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Bodycams: Nur zum Schutz der Polizei

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Fragwürdige Gewichtung der Ergebnisse Bodycams: Nur zum Schutz der Polizei

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Politik

Der Schlussbericht zur Einführung von Bodycams bei der Stadtpolizei Zürich hält fest: Es gibt kein starkes Argument für deren Einsatz. Zudem reichen die Befunde nicht aus, um eine dauerhafte Einführung der Bodycams zu begründen.

Eine Bodycam bei der Polizei Magdeburg.
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Eine Bodycam bei der Polizei Magdeburg. Foto: DDS 47 (CC BY-SA 4.0 cropped)

Datum 13. Juni 2018
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Trotzdem freut sich Mario Cortesi vom Mediendienst der Stadtpolizei Zürich über die signifikanten Ergebnisse. Jetzt kommen die Bodycams – aber nur zum Schutz der Polizei, nicht der Bevölkerung.

Vom 1. März bis zum 1. November 2017 führte die Stadtpolizei Zürich im Rahmen des Projekts « Polizeiarbeit im urbanen Spannungsfeld» (PiuS) gemeinsam mit der Transportpolizei ein Pilotprojekt mit Körperkameras durch. Begleitet wurde das Unterfangen von zwei Wissenschaftlern vom Institut für Delinquenz und Kriminalprävention der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Sie erforschten,
  • ob Bodycams (BC) zum Schutz der Polizist*innen beitragen,
  • wie sich das polizeiliche Verhalten gegenüber Bürger*innen verändert (z. B. ob weniger Zwangsmittel angewendet werden) und
  • wie Polizist*innen sowie die Quartierbevölkerung (namentlich die Gewerbetreibenden) den Einsatz der BC erleben.
Seit März 2018 nun liegt der Schlussbericht mit dem Titel Die «Evaluation des Pilotprojekts zum Einsatz von ‹Bodycams› bei der Stadtpolizei Zürich und der Transportpolizei» vor.

In ihrem gut 90-seitigen Schlussbericht kommen die Fachleute zu keinem eindeutigen Ergebnis. So heisst es im Resümee, «dass kein starkes wissenschaftlich begründetes Argument gegen den Einsatz von Bodycams vorliegt, wie es auch kein starkes solches Argument dafür gibt. In keiner Teiluntersuchung wurden deutliche Hinweise darauf gefunden, dass die Bodycam eine eskalierende Wirkung gehabt hätte. Ebenso wenig fanden sich deutliche Hinweise auf eine deeskalierende Wirkung der Bodycam.» Dennoch machen die Autoren des Berichts eine «Tendenz» geltend, die eine leicht positive Wirkung der BC nahelege, welche aber nicht signifikant habe abgesichert werden können.

Die Wissenschaftler lassen sich in ihrem Bericht auf keine eindeutige Positionierung ein, räumen aber ein: «Ob die vorhandenen Befunde, die tendenziell einen schützenden Effekt des Mitführens und Einsetzens von Bodycams aufzeigen, ausreichen, um die dauerhafte Einführung der Bodycam zu begründen, kann an dieser Stelle nicht beurteilt werden. Wichtig für eine solche Entscheidung ist neben der Effektprüfung durch das Experiment ebenso, welche Akzeptanz die Bodycam in der Polizei selbst sowie in der Bevölkerung hat.»

Fragwürdige Gewichtung der Ergebnisse

Und wie geht die Polizei mit dem Forschungsbericht um? Trotz der Zurückhaltung der Autoren bei der Interpretation ihrer Forschungsergebnisse wurde die Entscheidung zugunsten einer unbefristeten Einführung der BC rasch getroffen. Die bescheidene Versuchsanlage ausser Acht lassend – zumal man ja nicht immer so grosse Studien machen könne –, stützten sich die Verantwortlichen der Stadtpolizei dabei auf Hochrechnungen.

In den 17 198 Einsätzen, die im Projektzeitraum geleistet wurden, kam es – kleinere Vergehen wie «Schubsen und Treten» miteingerechnet – zu einem Rückgang physischer Gewaltanwendungen gegen Gesetzeshüter*innen um einen Drittel von 0,6 auf 0,39 Prozent. Jährlich könnten, hochgerechnet, rund 50 tätliche Angriffe verhindert werden. Dass der Rückgang an Handgreiflichkeiten im erwähnten Zeitraum nach Meinung der Forscher ebenso gut der Jahreszeit wie den BC geschuldet sein könnte, vermochte die Auftraggeber nicht von ihrer Argumentation abzubringen.

Auf offene Ohren sollte aber die sinkende Akzeptanz der BC in den Reihen der Polizei stossen. Begrüssten noch vor Projektbeginn die in das Projekt involvierten Beamten das Tragen von BC zum eigenen Schutz allergrösstenteils, reduzierte sich die Zustimmung in den beteiligten Korps während des Versuchslaufs von 66,9 auf 56,3 Prozent. Wie der Studie zu entnehmen ist, dürfte dies im Zusammenhang mit einem bestimmten Vorfall stehen: Im Verlauf des Pilotprojekts wurde ein Beamter aufgrund von BC-Aufnahmen aus dem Dienst entlassen. Warum genau, ist der Studie leider nicht zu entnehmen; deutlich wird aber, dass in der Folge der Entlassung im Korps Befürchtungen in Bezug auf den Datenschutz laut werden.

Die beteiligten Beamt*innen hegen keine Bedenken, was den Datenschutz für die Bevölkerung betrifft. Hingegen befürchten sie missbräuchliche Verwendungen des Bildmaterials durch ihren eigenen Arbeitgeber. Die BC als Arbeitsinstrument erfährt eine Einschränkung: Sie dürfe nicht als Instrument zur Dauerüberwachung der Polizist*innen oder zur Kontrolle der Mitarbeitenden durch die Vorgesetzten eingesetzt werden. Gefordert wird eine klare rechtliche und organisatorische Regelung der Einsichtnahme und Verwendung von BC-Aufnahmen.

Mit ungleichen Ellen

Der Schlussbericht der beiden Forscher enthält keine eindeutigen Befunde und Ergebnisse. Er verweist bloss auf Tendenzen und enthält zurückhaltende Empfehlungen. Dieser Bericht scheint nicht entscheidend gewesen zu sein für den Beschluss der Stadtpolizei, BC definitiv einzuführen. Es bleibt der Eindruck, dass die Begleitstudie durchgeführt wurde, um die skeptischen Gemüter in der Politik, in der Bevölkerung und auch in der Polizeigewerkschaft mit etwas Statistik zu beruhigen. Die Studie dient somit als Feigenblatt für die Einführung eines problematischen Instruments, für dessen Handhabung nach wie vor keine Richtlinien definiert sind.

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