Störende Ergebnisse von Wahlen kennt man natürlich aus dem Ausland. Da wird bei Gelegenheit sogar angezweifelt, ob es überhaupt mit rechten, nämlich demokratischen Dingen zuging, wenn mal wieder der zentrale Akt dieser Herrschaftsform – das Kreuzchenmachen auf einem Zettel in einer Kabine – zum Zuge kam, also von oben angeordnet wurde. So stellt sich die Frage: Wann ist denn eine Wahl demokratisch? Womit auch gleich die Grundsatzfrage aufgeworfen wird: Was ist eigentlich eine Demokratie?
Demokratie ist Scheisse, aber...
„Die Demokratie ist die schlechteste Staatsform, ausgenommen all diese anderen, die man von Zeit zu Zeit ausprobiert hat.“ (Churchill) Auch wenn vielfach auf dieses Zitat des englischen Staatsmanns zurückgegriffen wird, wenn es um die Bestimmung von Demokratie geht, klärt der Spruch eigentlich nichts. Denn er unterstellt doch schon die Demokratie und vergleicht sie mit anderen Staatsformen, die dabei noch schlechter abschneiden sollen. Wikipedia ist da schon aussagekräftiger:„Aus der ursprünglichen Wortbedeutung von Demokratie (Macht oder Herrschaft des Volkes) abgeleitet und um das Objekt der Herrschaftsausübung logisch erweitert folgert [der italienische Politikwissenschaftler] Giovanni Sartori: ‚Demokratie ist die Macht des Volkes über das Volk'. Dabei zu beachten sei, dass die vom Volk nach oben ausgehende Macht – wiederum durch die Kontrolle des Volkes – auch die Machtausübung nach unten bestimme. Andernfalls bestehe die Gefahr, dass die Herrschaft über das Volk mit der Herrschaft des Volkes nichts zu tun habe. ‚Wer Macht delegiert, kann sie auch verlieren; Wahlen sind nicht notwendig frei; und die Repräsentation nicht unbedingt die echte'.“
Eine wahrlich irre Konstruktion. Da errichtet das Volk eine Herrschaft über sich selbst, die bloss das tun soll, was es selber will. Nur: Wenn das Volk jemand beauftragt, das zu tun, was es will, wozu braucht es dann noch eine Herrschaft, sprich einen Gewaltapparat, um das durchzusetzen, was es sowieso schon will? Dabei setzt es sich zudem der Gefahr aus, seine Macht über sich selbst zu verlieren, sprich: Figuren zu ermächtigen, die nicht das tun, was das Volk will. Irgendwie muss mit der Konstruktion dieser Herrschaft also etwas nicht stimmen. Wo Demokratie drauf steht und alles ihren Regeln zu folgen scheint – Wählen und wählen lassen, Herrschaft auf Zeit, Gewalten teilen beim Beherrschen… –, muss nicht unbedingt Demokratie drin sein. Womit die Frage in der Welt ist, wann denn nun Wahlen frei sind und die Repräsentation des Volkes echt?
Die obige Definition scheint auch deutsche Demokraten nicht zufrieden zu stellen: „Für [den Sozialwissenschaftler] Samuel Salzborn liegt es im Wesen der Demokratie selbst, sich einer verbindlichen, konsensfähigen Definition zu entziehen. Was die Demokratie kennzeichne, müsse umstritten sein, weil es zum demokratischen Prozess gehöre.“ (Wikipedia) Eine seltsame Lösung: Wenn man gar nicht weiss, was Demokratie ist, wie kann man denn dann entscheiden, ob ein Prozess und damit Wahlen demokratisch sind?
Die Auflösung solcher Schwierigkeiten, die das Internet-Lexikon bietet, ist da wenig überraschend: „Im 21. Jahrhundert ist das Wort stark positiv besetzt und dient unter anderem dazu, Populisten zu delegitimieren, die ihrerseits für sich in Anspruch nehmen, die Interessen des Volkes zu vertreten. Demokratisch und nichtdemokratisch sind so Synonyme für gut und böse geworden.“ (Wikipedia) Es ist natürlich ein seltsames Verfahren, das da in der politischen Öffentlichkeit unterwegs ist: Sich mit einer griechischen Vokabel auf das Volk (=Demos) zu beziehen, zeugt von guten Politikern, während die anderen, die sich mit einem lateinischen Vokal auf das Volk (=Populus) berufen, die Bösen sind. Aber es schafft klare Verhältnisse – jedenfalls für die Guten, die gegen die Bösen kämpfen.
