserosion – exekutiert durch Racketkämpfe um Machtmittel des sich autoritär transformierenden Staates – wird folglich mit einem Bedeutungszuwachs des traditionellen amerikanischen Milizwesens einhergehen.
Doch, und auch das liegt offen auf der Hand, wird es die hartnäckig ignorierte Krise des Kapitals sein, die insbesondere in ihrer ökologischen Dimension die Präsidentschaft Trumps destabilisieren muss. Zum einen ist es inzwischen soweit: die sich zuspitzende kapitalistische Klimakrise ist ein zentraler Faktor, der die Lebensmittelinflation immer stärker antreibt, unter der nicht nur arme und prekarisierte Bevölkerungsschichten leiden. Trump konnte gerade grosse Teile der absturzgefährdeten US-Mittelklasse mit seinen Versprechen gewinnen, die galoppierenden Preise für Nahrungsmittel und Lebenshaltungskosten zu senken, die dem – nun ja – „Team Biden“ viele Stimmen kosteten. Trump kann diesen Preisdruck nicht aus der Luft schaffen. Mittelfristig, eher in Jahren als Jahrzehnten, wird die Klimakrise die Ernährungssicherheit grosser Bevölkerungskreise auch in den Zentren des Weltsystems bedrohen. Und dagegen hilft kein rechtes Schattenboxen. Dagegen hilft nur Gewalt.
Faschismus als die offen terroristische Krisenform kapitalistischer Herrschaft dürfte künftig gerade in klimatischen Extremsituationen manifest werden. Das vom Hurrikan Katrina verwüstete New Orleans des Jahres 2005 bildete einen Ausblick auf eine Krisenbearbeitung, bei der der Zusammenbruch staatlicher Strukturen, lokale Willkürmassnahmen, blanke Racketherrschaft und brutale zentralstaatliche Interventionen in chaotische Wechselwirkung traten. Der faschistische Gewaltexzess im 21. Jahrhundert, der mitunter schon zu sich selbst kommen und in blinde Selbstzerstörung umschlagen wird, dürfte somit insbesondere in den sozial rasch erodierenden USA – geführt von einem alten, umnachteten weissen Mann – im Windschatten der kommenden Wetterextreme um sich greifen.