Ablauf
Auf der Demonstration gab es verschiedene Blöcke wie zum Beispiel den Careblock der „Bewegung für Sozialismus“, den von Trotzphase, einer Basisorganisation von Fachpersonen schul- und familienergänzender Kinderbetreuung, einen revolutionären Block, organisiert vom „Revolutionären Aufbau“, und einen „Queers for Palestine“-Block mit etwa 100 Teilnehmer:innen, dem auch wir, Genoss:innen von Was Tun? und Arbeiter:innenmacht, uns angeschlossen haben. Insgesamt lief der Demozug 3 Stunden lang durch die ganze Stadt, ohne dabei an kämpferischer Stimmung zu verlieren.Internationale Solidarität nahm auch einen Schwerpunkt ein. So haben sich die Teilnehmer:innen in Form einer Schweigeminute solidarisch mit vom Krieg betroffenen FLINTA-Personen gezeigt. Allerdings hat sich die Zahl der Demoteilnehmer:innen im Vergleich zum Vorjahr, wo es mit 120.000 Menschen in Zürich fast drei mal so viele gab, stark verringert. Diese Entwicklung ist nicht neu: 2023 waren es in der ganzen Schweiz mehr als doppelt so viele wie dieses und im Jahr 2019 waren es noch eine halbe Million. Das liegt unter anderem daran, dass die Bewegung keine ernsthaften Erfolge erzielen konnte, sie immer weiter an Klassenbewusstsein verloren hat und an einer starken kantonalen Zersplitterung leidet.
Parolen im „Queers for Palstine“-Block forderten Freiheit für ganz Palästina und klagten die Kompliz:innenschaft der Schweiz, EU und USA am Genozid an. Auf Schildern und Transparenten hiess es unter anderem „Gaza is a woman“, „No Pride in Genocide“ und „Fight imperialism“. Es wurden Prideflags und Palästinaflaggen getragen. Die Verbindung zwischen den Kämpfen wurde hier sehr deutlich.
Am Beginn der Demo gab es einige Reden, die für die meisten leider ausserhalb Hörreichweite blieben: zum Beispiel zur Unterdrückung von Kurd:innen oder über die prekäre Lage von Geflüchteten und pflegenden Müttern. Auch die Gewalt gegen Frauen und queere Personen wurde thematisiert sowie unbezahlte Carearbeit und Altersarmut. Gehalten wurden sie unter anderem vom Sex Worker Collective, Care Block, kurdischen Frauenverein Beritan, Refugee Power Ladies und den Ni Una Menos.
Es wurden dabei wichtige Forderungen wie offene Grenzen, kostenlose Entlastungsangebote gegen Überarbeitung, mehr Inklusion für beeinträchtigte Menschen, mehr finanzielle Unterstützung für Careworker, eine sicherere entkriminalisierte Sexarbeit, gleicher Lohn für gleiche Arbeit und insgesamt bessere Arbeitsbedingungen aufgeworfen, aber sie blieben minimal und in den Grenzen der kapitalistischen Gesellschaftsordnung. Allenfalls vereinzelt hiess es unkonkret, es brauche einen Systemwandel und Streik als Mittel. Dabei ist es wichtig, schon jetzt Forderungen nach z. B. Vergesellschaftung der reproduktiven Arbeit (insbesondere der Hausarbeit) und der entsprechenden Betriebe unter Arbeiter:innenkontrolle aufzustellen. Wer für wirkliche Gleichstellung kämpfen will, muss anerkennen, dass diese im Kapitalismus nicht erreicht werden kann.