Der Kampf der Guten gegen die Bösen
Betrachtet man die aktuelle deutsche Berichterstattung über Wahlen in den verschiedenen Ländern – ob nun USA, Georgien, Moldawien oder wo auch immer –, so fällt auf, dass Medien und Politik überall undemokratische Kräfte entdecken. Staatsgewalt und Vierte Gewalt hierzulande befinden sich offenbar in einem Kampf-Modus gut gegen böse. Und es ist nicht die Aussenministerin allein, die so die Welt moralisch unterteilt – je nachdem, wie andere Staaten zu „uns“, also zum Fortkommen Deutschlands in der Welt stehen. Offenbar gilt die Devise, die ein amerikanischer Präsident für sein Land formuliert hat – „America first“ –, auch für „uns“ und natürlich für alle Nationen, die Ansprüche auf Weltgeltung erheben.Politiker, die den Erfolg ihrer Nation wollen, streiten sich aber darüber, wie der Erfolg sicherzustellen ist. Ein garantiert zuverlässiges Konzept gibt es nicht in der Konkurrenz von Staaten, die alle auf ihren Fortschritt aus sind. So stehen Personen zur Wahl, die sich für einen bestimmte Erfolgsweg stark machen. Sie werden dann von hiesigen Politikern wie Medien danach beurteilt, wie sie zu deutschen Interessen stehen, ob sie also zu den Guten oder zu den Bösen gehören. Und da werden selbst in den eigenen Reihen der EU-Autokraten ausfindig gemacht – wie etwa der ungarische Ministerpräsident Orban, ein waschechter Undemokrat.
Selbst der oberste Führer des Freien Westens, also „unseres“ Machtblocks, ist vor einem solchen Vorwurf nicht gefeit, wenn er etwa droht, deutsche Interessen nicht angemessen zu berücksichtigen (über alle anderen Absonderlichkeiten wird man, wie von Kanzler Scholz angekündigt, pragmatisch hinwegsehen können). Wobei die Bezeichnung Autokrat eigenartig ist. Sie wird auf viele Regierende in der Welt angewandt, die zwar ebenfalls gewählt wurden, aber nicht zu den lupenreinen Demokraten gehören sollen. Wieder findet man im Internet Aufklärung: „Autokratische oder autoritäre Führer werden oft als Personen beschrieben, die die höchste Autorität und Macht über andere haben. Diese Führer neigen dazu, Entscheidungen ausschliesslich auf der Grundlage ihrer eigenen Ideen zu treffen und hören nicht auf ihr Team oder suchen nach Input von anderen.“
Einer ernsthaften Prüfung kann diese Definition nicht standhalten. Denn auch demokratische Führer entscheiden auf der Grundlage eigener Ideen und sind nur ihrem Gewissen verpflichtet. Ein Putin, der als Prototyp des autoritären Führers gilt, hat eine Schar von Beratern um sich und es ist nicht davon auszugehen, dass er sie für Nichtstun bezahlen lässt. Er setzt dann auch in Kriegszeiten Wahlen an und holt sich vom Volk mehrheitlich die Zustimmung. Hilft ihm aber nichts. Bei „uns“ zählt er zu den Autokraten, während Selenskij, der die Wahlen ausgesetzt hat und ohne Mandat der Wähler regiert, zu den lupenreinen Demokraten gehört.
So erweist sich die Unterteilung der Welt in die Guten und die Bösen, Demokratie versus Autokratie, mit der die Gegensätze in der globalen Ordnung begründet werden, als eine von den nationalen Interessen geleitete Darstellung im moralischen Gewand. Und so ist denn auch die Berichterstattung in den Medien alles andere als sachlich, wenn es um Wahlen in der Welt geht. Hier einige Hinweise zu aktuellen Fällen. Manipulierte Wahlen in Georgien und Moldawien
Worum es bei den Wahlen in den beiden Ländern ging, haben sich die Wähler offenbar nicht selber ausgesucht. Der Fall Georgien: „Es stand viel auf dem Spiel, und die Opposition und ein Grossteil der pro-demokratischen und pro-europäischen georgischen Zivilgesellschaft betrachteten und bezeichneten die Wahl als Referendum über die europäische Integration Georgiens.“ Folgt man der Diagnose der Heinrich-Böll-Stiftung, dann standen bei der Wahl in Georgien nicht einfach Personen und Parteien zur Wahl, die sich mit Alternativen für das Land um die Macht beworben haben, sondern es ging um die Entscheidung für oder gegen die EU bzw. für oder gegen Russland.
