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Der Trumpismus als unheilbare Krankheit

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Eine Frage der Ehre Der Trumpismus als unheilbare Krankheit

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Politik

Am 26. Januar 2021 erschien im Untergrund-Blättle mein Gedicht „Das Lied vom Lumpenpack“, das hier aus aktuellem Anlass noch einmal zitieren möchte.

Donald Trump mit Tochter Ivanka und Sohn Donald J. Trump Jr. am 4. Januar 2021 in Washington.
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Donald Trump mit Tochter Ivanka und Sohn Donald J. Trump Jr. am 4. Januar 2021 in Washington. Foto: The White House (PD)

Datum 20. März 2021
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Lesezeit8 min.
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Oh, höret zu, Ihr guten Leute,
lasst's deutlich Euch noch einmal sagen:
Bereits seit vielen Jahr und Tagen
wird unsere schöne Welt
und besonders heute,
ganz ungeniert,
von Lumpenpack regiert

Ach, könnte dieses Lumpenpack
in einen Sack ich doch nur stecken
und es auf dem tiefsten Grund
aller Ozeane auf ewig versenken

Dann wär' befreit die Welt von Terror,
Krieg und allem Herzeleid
und auch von Lug
und Trug
Doch für so viel Lumpenpack
ist selbst der grösste Sack
nicht gross genug

Und da wir alle dieses Lumpenpack
bereits seit langem kennen,
muss ich deren Namen
hier auch gar nicht nennen

Welch' Tragik aber und welch' Schande
und bitterböse Wirklichkeit:
Dieses Lumpenpack, oh grosse Schmach,
wächst weltweit in so manchem Lande
über Nacht so rasch wie giftige Pilze nach

Hand auf's Herz: Wer von uns hat im Verlauf seines Lebens (aus verschiedensten Gründen) nicht zumindest einmal einen ungeliebten oder enttarnten korrupten Politiker zum Teufel gewünscht (sei es nun auf der kleinen nationalen oder auf der grossen internationalen Bühne des politischen Weltgeschehens), dem man die „Zugehörigkeit“ zu eben diesem Lumpenpack nicht absprechen konnte... Und schon bin ich beim Thema: Der Begriff „Lumpenpack“ suggeriert automatisch etwas, das mit Ehrlosigkeit, mit Kriminalität, mit Lug und Trug, also mit all dem zu tun hat, womit sich die überstrapazierte Dame Justitia seit Jahrtausenden und auch die heutigen Gerichte durch alle Instanzen und Tag für Tag beschäftigen müssen.

Man darf in diesem Zusammenhang gewiss davon ausgehen, dass die Anzahl aller kleinen Vergehen und aller grossen von Politikern begangenen Verbrechen in jeder Generation so überdimensional ist, dass keine Justiz (wo auch immer) jemals in der Lage sein wird, diese Delikte aufzudecken und darüber zu richten.

Da gibt es aber noch etwas, womit sich Justitia zu befassen hat und was vielleicht auch nicht so leicht zu bewältigen ist: Es geht hier um die historisch verankerten Verbrechen von Despoten und Tyrannen aller Arten. Was geschehen ist (das nennen wir dann Historie und Geschichts-Aufarbeitung), nun, das ist Vergangenheit und kann mich nicht in Unruhe versetzen.

Was mich jedoch sehr wohl in Unruhe zu versetzen vermag und alle Alarmsirenen in mir läuten lässt, das ist die Gegenwart, in der ich nun einmal lebe, auf deren politischer Bühne sich mehr als nur ein Dutzend von Despoten tummeln, die unsere Welt und das Leben eines jeden Erdbewohners und ganzer Völker rund um die Uhr bedrohen, somit auch mein Leben und das meines Kindes, aller Kinder auf Erden.

