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Némésis Suisse: Identitärer, antikonformer Feminismus

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Die Entstehung von Némésis in der Schweiz Némésis Suisse: Identitärer, antikonformer Feminismus

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Politik

Seit über einem Jahr ist in der Westschweiz eine Gruppe der rechts-feministischen Bewegung Némésis aktiv und hetzt gegen Migrant*innen.

Drei Frauen von Némesis Suisse mit einem Transparent am Rande der feministischen Demo am 14. Juni 2022 in Lausanne.
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Drei Frauen von Némesis Suisse mit einem Transparent am Rande der feministischen Demo am 14. Juni 2022 in Lausanne. Foto: antifa.ch

Datum 31. März 2023
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Um zu sehen, wie die Bewegung entstanden ist, lohnt sich ein Blick nach Frankreich, denn Némésis stammt ursprünglich aus Paris und hat in Frankreich mehrere Ableger.

Erstmals trat Némésis an einer Demo gegen Gewalt an Frauen in Paris im November 2020 öffentlich in Erscheinung. Fünf Frauen skandierten einwanderungsfeindliche Parolen und hielten Schilder mit Botschaften wie „Die vergewaltigenden Ausländer sind immer noch da“ hoch. Es dauerte nicht lange bis die fünf von der Menge aus der Demo gedrängt wurden.

Dies war die erste Aktion des im Oktober 2019 gegründeten Kollektivs Némésis. Es entstand im Umfeld der „rechts-feministischen“ Bewegung Bellica. Diese ist vor allem online präsent, sie fördert einen fremdenfeindlichen, islamophoben und offen rassistischen Diskurs.

Kopf der französischen Gruppe ist die 25-jährige Pariserin Alice C.. Es ist anzunehmen, dass Némésis eine der Rückzugsstrukturen der mittlerweile verbotenen Génération Identitaire GI ist, die ihre Arbeit über mehrere thematische Vereinigungen fortsetzte. So organisierten sich die Mitglieder nach dem Verbot unter anderem in rechtsextremen Strassengangs und in der Unterstützung der Partei Rassemblement National (ehem. Front National). Némésis ging beispielsweise auch auf die Strasse, um die damals von einem Verbot bedrohte Génération Identitaire zu unterstützen.

Anlass des Verbotsverfahrens waren laut des französischen Innenministeriums Aktionen der Identitären unter dem Motto „Defend Europe“. Mitglieder lauerten Migrantinnen in den Pyrenäen und in den Alpen auf und versuchten, diese nach Spanien beziehungsweise Italien zurückzudrängen. Dabei seien auch Hubschrauber und Drohnen zum Einsatz gekommen. Die Génération Identitaire unterhielt paramilitärische Strukturen, wie einen Box-Verein in Lyon, in dem die Mitglieder in unterschiedlichen Kampfsportarten ausgebildet worden sind. In einem Sommercamp im August 2020 haben die Mitglieder in Uniformen Strassenkämpfe simuliert und dazu militärische Schlachtlieder gesungen. Zudem wurde darauf verwiesen, dass der Rechtsterrorist, der im neuseeländischen Christchurch 51 Menschen ermordete, zu den Förderern der französischen Organisation zählte.

Identitärer, antikonformer Feminismus

In einem Interview wurden die Frauen von Némésis gefragt, weshalb sie den Namen Némésis gewählt hätten. „Da Némésis die Göttin des gerechten Zorns und der himmlischen Strafe ist, symbolisiert sie unseren Wunsch, den Frauen, die Opfer von Übergriffen wurden, Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.“ Wie diese Gerechtigkeit genau aussehen soll, lassen sie offen.

Némésis versucht einen identitären Feminismus zu etablieren, da laut ihrer Aussage der Feminismus von Links verseucht sei. Verbreitet wird das Narrativ, dass die meisten der erfassten Fälle von Belästigungen und Angriffen auf Frauen von Männern aus migrantischen Bevölkerungsgruppen begangen würden. Männliche Migranten werden als inhärent gewalttätig gegenüber Frauen wahrgenommen. Die Migration von Menschen aus dem globalen Süden stelle eine Gefahr für das Leben europäischer Frauen dar.

