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Die Organisierung eines basisdemokratischen Widerstands

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Die Organisierung eines basisdemokratischen Widerstands Sich zusammenschliessen

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Politik

Wir sind viele. So viele, die denken und die Erfahrung machen, dass dieses System am Ende ist. Aber unsere Stimmen sind verstreut, unsere Aufrufe verhallen ungehört, unsere Aktionen laufen ins Leere.

Demonstration während des G20 Gipfels in Hamburg.
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Demonstration während des G20 Gipfels in Hamburg. Foto: Leonhard Lenz (PD)

Datum 16. Juni 2020
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Das geht so weit, dass wir uns manchmal kaum noch etwas zutrauen, überwältigt sind von Ohnmachtsgefühlen. Zwar hat die Zersplitterung durchaus auch ihr Gutes, denn sie ist unvereinbar mit Zentralisierung oder der Einschwörung auf einen Kurs. Dennoch: Wir müssen zusammenkommen. Und das ganz sicher jetzt, da eine wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Krise dabei ist, ohne Umschweife ihre Gewalt zu entfesseln: brutal und in ungeahntem Ausmass.

Wenn wir tatsächlich „im Krieg sind“ [so Macron angesichts von COVID19 am 16.03.2020], dann in einem gesellschaftlichen. Bereits jetzt wird erbarmungslos angegriffen: in Form des erpresserischen Drucks auf die Beschäftigten, der Infragestellung von Freiheiten und Rechten, der Lügen und der Gewalt seitens des Staates, der Einschüchterungen, der Polizeigewalt, insbesondere in den Vorstädten, der allgegenwärtigen Überwachung, der Herablassung seitens der Eliten, der rassistischen Diskriminierung, der übelsten Verächtlichmachung der Armen, der Angreifbarsten, derer, die im Land Zuflucht gesucht haben.

Es ist höchste Zeit, die Stigmatisierungen denen ins Gesicht zu schleudern, die sie zu verantworten haben. Für einen immer grösseren Teil der Bevölkerung sind die Bedingungen des Wohnens, der Gesundheitsversorgung, der Ernährung, manchmal schlicht der Grundversorgung katastrophal. Wenn etwas „extrem“ ist, dann sind es die atemberaubenden Ungleichheiten, die sich durch die Krise noch weiter zugespitzt haben. Wenn etwas „extrem“ ist, dann ist es ist genau diese Gewalt. In diesem System wird unser Leben immer weniger wert sein als ihre Profite.

Und wir scheuen uns nicht mehr, die Realität dessen deutlich zu benennen, was auf unseren Gesellschaften lastet. In den vergangenen Jahrzehnten war „Kapitalismus“ ein Tabubegriff geworden, alternativlose Allgegenwart, so selbstverständlich wie die Luft, die man atmet – eine Luft, die ihrerseits zunehmend infiziert ist. Inzwischen kommen wir nicht mehr umhin, das Kapitalocän als eine Ära zu begreifen, zerstörerisch und tödlich, eine Ära, die mit mörderischer Gewalt die Erde und alles Lebendige zu überwältigen droht. Die Herausforderung besteht nicht mehr nur darin, einen Neoliberalismus zu bekämpfen, um zu einem „akzeptableren“, „grünen“, „sozial verträglichen“ oder „reformierten“ Kapitalismus zurückzukehren. Der entfesselte Kapitalismus lässt sich nicht bändigen, reparieren oder verbessern.

Er gleicht einem Vampir oder einem schwarzen Loch, ist in der Lage, alles einzusaugen. Er hat keine Moral, kennt nichts als den puren Egoismus. Er kennt kein anderes Prinzip als das des Profits. Diese alles verschlingende Logik ist zynisch und mörderisch wie jeder ungebremste Produktivismus. Sich zusammenzuschliessen bedeutet, auf diese Logik kollektiv zu antworten, durch unsere Zahl dieser Antwort Gewicht zu geben und dem Kapitalismus entgegenzutreten, ohne dabei auch nur entfernt daran zu denken, dass es mit ihm einen Kompromiss geben könnte.