Also muss ich mir in diesem Augenblick auch die Frage stellen: Wie ehrlos darf zum Beispiel ein amerikanischer Präsident während und auch noch nach seiner abgelaufenen Amtszeit sein, der über Twitter mit Lügen nur so um sich warf und das immer noch tut: Verharmlosung bis hin zur Verneinung der Pandemie/Corona-Virus und deren Gefährlichkeit, Rassismus, Hetze gegen Fremde und Andersdenkende, üble Beschimpfungen und Verunglimpfung von politischen Gegnern, Rufmorde und Drohungen gegen Privatpersonen und dergleichen mehr. Und der es bis heute nicht wahrhaben kann und will, dass ihn die Amerikaner nicht wieder gewählt haben und immer noch in die Welt hinaus posaunt, dass die Demokraten ihm die Wahl gestohlen haben. Lässt sich angesichts solcher Fakten das Wort „ehrlos“ überhaupt noch steigern?

Darf ich also Donald Trump, dem das diabolische Kunststück gelungen ist, sein Volk ganz bewusst in zwei heute sich feindlich gegenüber stehende Lager zu treiben, ja, darf ich diesen Mann dem Bereich des politischen Lumpenpacks zuordnen, also jener Spezies unter Gaunern, denen ich in meinem Gedicht nicht gerade ein ruhmvolles „Denkmal“ gesetzt habe? Ich nehme mir einfach das Recht, füge dem aber hinzu: „Honni soit qui mal y pense“.

Wer aber darf und muss (um bei Donald Trump zu verharren) das ruppige Schalten und Walten eines profilneurotischen US-Präsidenten genau beobachten und notfalls ihn daran hindern, die Verfassung seines Landes zu verletzen und ihn aufzufordern, die Gesetze und alle demokratischen Spielregeln zu achten und zu respektieren?

Richtig: Da gibt es doch den Kongress und den Senat und den Supreme Court und die Verfassung und den Geist einer noch funktionierenden Demokratie und vieles mehr.

Also wissen selbst wir Europäer und vielleicht auch viele Amerikaner, wer im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ sofort einzuschreiten hat, wenn sich plötzlich ein (fast) demokratisch gewählter US-Präsident in der Rolle eines in sich selbst verliebten Despoten zu gefallen scheint, der sich einen Teufel um Demokratie und Verfassung schert, der keinen Respekt vor zivilisatorischen Werten, vor Kultur und Traditionen, vor Anstand, Moral und sozialem gezeigt Verhalten hat.

Wie muss daher eine Demokratie mit einem Präsidenten umgehen, für den (als Beispiel) das höchste Gericht im Staat nichts anderes ist als ein von der „Vorsehung“ (also von sich selbst) extra für ihn erschaffenes Macht-Instrument, auf dessen Klaviatur nur er ganz allein und ausschliesslich nach seinen Regeln spielen darf? Und dieser einstige US-Präsident und heutige Ex-Präsident trägt nun einmal den Namen Donald Trump. Wann wird dieser Mann sich endlich einmal vor einem „ordentlichen Gericht“ zu verantworten haben?

Solange das nicht der Fall ist, könnte man kurz davon ausgehen, dass möglicherweise selbst Staatsanwälte und ehrbare Richter von der unheilbaren Krankheit namens Trumpismus befallen sind...

Es gibt in den USA diverse demokratische, der Verfassung dienende Einrichtungen (die hier nicht benannt werden müssen, da jedermann bekannt), die dem bösen Treiben des 45. Präsidenten durchaus und gleich mehrfach ein Ende hätten bereiten können – es jedoch nicht getan haben. Warum taten sie es nicht?

Kann es sein, dass der Trumpismus nicht nur eine „ideologische Seuche“ (so wie von mir am 20. Januar dieses Jahres im Untergrund-Blättle ausgesprochen), sondern eine durch eben diese „Seuche“ ausgelöste „Unheilbare Krankheit“ ist, die das Hirn fast aller Republikaner total vernebelt, das Denken und den Rest von „normalem Menschenverstand“ zumindest vorübergehend (oder sogar für immer) ausgeschaltet hat, ganz zu schweigen von der Abkehr jener Dinge, die wir da so gern als Zivilisation, als Anstand und Verhaltenskultur zu benennen pflegen. Und dieser Mann regierte die Vereinigten Staaten von Amerika. Kann man das wirklich glauben?