Es wird jedoch gar nicht erst auf die globale patriarchale Struktur unserer Gesellschaft und die damit einhergehende Sexualisierung von Frauen eingegangen. So wird versucht, den feministischen Diskurs mit rassistischen Ressentiments nach rechts zu lenken. Zudem wird ein konservatives Frauenbild gestärkt, welches nur zwei Geschlechter kennt und für die Frau klare Rollen vorsieht.

Entstehung von Némésis in der Schweiz

In Sion sorgte im Dezember 2020 ein rassistisches Transparent mit der Aufschrift „Von Nizza über Lugano bis Wien: Der Islamismus tötet. Die lasche Linke ist sein Komplize.“ für Aufsehen, welches an einer Brücke angebracht wurde. Unterzeichnet war das Banner mit Militants Suisse MS, einer bis anhin unbekannten Gruppe mit Mitgliedern aus dem Unterwallis und dem Kanton Waadt. Anführer der Gruppe ist der Walliser Simon Andenmatten. Er verherrlicht das Dritte Reich und verbreitet auf seinen Social Media-Kanälen nationalsozialistische Propaganda. In seiner Freizeit trainiert er Kampfsport, häufig zusammen mit anderen von MS und den Neonazi-Hooligans von Radikal Sion.

Auffällig an der Gruppe ist das lokalpolitische Engagement von Andenmatten und seinen Freund*innen. Fast alle Mitglieder der Gruppe sind in der Jungen SVP, der Jeunes UDC Valais Romand, engagiert. Es erstaunt nicht, dass die Junge SVP ein Anlaufpunkt für rechtsextrem denkende junge Menschen ist. Zu anderen rechtsextremen Gruppen in der Romandie bestehen gute Kontakte, so initiierte Militants Suisse im Februar 2021 eine Banneraktion für die vor kurzem verbotene französische Génération Identitaire vor dem französischen Konsulat in Genf, gemeinsam mit Résistance Helvétique und weiteren Westschweizer Neonazis.

Kontakte in die Deutschschweiz bestehen unter anderem zur Gruppe Junge Tat, mit welcher Militants Suisse eine Müll-Aufräum-Aktion in der Stadt Rapperswil (SG) durchführte. Im März 2021 griffen Mitglieder von Militants Suisse am Rande einer grossen Covid-Massnahmen-Demo in Liestal Gegendemonstrantinnen an und entwendeten deren Transparente. Bilder der gestohlenen Transparente wurden danach auf dem rechtsextremen französischen Social Media-Kanal Ouest Casual veröffentlicht. Am Übergriff waren auch die Frauen der Gruppe beteiligt. Ob die Gruppe noch aktiv ist, ist unklar, es konnten keine Aktivitäten mehr festgestellt werden.

Von der Section Feministe von Militants Suisse zu Némésis Suisse

Militants Suisse hatte auch eine Frauengruppe, die „Section Feministe“, welche bereits das Konzept von Némésis aus Frankreich in der Schweiz etablieren wollte. Im März 2021 veröffentlichten sie auf Instagram ein Video, in welchem sich die „Section Feministe“ vorstellte. Die Frauen trugen Schutzmasken und ihre Stimmen waren verzerrt. Sie sprachen von selbst erlebten Belästigungen, davon, dass die Täter nicht aus Europa stammen würden. Durch die Zunahme der Migration steige auch ihr Unsicherheitsgefühl. Sie fordern die Nennung der Herkunft der Täter.

Die Linke sei voller Widersprüche, intolerant und frauenfeindlich, da sie dies nicht tue. Die zunehmende Einwanderung bedrohe das Sicherheitsgefühl der Frauen in der Schweiz. Für sie geht die Gefahr für Frauen explizit nicht von europäischen Männern aus. Im Video vertreten sind unter anderem die Walliser*innen Sarah B., Léa B., Sidney T. und Laurie P..

Sarah B. war es dann auch, welche im Frühling 2021 die Französin Alice C. kontaktierte und danach den offiziellen Schweizer Ableger von Némésis gründete. Die erste Aktion der Gruppe wurde auf dem neuen Instagram-Kanal von Némésis Suisse publiziert. Sarah B., Léa B., Laurie P. und Manon L. posierten mit einem gedruckten Transparent auf der Treppe des Gerichtsgebäudes in der Stadt Genf. Sie forderten Gefängnisstrafen für Schweizer Vergewaltiger und die Abschiebung ausländischer Vergewaltiger. Zudem wurde auf die Website von Némésis aus Frankreich verwiesen.