Programm zur Mobilisierung
Schon in der Woche zuvor gab es Programm zum Beispiel vom Schulkollektiv „Bildung ohne Sexismus“, das verschiedene Bildungsveranstaltungen anbot. Auch ein gemeinsames „Einläuten“ der Demo am Vorabend mit Fahrrädern und hupenden Autos fand statt. Zwar konnte viel Aufmerksamkeit auf der belebten Strasse erzeugt werden, doch ausser ein paar Schildern und Flaggen blieb diese Aktion eher unpolitisch. Zum Beispiel wurden keine Parolen gerufen, so dass die Aktion wohl eher dem eigenen „Spass“ und/oder Selbstermächtigungsgefühl diente.Über den ganzen Tag des 14. Juni gab es verschiedene Aktionen und Angebote: einen Austauschraum zu FLINTAs mit chronischen Krankheiten und Behinderungen oder einen Workshop von Refugee Power Ladies zu Bildung von geflüchteten Frauen. Diese beiden waren dann aber leider schon die einzigen inhaltlicheren Angebote neben Bannermalen, Flashmobs und Brunches. Hier bleibt das Programm hinter seinem Potential zurück, da der vorhandene Raum nicht für Vorträge, Diskussionen und Vernetzung genutzt wird.
Andere Städte
Auch in Bern gingen etwa 35.000 Menschen demonstrieren. Unter anderem für die Forderung nach 109 Milliarden Franken pro Jahr für Kinderbetreuung – genauso viel, wie für die Rettung der Bank Credit Suisse im April lockergemacht wurde. In Luzern waren es mehrere Tausend, in Lausanne 20.000 und Genf 8.500 sowie 15.000 – 20.000 in Basel.Insgesamt waren die Demonstrationen wie auch schon letztes Jahr stark dominiert von der Jugend bzw. Student:innen und dementsprechend wurden auf Demoschildern Angriffe auf Arbeiter:innen nur wenig thematisiert. Obwohl z. B. die Heraufsetzung des Rentenalters bei gleichzeitiger unzureichender Rentenerhöhung auf der offiziellen Seite des Streiks angeprangert wird, gibt es dazu recht wenig auf den Demos oder in Reden zu hören und sehen.
Der Rückgang der Mobilisierung und die Probleme des Kampfes zeigen sich aber am deutlichsten an der Tatsache, dass es sich eben gar nicht mehr um einen tatsächlichen Streik handelt. Sehr vereinzelt gab es Aktionen wie in Le Sentier, wo sich 300 Uhrenarbeiter:innen an dem Ort versammelten, wo die Idee zum Frauenstreik 1991 entsprang. Oder auch in Zürich, wo Reiniger:innen, welche in Luxushotels putzen, von Hotel zu Hotel zogen, um gegen die tiefen Löhne, hohen Druck und Stress zu protestieren. Ansonsten handelte es sich zumeist einfach um einen Demonstrationszug, zu dem sich freigenommen wird und der zu grossen Teilen auch den Charakter eines Fests trägt. Wie auch beim CSD gibt es eine Entwicklung von einer politischen kämpferischen Veranstaltung zu einem Event, welches mehr einer Feier ähnelt.
Auch wenn der feministische Streik hinsichtlich der Mobilisierung vieler Menschen ein sehr positives Ereignis darstellt, fehlt es an Perspektiven für FLINTA und Arbeiter:innen im Hier und Jetzt, aber auch über den Kapitalismus hinaus. Dieses Thema, das bei früheren Streiks eine grössere Rolle spielte, wird heute kaum thematisiert. Vielmehr erleben wir eine Umdeutung des Streikbegriffs, der angeblich weiter gefasst würde und ohne Arbeitsniederlegung stattfinden könne. In Wirklichkeit kommt das seiner Aushöhlung gleich, die auf einen wachsenden Einfluss bürgerlicher Kräfte und der Gewerkschaftsbürokratie zurückzuführen ist. Allerdings tragen auch Linksradikale diese falsche Ausrichtung mit, indem das Zurückscheuen vor „richtigen Streiks“ als „Umdeutung des Streikbegriffs druch FLINTAs“ interpretiert wird, statt Lohnabhängige FlINTAs zur Speerspitze echter, landesweiter Arbeitsniederlegungen zu machen.
Lasst uns dafür kämpfen, dass der feministische Streik demokratisch organisiert wieder zu einem bundesweiten echten Massenstreik wird!