Aber der „Rattenfänger aus Washington“ hatte Mitspieler, nämlich die Republikaner: Wenn diese Mitspieler durch die demagogische Wucht des Trumpismus so eingeschüchtert, also handlungsunfähig geworden sind, dann haben sie nicht nur als Partei, als gewählte Volksvertreter, als Senatoren und als Politiker (die auch einen Eid auf Redlichkeit geleistet haben), sondern auch als Menschen total versagt.

Wenn es hingegen nicht allein die Angst vor ihrem zu Gewaltausbrüchen neigenden Partei-Boss gewesen ist (die ihnen das wohl niemals mehr verblassende Image der Feigheit eingebracht hat), dann muss es sich hier also doch eindeutig um eine böse Krankheit handeln, um eine sehr gefährliche Krankheit sogar, von der offensichtlich all jene Amerikaner befallen worden sind, die sich physisch und psychisch, geistig und zu wenig intellektuell, aber dafür zu oft und zu lange im allernächsten Dunstkreis des 45. Präsidenten aufgehalten haben.

Dazu gehören wohl auch die fanatischen und gewaltbereiten Trump-Jünger, die am 6. Januar dieses Jahres das Capitol gestürmt hatten und für ihren „Mut“ und für ihren „Patriotismus“ von Donald Trump mit den Worten belohnt worden sind: „Ich liebe Euch alle“. Und seitdem scharen sich die Trump-Anhänger, dabei das Kampflied singend „Man hat uns die Wahl gestohlen“ noch heftiger um den von ihnen angehimmelten Oberguru, so wie einst, als sich das „Tausendjährige Reich“ bereits in ein Totenreich aus Schutt und Asche verwandelt hatte, sich auch ein Grossteil der Ober-Nazis um ihren verrückt gewordenen Führer geschart hatten.

So steht als fest: Dass Donald Trump überhaupt auf dem Chefsessel im Weissen Haus Platz nehmen konnte, das verdankte er nicht allein seinem demagogischen Genie und seiner perfiden Routine als gelernter und trickreicher Show-Master, nein, er hatte (ich wiederhole mich) tatkräftige Helfer: Es waren die Republikaner (Namen müssen hier wohl nicht genannt werden) in der Rolle der aktiven Mit-Macher, der auf ihre politischen Karrieren bedachten Mit-Läufer, der Mit-Schuldigen, der Mit-Lügner, der Mit-Verneiner der Pandemie, der Scheinheiligen und der Feiglinge.

Das von den Demokraten aus seriösen Motiven und aufrichtig in Szene gesetzte zweite Impeachment-Verfahren endete durch die Mehr-Stimmen der Republikaner natürlich mit einem Freispruch, mit dem „faulen Freispruch“ für einen schuldbeladenen Präsidenten, der vielleicht als Show-Master mit einer Randnotiz, auf keinen Fall aber (wie er es selbstherrlich prophezeit hat) als der „Grösste aller amerikanischen Präsidenten“ in die Geschichte seines Landes eingehen wird.

Es ist auch nicht auszuschliessen, dass sich nicht nur die heute lebenden Historiker und Politikwissenschaftler, sondern noch heftiger deren nachfolgenden Generationen sich die Haare raufen werden während und bei der Aufarbeitung der desaströsen Trump-Ära. Und mit dem Ausgang des 2. Impeachment begann möglicherweise sogar das Totengeläute für eine Partei, die an diesem Tag nun endgültig ihr Gesicht, ihre Ehre und jede politische und menschliche Glaubwürdigkeit eingebüsst hat. Ob sich die Republikaner davon jemals erholen werden, das steht in den Sternen. Es wird nicht leicht sein, aus überführten Lügnern und Feiglingen strahlende Helden zu machen.

Axel Michael Sallowsky