Doch wir sind nicht nur und nicht vor allem „gegen“. Zwar haben wir keinen Schlüssel in der Hand, der eine eindeutige Perspektive eröffnen würde, aber wir werden ständig mehr, die nicht nur nachdenken und Theorien entwickeln sondern auch Praktiken glaubwürdiger und greifbarer Alternativen für ein menschliches Leben. Dass wir sie miteinander verknüpfen, ist entscheidend. Was diese Erfahrungen und Hoffnungen bereits jetzt verbindet, ist eine Vision von den Allgemeingütern, den „commons“, die nicht auf Besitz gegründet ist, sondern auf den Gebrauch, die soziale Gerechtigkeit und die Allen gleichermassen zukommende Würde. Die „commons“ sind Ressourcen und Güter, kollektive Aktivitäten und Lebensformen. Sie ermöglichen uns, ein gutes Leben nach grundlegend veränderten Kriterien anzustreben: nicht mehr der Markt, sondern das Teilen, nicht mehr die Konkurrenz, sondern die Solidarität, nicht mehr der Wettstreit, sondern das Gemeinsame – darum geht es.

Diese Ansätze sind tragfähig. Sie öffnen den Blick auf eine andere Welt, die frei ist von der Jagd nach Profit, der lohnend verausgabten Zeit, den Warenbeziehungen. Es ist notwendiger denn je und bedeutsam, diese Ideen und Erfahrungen zu teilen, zu diskutieren und zu verbreiten.

Wir wissen aber auch, dass das nicht reichen wird: Wir sind uns bewusst, dass die Macht des Kapitals es niemals zulassen wird, dass wir uns friedlich als kollektive Kraft organisieren, die ihm grundsätzlich entgegensteht. Wir wissen, dass die Konfrontation unausweichlich ist. Umso wichtiger also, dass wir uns organisieren, Verbindungen und Solidarität untereinander schaffen, auf der lokalen wie der internationalen Ebene, und aus der Selbstorganisierung und der Autonomie unserer Aktionen ein aktives Prinzip machen, eine geduldige und hartnäckige Sammlung der Kräfte.

Das bedeutet, alle Formen echter Demokratie auszuweiten: die Brigaden der Solidarität, wie sie sich in den Vorstädten vervielfältigt haben, Versammlungen, Kooperativen, Aktions- und Entscheidungskomitees an unseren Arbeitsplätzen und in anderen Lebenszusammenhängen, Zones à Défendre (ZAD), freie Gemeinschaften, kritische Zusammenschlüsse, Initiativen zur Vergemeinschaftung von Produktionsmitteln, Diensten und Gütern … Heute rufen diejenigen, die im Bereich von Gesundheit und Pflege arbeiten, zu einer breiten Bewegung auf.

Diese Perspektive ist ebenso vielversprechend wie grundlegend: Diejenigen, die tag-täglich für andere sorgen, sind geradezu berufen, zusammen mit den Zusammenschlüssen der Endverbraucher*innen und den Kranken und ohne die Manager*innen und selbsterklärten Expert*innen die Erfordernisse der öffentlichen Gesundheitsversorgung festzustellen. Und dieser Gedanke ist in allen gesellschaftlichen Bereichen anwendbar. Wir sind legitimiert und in der Lage, über unser Leben selber zu befinden – zu entscheiden, was wir brauchen: die Selbstverwaltung als Form, unsere Angelegenheiten in die Hand zu nehmen. Und die Verbindung (fédération) als Gegenmacht.

Wir verklären die Vergangenheit keineswegs. Aber wir erinnern uns daran, wer „die Federierten“ waren, diejenigen, die in der Commune von Paris tatsächlich das Leben verändern, ihm Sinn und Kraft verleihen wollten. Ihre Bewegungen, ihre Kulturen, ihre Überzeugungen waren durchaus unterschiedlich: unter ihnen gab es Republikaner*innen, Marxist*innen, Libertäre und manchmal all das in einer Person. Aber was sie einte, das war derselbe Mut und die gemeinsame Überzeugung vom „Gemeinwohl“.

Wie sie, so haben auch wir unterschiedliche Auffassungen. Aber genau wie sie können wir diese Unterschiede angesichts der Dringlichkeit und der Dramatik hintanstellen, wir brauchen nicht zurückzufallen in unendliche Spaltungen, sondern können uns als Commune zusammentun.

Eine gemeinsame Plattform für Ausarbeitungen, Initiativen und Aktionen würde unseren Aktivitäten mehr Nachdruck verleihen. Informelle Koordinierung oder strukturiertes Vorgehen? Es ist an uns, das zu entscheiden. Angesichts des alles durchdringenden herrschenden Diskurses müssen wir uns zusammentun, wenn nicht um ihn zum Schweigen zu bringen, so doch um ihm wirksam etwas entgegenzusetzen.

Wir müssen zusammenkommen, um eine konkrete Alternative umzusetzen, die Hoffnung begründet.

Sobald wir die ersten Kräfte versammelt haben, organisieren wir ein Treffen, dessen Modalitäten wir natürlich gemeinsam entscheiden.

Zur Unterzeichnung des Appells: appelsefederer@riseup.net

pm