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Winterthur: Kundgebung vor dem Sulzerhochhaus

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Apéro pauvre - eat the rich! Winterthur: Kundgebung vor dem Sulzerhochhaus

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Politik

Am 1.2.2023 haben sich über 40 Leute vor dem Hautpsitz der Stefanini-Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte versammelt, um gegen die drohende Räumung der selbstverwalteten Häuser und gegen die Aufwertungs- und Vertreibungspolitik der SKKG zu protestieren.

Kundgebung am 1. Feburar 2023 in Winterthur vor dem Sulzer-Hochhaus.
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Kundgebung am 1. Feburar 2023 in Winterthur vor dem Sulzer-Hochhaus. Foto: zVg

Datum 6. Februar 2023
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Anlass zu dieser Protestkundgebung war die jährliche PR-Veranstaltung der SKKG, bei der sich die steuerbefreite Milliarden-Stiftung als Wohltäterin darstellen lässt und sich selber in höchsten Tönen lobt. Die Stiftung gibt Unmengen von Geld für Artwashing und Lobbyismus aus, kauft sich Medien und Kulturschaffende, während sie die Innenstadt vergoldet und die Armutssiedlungen abreissen lässt und uns das alles als gute Tat verkaufen will.

Bei der Kundgebung gab es ein wärmendes Feuer, einen Apéro pauvre, viele Transparente, Musik, Schilder und Karton-Häuser, Flugblätter und kämpferische Reden (die vollständigen Reden finden sich weiter unten).

Eine Rede wurde von der Interessengemeinschaft der Bewohner:innen und Benutzer:innen der Stefanini-Häuser gehalten und drehte sich um die armenfeindliche Wohnbaupolitik, die Wohnungsnot und Gentrifizierung in Winterthur, wovon die Immobilien-Millionärin SKKG nur ein Teil ist.

Die andere Rede kam von der Häuservernetzung Winterthur, die in ihrer Neujahrserklärung auf die existentielle Bedrohung durch die drohende Räumung und Zerstörung der selbstverwalteten Stefanini-Häuser durch die SKKG aufmerksam machte.

Zudem erzählten unsere Freund:innen vom Urteil im Kleisterprozess in Basel. Bei diesem Prozess standen sechs junge Winterthur:innen vor Gericht mit der Strafandrohung von einem Jahr Gefängnis, weil sie wichtige Kritik am kapitalistischen Normalzustand während der Pandemie an

die Wände gekleistert haben sollen. Wir sagen, d'Strasse und d'Hüüser sind eus! Wir organisieren uns solidarisch gegen Angriffe von oben, gegen Repression & Vertreibung.

Neujahrserklärung der Häuservernetzung Winterthur

Die Häuservernetzung Winterthur ist das Netzwerk der selbstverwalteten Stefanini-Häuser in Winterthur. Wir bewohnen und unterhalten diese Häuser seit vielen Jahren - das älteste seit 1997, das jüngste seit 2011 - mit eigener Arbeit und auf eigene Kosten. Sie sind unsere Zuhause und vielfältiger Wohn- und Kulturraum für viele.

Im Herbst 2020 hat die Eigentümerin, die milliardenschwere Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte SKKG, einigen von uns ein Ultimatum gestellt und verlangt, dass wir unsichere und befristete Gebrauchsleihverträge von einem oder maximal drei Jahren unterzeichnen. Im Januar 2021 erklärte die SKKG an ihrem jährlichen Werbeanlass öffentlich, dank diesen Verträgen könnten sie uns nach Ablauf der Frist «einvernehmlich» rauswerfen. Danach werden die Häuser abgerissen oder saniert. Die SKKG ist zur Zeit daran, alle ihre Häuser zu sanieren, um die Rendite zu erhöhen. Alleine in Winterthur besitzt die Stiftung über 1700 heute noch günstige Mietwohnungen.