Eine dritte Alternative taucht da gar nicht mehr auf – dass etwa das Land versuchen könnte, mit beiden Staaten oder Staatenblöcken im Geschäft zu bleiben. Schon der Versuch der Regierungspartei „Georgischer Traum“ (GT), die sich für eine EU-Aufnahme ausspricht, aber Bedingungen formuliert, gilt aus Sicht hiesiger Beobachter, etwa der Friedrich-Naumann-Stiftung, als reine Unverschämtheit: „Allerdings stellt der GT seine eigenen Bedingungen: Einen EU-Beitritt solle es nur unter Wahrung von ‚Würde und Tradition' geben, ganz nach ungarischem Vorbild.“
Für diese Länder gibt es kein Sowohl-als-Auch, keine Neutralität oder was sonst noch denkbar wäre. Wo der Westen in Form von Nato und EU eine Einkreisung und einen Krieg gegen Russland betreibt bzw. sponsert, müssen die Länder an der Grenze zu Russland eindeutig Farbe bekennen, somit die Regierenden dieser Länder sich zu einem entsprechen Kurs bequemen. Das hat offenbar die Präsidentin von Moldawien begriffen: „Im Herbst 2020 wurde Maia Sandu mit überraschend klaren 57 Prozent ins Amt gewählt und hat angefangen, den etablierten Oligarchen das Leben schwer zu machen. Im Juli 2021 bekam ihre Partei PAS dann eine überwältigende Mehrheit im Parlament. Man hätte den Eindruck gewinnen können, ihr pro-EU Kurs wird von einer breiten Mehrheit getragen und das Referendum ist nur eine reine Formsache.“)
Das Ergebnis des Referendums war jedoch denkbar knapp für die EU ausgegangen, den Staatsbürgern des Landes wurde ja auch einiges abverlangt: „Die Abstimmung war keine direkte Entscheidung für oder gegen die EU – das stellte der Vertreter der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung für Moldau, Hett, im Deutschlandfunk klar. Durch das Referendum sollte der EU-Kurs des Landes als unwiderrufliches strategisches Ziel in der Verfassung verankert werden. Neben dem EU-Beitritt als Verfassungsziel sei es auch darum gegangen, dass die EU-Verträge Vorrang vor der moldawischen Gesetzgebung bekommen – sogar schon vor einem möglichen EU-Beitritt, wie Hett betonte.“
Der Inhalt des Referendums lief auf einen weitgehenden Souveränitätsverzicht hinaus und sollte das Land auf die EU und damit auch auf die Gegnerschaft zu Russland festlegen. Fazit: Dass das Ergebnis des Referendums nur mit Hilfe der Stimmen aus dem Ausland zustande kam, dass die Mehrheit im Lande gar nicht zu dem Ergebnis steht oder dass die Wahl in Georgien nicht die richtige Regierung hervorgebracht hat, kann nur daran liegen, dass bei den Wahlen etwas falsch gelaufen ist.
Demokratische Willensbildung? Hängt vom Ergebnis ab
So wollen die berufenen Wahlbeobachter aus Deutschland viele Unregelmässigkeiten entdeckt haben: „Dass sich im Wahlkampf die Spaltung fortsetzt, die die politische und mediale Landschaft in Georgien seit Jahren durchzieht, ist vor allem dem Georgischen Traum und Iwanischwili zu verdanken, der sich im Dezember zum Ehrenvorsitzender seiner Partei kürte. Er lässt den Georgischen Traum mit dem Thema Krieg (Opposition) oder Frieden (Regierung) Wahlkampf machen.“Ein wirklich ungewöhnlicher Sachverhalt, dass sich in einem Wahlkampf die Parteien voneinander abgrenzen und so eine Spaltung der Wähler bewirken, die dann jeweils der einen oder anderen Fraktion zustimmen! Und wo die Politiker auch noch mit der Frage von Krieg und Frieden in den Wahlkampf ziehen! Das soll ein absoluter Verstoss gegen demokratische Sitten sein, wobei dem Schreiber glatt entgangen sein dürfte, dass sich auch ein Kanzler in Deutschland auf Wahlplakaten mit dem Titel „Frieden“ hat abbilden lassen – und das, obgleich er tatkräftig den Krieg in der Ukraine unterstützt.
Beim Wahlkampf geht es eben nicht darum, in die Wählerschaft hinein zu hören, sondern Aufgabe der Parteien ist es, den politischen Willen der Wähler zu bilden, sprich: sie auf die entsprechenden Staatsalternativen einzuschwören. Und das machen sie nicht nur während der Wahl. In den Medien sind sie ständig präsent, um für ihre Politik zu agitieren. Dabei geht es auch darum, die persönlichen Berechnungen der Bürger mit diesen Staatsalternativen in Zusammenhang zu bringen. Schliesslich sind die Bürger von den staatlichen Entscheidungen abhängig. So wird noch jede Förderung der Wirtschaft in die Schaffung von Arbeitsplätzen übersetzt, Aufrüstung als Dienst an „unserer“ Sicherheit dargestellt usw.
