Der Schauplatz ist eine Brache am Stadtrand: ein Dreieck zwischen Autobahn und Geleisen, das seit vielen Jahren ungenutzt leer steht. Besitzerin der Brache ist die schwerreiche C. H., wohnhaft in einer Villa in Z., die von ihrem verstorbenen Ehemann wohl nicht nur die Passion für Luxus-Sportwagen, sondern auch das Immobilien-Imperium geerbt hat. Ausschlaggebend für den Kauf der Brache dürfte die Spekulation gewesen sein, das Gelände entweder selbst gewinnbringend zu «entwickeln», oder es für ein vielfaches des Kaufpreises weiterzuverkaufen. Mit gutem Grund: Das Grundstück, gegenwärtig Industriezone, befindet sich im Umzonungsplan der Stadt Zürich, der dereinst Hochhäuser bis 40 Meter möglich machen soll.
(Aktualisierung der Hochhausrichtlinien und Teilrevision der BZO, Nr. 1459/2022, Amt für Städtebau)
Praktische Lösung der Wohnungsnot
In der Stadt Zürich spitzt sich die Wohnsituation seit Jahren zu. Viele Menschen, die in dieser Stadt arbeiten, finden hier keinen Raum zum Wohnen mehr. Gleichzeitig lockt die Stadt internationale Grosskonzerne mit Tiefsteuern an und versucht der globalen Expat-Elite das Leben hier so schmackhaft wie möglich zu machen. Dies schafft eine Zweiklassengesellschaft: Menschen mit Tieflöhnen leiden unter immer prekäreren Wohnbedingungen und werden aus der Stadt gedrängt. Gleichzeitig halten sie mit ihrer Arbeit das System am Laufen und sind darauf angewiesen, in der Region Zürich zu wohnen, weil ihre Arbeit hier verrichtet werden soll.Um gegen diese Entwicklung zu protestieren und aus der auswegslosen Wohnsituation zu finden, hat das Kollektiv «ArtOnWheels» die Lösung selbst in die Hand genommen, und die Brache an der Wehntalerstrasse 711 kurzerhand besetzt. Schnell war die Polizei vor Ort und eine wütende Besitzerin am Telefon. C. H., die ihre Sanftmütigkeit sonst in kitschigen Blumen-Malereien ausdrückt, sei ein «Dobermann», liess sie am Telefon verlauten, und werde eine Besetzung mit allen Mitteln verhindern. Auf dem Grundstück lasse sich wegen der fehlenden Zufahrt derzeit gar nichts realisieren.
«Kontrolle» und keine «Räumung»
Die Polizei fuhr in der Zwischenzeit mit weiteren Kastenwagen vor. Man habe derzeit wegen der Street Parade noch nicht genügend Personal, doch sobald dies vorhanden sei, werde man den Platz mit dutzenden Einsatzkräften umstellen und eine «Kontrolle» durchführen. Unter dieser Androhung verliessen die Besetzer*innen die Brache. Diese Kommunikationsstrategie der Polizei ist bekannt: Seit einiger Zeit vermeidet es die Polizei tunlichst, von «Räumungen» zu sprechen, sondern deklariert ihren Einsatz als «Kontrolle».Theoretisch sollte das «Merkblatt Hausbesetzungen» vorgeben, wann die Polizei eine Räumung durchführen kann und wann nicht. Für eine «Kontrolle» gibt es jedoch keine Vorgaben und damit keine Einschränkungen für die Beamt*innen. Was so eine «Kontrolle» bedeutet, wurde im Winter auf der Juch-Brache deutlich: Was als «Kontrolle» deklariert war, führte zur Verhaftung von vielen Aktivist*innen, sowie zu Anzeigen wegen Hausfriedensbruch, worauf das Wort «Räumung» wohl besser zutrifft.
Mit dieser Kommunikationsstrategie will die Polizei vermutlich verhindern, dass die Links-Grünen Politiker*innen herausfinden, dass ihr «Merkblatt Hausbesetzungen» systematisch ignoriert wird. Immerhin verweisen diese regelmässig auf die «bewährte Praxis», wenn sie auf das Thema Besetzungen angesprochen werden. Dass diese Praxis nicht mehr gilt, die Polizei die Immobilienspekulation eines superreichen «Dobermanns» als wichtiger bewertet als nutzbaren Wohnraum, ist noch nicht in allen Kreisen angekommen.
Reiche Menschen können Land kaufen und damit spekulieren.
- Warum können es nicht die Menschen brauchen, die es Nutzen wollen in der Zwischenzeit?
- Wird die Wehntalerstrasse 711 jetzt für weitere 10 Jahre leerstehen?
- Wie lange wollen wir uns diese Superreichen noch leisten?