Wir lehnen das Vorgehen der SKKG und ihrer Immobilienverwaltung Terresta ab. Wir lassen uns nach all den Jahren nicht einfach «einvernehmlich» rauswerfen und wegsanieren. Darum organisieren wir uns kollektiv in der Häuservernetzung. Die Häuser sind unsere Lebensgrundlage. Wir haben in zwei offenen Briefen an die SKKG und Terresta konkrete, konstruktive und umsetzbare Vorschläge für den Erhalt der Häuser gemacht. Diese Vorschläge werden bis heute ignoriert.

Wir wehren uns

Wir wehren uns gegen die Vertreibung der ärmeren Bevölkerung aus Winterthur und kämpfen für den Erhalt des günstigen Wohnraums. Deshalb haben wir im Februar 2022 während dem alljährlichen Werbeanlass der SKKG eine gutbesuchte Platzkundgebung vor dem SKKG-Sitz unter dem Titel «Vertreibung ist keine Kunst» organisiert. Im März 2022 machten wir mit Transparenten im Stadtraum auf den internationalen Housing Action Day aufmerksam. Am ersten Mai 2022 waren wir mit mehreren hundert solidarischen Menschen an der antikapitalistischen 1. Mai-Demo. Im Dezember 2022 haben wir uns am Stadtspaziergang gegen die steigenden Lebenshaltungskosten beteiligt. Unsere Reden, Flugblätter und Aktionen treffen auf der Strasse auf viel Zuspruch. Betroffen von der akuten Wohnungsnot, hohen Mieten und den Auswirkungen der Krise sind viele in dieser Stadt.

Im Frühling 2022 kam es nach zahlreichen Aktionen mit der Forderung, eine sichere Lösung für alle Bewohner:innen zu finden, zu einem letztlich enttäuschenden Gespräch mit den Verantwortlichen der SKKG und der Terresta. Die Präsidentin der SKKG Bettina Stefanini und der CEO der Terresta Hans Rupp haben sich mit uns - über fünfzig Bewohner:innen der selbstverwalteten Häuser - in einen Raum gesetzt mit der Absicht, uns einen repressiven Gebrauchsleihvertrag aufzuhalsen.

Der Vertragsvorschlag der SKKG war unsicher, er enthielt keinerlei Absicherung über die Zukunft der Bewohner:innen der selbstverwalteten Häuser. Stattdessen strotzte er nur so von fragwürdigen Gängelungen und drohte offen mit gewaltsamer Räumung und Hausfriedensbruchklagen. Dieser Vertragsvorschlag wurde von keinem der selbstverwalteten Häuser unterzeichnet. Wir haben den Vorschlag kollektiv abgelehnt und gleichzeitig einen vernünftigen Vertragsvorschlag vorgelegt. Die SKKG und die Terresta lehnten unseren Vorschlag ab und vertrösteten uns auf einen unbestimmten Zeitpunkt. Die SKKG scheint an einer konstruktiven Lösung nicht interessiert. Unsere Situation bleibt prekär. Mitten in der akuten Wohnkrise werden unsere Häuser bedroht.

Das geht so nicht

Wir warten nicht darauf, dass die SKKG ein Haus nach dem anderen zu räumen versucht. Wir werden selber aktiv und wehren uns gemeinsam gegen Wohnungsnot, Gentrifizierung und steigende Lebenshaltungskosten. Wir werden uns weiterhin in den Häusern, auf der Strasse und den Plätzen treffen und uns mit anderen von der Wohnkrise Betroffenen zusammentun.

Auch 2023 werden wir weiter für den Erhalt des günstigen Wohnraums in Winterthur und anderswo kämpfen. Um die Solidarität unter den Betroffenen zu stärken und den gemeinsamen Widerstand gegen die Wohnkrise und Vertreibungspolitik in den Städten aufzubauen, werden wir an Pfingsten 2023 ein überregionales Treffen gegen die Stadt der Reichen organisieren. Alle wohn- und stadtpolitisch Aktive, alle von Wohnungsnot und Vertreibung Betroffene sind herzlich eingeladen. Mehr Infos zum Treffen werden in den folgenden Wochen auf wohnraumverteidigen.noblogs.org veröffentlicht.

Häuservernetzung Winterthur