Die Frauen von Némésis sind häufig in Westschweizer Städten unterwegs und bringen Plakate und Aufkleber an oder sprühen mithilfe einer Schablone die rassistische Parole „Rapefugees not Welcome“ auf den Boden. Davon verbreiten sie auf Social Media Videos und Fotos. Generell ist die Gruppe auf Social Media sehr aktiv, sie hetzen gegen Migrant*innen, berichten über Femizide und portraitieren erfolgreiche Schweizer Frauen. Anlässlich des Tages gegen Gewalt an Frauen am 24. November 2021 liefen Sarah B. und drei Mitstreiter*innen mit ihrem bedruckten Transparent an einer feministischen Demo in Lausanne mit. Es dauerte nicht lange, bis die vier von anwesenden Antifaschist*innen verjagt wurden.

Anfang 2021 trat eine neue Frau offen mit ihrem Gesicht als Repräsentantin von Némésis Suisse in die Öffentlichkeit; die blonde, Mitte Zwanzigjährige Waadtländerin Léa. Verschiedene Westschweizer Medien wurden auf die Gruppe aufmerksam und boten den Frauen von Némésis Suisse eine eher unkritische Platform, wodurch diese ihre rassistische Hetze verbreiten konnten. Die Westschweizer Ausgabe der Tagesschau auf RTS und die Sendung 10vor10 auf SRF portraitierten die Gruppe und liessen Sarah und Léa zu Wort kommen.

Mehrere Frauen aus Frankreich, inklusive dem Kopf der Bewegung, Alice C., reisten im Mai 2022 unter dem Motto „Némésis for Ukraine“ in die Slowakei an die ukrainische Grenze, um dort geflüchtete Ukrainer*innen zu unterstützen. Mit dabei war auch die Schweizerin Léa. Die Flucht von Menschen aufgrund des russischen Angriffskrieges wird als „richtige“ Migration angesehen, Migration aus dem globalen Süden jedoch als Gefahr für die europäische Bevölkerung.

Zum einjährigen Bestehen des Schweizer Ablegers von Némésis war in Lausanne eine Veranstaltung mit der Némésis-Gründerin Alice C. aus Paris geplant. Das Event wurde aber ein paar Tage vorher abgesagt, da C. erkrankt war. Kurz darauf gab die Aktivstin Sarah B. auf Instagram ihren Austritt aus der Gruppe bekannt. Sie wolle sich auf ihre Ausbildung konzentrieren. Gut möglich, dass auch ihr Outing im Internet mit Namen und Foto eine Rolle bei dieser Entscheidung spielte. Léa übernahm danach die Führung der Gruppe.

Am 14. Juni 2022, anlässlich des feministischen Streiktages, posierten drei Frauen mit einem Transparent am Rande der feministischen Demo in Lausanne für Fotos. Als die Fotos gemacht waren, verliessen sie die Innenstadt, da sie bereits wieder als Némésis erkannt wurden.

In der ersten Ausgabe der Zeitschrift La Hallebarde von der gleichnamigen rechtsextremen Medienplatform La Hallebarde wurde ein Interview mit Némésis Suisse veröffentlicht. La Hallebarde ist ein neues Projekt von Mitgliedern der rechtsextremen Gruppe Résistance Helvétique, welche seit acht Jahren in der Romandie aktiv ist und als stärkste rechtsextreme Kraft in der Westschweiz betrachtet werden muss. Im Interview gehen die Frauen von Némésis auch auf ihre konservative und ethnopluralistische Ideologie ein. Sie positionieren sich gegen Leihmutterschaft, gegen Sexarbeit und gegen das Tragen eines Kopftuches. Zudem finden sie, dass in der Schweiz die Stellung der Frau dort sei, wo sie sein sollte, im Vergleich zu Ländern wie Afghanistan oder Indien. Dieser Platz, der ihnen rechtmässig zustehe, müsse bewahrt werden und das gehe nur über die Verteidigung unserer Kultur.

In der Deutschschweiz konnte die Gruppe bisher noch nicht Fuss fassen, es wurde noch keine passende Aktivistin gefunden.

antifa.ch