Schlechte PR ist besser als keine PR Schweiz: Martin Sellners Besuch bei der Jungen Tat
Politik
Am Samstag 16. März 2024 ist den sogenannten "Aktivist:innen der neuen Rechten" ein neuer Schachzug geglückt.
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6. April 2024
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Menschen wie Martin Sellner oder die Mitglieder der Jungen Tat (JT) leugnen standhaft, dass sie Rechtsextreme oder gar Neonazis sind. Sie bauen ein Image auf, welches den Eindruck erwecken soll, dass sie akademische, konservative Jungrechte seien. Dies geben sie auch offen zu. So sagt Tobias Lingg im Podcast der JT "dass ihre Arbeit immer in einem friedlichen und demokratischen Spektrum sein muss, damit sich die Leute auch nicht für ihre Arbeit schämen müssen".
Dies bringt uns auch gleich zum nächsten Punkt dieser Strategie: die Menschen, die sie ansprechen.
Dabei handelt es sich um Vertreter*innen rechter bis rechtsextremen, parlamentarischen Parteien wie beispielsweise der SVP, AfD oder FPÖ. Das Handeln von Rechtsextremist*innen wie Martin Sellner oder der JT zielt darauf, diese Parteien auf ihren Kurs zu bringen, um so die breite Bevölkerung ansprechen zu können. So arbeiteten zwei Mitglieder der JT aktiv am Wahlkampf der ehemaligen Winterthurer SVP-Präsidentin, Maria Wegelin, mit. Manuel Corchia - der Kopf der JT - spricht im selben Podcast auch von einem Nichtangriffspakt mit der SVP. Dies bedeutet, dass Teile der Partei rechtsextreme Inhalte mindestens stillschweigend dulden.
Die selben Muster können auch in anderen Ländern beobachtet werden. So ist beispielsweise die Junge Alternative in Deutschland inzwischen praktisch der parlamentarische Arm der Identitären Bewegung. Dieses Infiltrieren "demokratischer" Strukturen folgt dem Plan, Berührungsängste der Gesellschaft mit rechtsextremen Inhalten abzubauen. Martin Sellner selber sagte zum Beispiel, dass er sich an der 68er Bewegung orientiert, welche durch ihre Präsenz in den Medien, in der Kultur und an Unis massgeblich die gesellschaftliche Hegemonität verändert haben. Durch das professionelle Auftreten soll auch gezielt ein Bild gezeichnet werden, welches sich klar von den Neonazis vergangener Zeiten mit Glatze und Springerstiefeln abgrenzt. Das Anbandeln mit etablierten Parteien ist also nur folgerichtig im Kampf um Legitimation.
Ein wichtiger Bestandteil dieses Handelns ist auch die Medienpräsenz. Dass rechte Hetzblätter wie die Weltwoche und ähnliche solchen Inhalten eine Bühne bieten, ist nicht verwunderlich, aber auf diese zielt die Strategie auch nicht ab. Medienwirksame Aktionen wie Angriffe auf Vorlesestunden für Kinder, Mackerfotos in Innenstädten und eben die Festnahme vom letzten Wochenende garantieren den Rechtsextremen auch Publicity in sämtlichen Newsmedien. Diese übernehmen dabei oft völlig unkritisch die Selbstdarstellung der Faschist*innen als junge, konservative und vor allem männliche Aktivisten, die ein Problem mit der Migration haben.
Im gleichen Atemzug wird dann auch das Schlagwort der Remigration übernommen: also der Plan, sämtliche Menschen, welche nicht den Kriterien einer diskriminierenden Ideologie entsprechen (keinen Schweizer Pass haben, nicht weiss sind, queer sind, etc.) in "ihre Länder" auszuschaffen. Gerade das Beispiel des Begriffs Remigration zeigt, dass relativ wenige Personen durch aggressive Öffentlichtkeitsarbeit den gesellschaftlichen Diskurs beeinflussen und auch lenken können. Dass das fruchtet zeigen zum Beispiel Aussagen des Deutschen Kanzlers Olaf Scholz, welcher "im grossen Stil abschieben" will. Auch hier zeigt sich wieder das selbe Muster: Begriffe wie Remigration sollen sachlich und wissenschaftlich klingen und menschensverachtende Verschwörungstheorien Ganzen einen seriösen, politischen Anspruch geben.
Es ist wichtig zu verstehen, dass hinter dem Vorgehen von rechtsextremen Menschen wie Martin Sellner und der JT eine durchdachte Strategie steht und diese Menschen auch dementsprechend handeln. Es ist auf jeden Fall falsch, sie zu belächeln. Die Festnahme Sellners war klar einkalkuliert und hat der Sache der Faschist*innen einen weiteren Aufschwung - und vorallem kostenlose Aufmerksamkeit - gegeben. Es ist leicht darüber zu lachen, dass ein Fan von dichten Grenzen selber ein Grenzregime zu spüren bekommen hat. Dass dieses Lachen aber keine antifaschistische Praxis ist, muss allen klar sein. Es ist jetzt umso wichtiger, sich zu vernetzen, rechtsextremen Inhalten keine Bühne zu geben und sich vor allem nicht auf bürgerliche Medien oder die Polizei im Kampf gegen Rechts zu verlassen.
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