Was da erlaubt ist und was nicht, entdecken deutsche Berichterstatter sofort, wenn sie in den Osten blicken und etwa unter dem Titel „Weit verbreitete Manipulation“ Folgendes zu vermelden wissen: „...die antiwestliche Rhetorik des GT wirkte sich negativ auf den zivilgesellschaftlichen Raum im Land aus, der vor allem im Vorfeld umstrittener Wahlen entscheidend ist. Darüber hinaus bestand ein krasses Missverhältnis zwischen den finanziellen Ressourcen der Regierungspartei und der Opposition.“
Dass der „Georgische Traum“ für seine Politik geworben hat, ist schon allein deswegen ein Verstoss gegen demokratische Sitten, weil er sich damit von der EU und der Nato abgrenzt, was sich offensichtlich nicht gehört. Das soll sich negativ auf die Wähler ausgewirkt haben, die aber nicht als solche auftauchen, sondern als ein Raum, der offenbar unbeeinflusst von der Regierung zu sein hat. Dass in demokratischen Wahlen immer auch Geld eine Rolle spielt (man denke nur an die Milliarden, die der US-Wahlkampf gekostet hat), soll in Georgien eine Besonderheit darstellen. Für die Bildung des Wählerwillens brauchen aber alle Parteien – nicht nur zu Wahlkampfzeiten – einen Apparat und der kostet Geld. Dabei verlassen sich auch hierzulande die Parteien nicht auf die Beiträge ihrer Mitglieder, sondern wissen sich auf vielfältige Weise staatlicher Quellen zu bedienen, angefangen von Geldern entsprechend der abgegebenen Stimmen über die Finanzierung der Fraktionen bis zu den „parteinahen“ Stiftungen.
Diejenigen, die an der Macht sind, wissen in der Regel auch ihre Institutionen für Parteiwerbung zu nutzen. Über Aufsichtsgremien sichern sie sich zudem Einfluss auf die Medien. Verbindungen zu Medienkonzernen wie zum Hause Springer zahlen sich auch bei Wahlen aus. Dazu kommen Spenden aus der Wirtschaft, die sich von einer guten Beziehung zu den Parteien einiges versprechen. In Georgien heissen die Wirtschaftsvertreter oder Medienhausbesitzer allerdings Oligarchen. Die gibt es natürlich auf beiden Seiten, aber nur die, die auf der falschen Seite stehen, sind der Beweis dafür, dass nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sein kann.
Putin: Einfluss mit Desinformation & Stimmenkauf
Ob Wahlen wirklich – nennenswert – verfälscht wurden und sich jemand in den Willensbildungsprozess in anderen Ländern auf undemokratische Weise eingemischt hat, muss nicht gross nachgewiesen werden. Schliesslich gilt Putin als der ausgemachte Bösewicht schlechthin: „Maia Sandu hat die Präsidentenstichwahl in der Republik Moldau gewonnen – aber das ist nur die halbe Nachricht. Viel wichtiger ist gegen wen und wie die pro-europäische Politikerin diesen Sieg erkämpft hat: gegen den russischen Geheimdienst und russisches Geld, gegen logistische und mediale Hilfe aus dem Kreml in einem Ausmass, wie sie das Land an der Peripherie der ehemaligen Sowjetunion wohl seit dem Zerfall der UdSSR nicht mehr erlebt hat.“ (Cathrin Kahlweit, SZ, 5.11.24)An Beweisen fehlt es dann in der Presse und den Medien auch nicht. Da stopft ein Mensch Zettel in eine Urne, zu welcher Seite dieser Mensch gehört, muss nicht weiter ermittelt werden, sondern ist jedem Betrachter klar. Da werden Menschen in einem Flugzeug vorgeführt, die ihre moldawischen Pässe hochhalten und die der lebende Beweis dafür sein sollen, dass Russland Moldawier zu den Wahlen karrt, um sie zu fälschen. Dass das positive Ergebnis für die Präsidentin vor allem den Wählern aus der EU zu verdanken ist, beweist nicht die Einflussnahme von Seiten des Westens, sondern den Freiheitswillen der in der EU lebenden Moldawier. Die sind nicht wegen des Geldes, sondern ihrer Freiheitsliebe wegen dorthin emigriert. Und weil es in Georgien und Moldawien um viel geht im Kampf Gut gegen Böse, kann die Bildung des Wählerwillens nicht allein den Parteien vor Ort überlassen bleiben. So sind denn auch die „diplomatischen Hilfstruppen“ deutscher Aussenpolitik (Deutschlands „Parteinahe Stiftungen“ laut Wikipedia vor Ort:
„Mein Praktikum bei der Friedrich-Ebert-Stiftung im georgischen Büro in Tiflis war für mich ohne Zweifel eine grosse Bereicherung… Um Einblicke in die Auslandsarbeit einer deutschen Stiftung zu bekommen, hatte ich mich für ein Praktikum in Georgien beworben. Dominierend waren während meiner Zeit hier auf jeden Fall die Diskussionen um die Verleihung des EU-Beitrittskandidatenstatus, zahlreiche bewegende Gespräche und Demonstrationen inklusive. Neben klassischen sozialdemokratischen Arbeitsthemen der FES (Mindestlohn, Gewerkschaften… Kooperation sozialdemokratischer Kräfte, besonders im Hinblick auf die anstehenden Wahlen in 2024, und zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit), drehten sich die meisten Veranstaltungen seit dem russischen Angriffskrieg auch sehr viel um Sicherheitspolitik in Georgien und der Region.“
Und so sind denn auch Konrad-Adenauer-, Friedrich-Naumann-, Friederich-Ebert- und Heinrich-Böll-Stiftung vor Ort, um mit Veranstaltungen, Teilnahme an Demonstrationen, Schulungen von politischen Nachwuchskräften für das richtige politische Klima im Lande zu sorgen, was natürlich alles andere als eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes darstellt – hilft man doch so den Guten! Und da ist es wenig erstaunlich, wenn bei entsprechenden Demonstrationen die Demonstranten nicht etwa irgendwelche Pappschilder oder selbstgemalte Transparente mit sich führen, sondern mit professionell gestalteten Schirmen in den Farben der EU und Georgiens promenieren und ebenso professionell gestaltete Fahnen schwenken.
Sie deshalb als ausländische Agenten zu betrachten, geht aber gar nicht: „In jüngster Zeit hat die Partei [Georgischer Traum] begonnen, dem russisch-ungarischen Drehbuch umfassend und strategisch zu folgen, unter anderem durch die Verabschiedung der so genannten ‚ausländischen Agenten-Gesetzgebung'…“ Mit dem Gesetz sollten die so genannten Nicht-Regierungsorganisationen (NGO) offenlegen, ob sie Gelder aus dem Ausland erhalten. In Georgien, so die Schätzung, sind einige Tausend solcher NGO's unterwegs, die die sogenannte Zivilgesellschaft bilden. Dieses Gesetz wurde als Russen-Gesetz gebrandmarkt, obgleich auch die USA eine solche Vorschrift kennen. Aber die gehören ja zu den Guten.
Und seid ihr nicht willig, so braucht es eben Gewalt
Und wenn trotz intensiver Bemühungen der Guten dennoch das Böse in einem solchen Lande siegt, dann wissen berufene Fachleute der Stiftungen auch schon vor der Wahl, wie es weitergehen kann: „Vor etwas mehr als zehn Jahren hatte ein korrupter und zunehmend autoritär agierender Präsident Janukowitsch in der Ukraine lange mit der EU verhandelt, um schliesslich dem russischen Druck nachzugeben und im November 2013 kein Assoziierungsabkommen mit Brüssel abzuschliessen. Darauf folgten wochenlange Proteste einer europafreundlichen Bevölkerung, die im ‚Euro-Maidan' kulminierten, vor dem Janukowitsch im Februar kapitulierte und nach Russland floh. Korruption und zunehmend autoritäres Vorgehen sind in den letzten Jahren auch die Markenzeichen des Georgischen Traums, Iwanischwillis und seiner Grosswesire geworden…“Und mit Regime-Change haben ja die Guten – angeführt von der werteorientierten Führungsmacht – langjährige Erfahrungen. Hatten sie früher – bei den Putschs in Lateinamerika, Griechenland oder bei der Installierung eine Schahs im Iran – eher auf das von ihnen ausgebildete Militär gesetzt, so setzen sie heute eher auf die Zivilgesellschaft, bei deren Ausschreitungen dann auch deutsche Aussenminister vorbeischauen wie seinerzeit in der Ukraine beim Euro-Maidan. In Georgien wurde bisher nur die zweite Garde gesichtet – so der SPD-Politiker Roth –, aber da stehen die Guten ja erst noch am Anfang.