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Ewgeniy Kasakow: Kritik des Anarchismus

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Wer solche Freunde hat braucht keine Feinde mehr Ewgeniy Kasakow: Kritik des Anarchismus

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Politik

Kürzlich veröffentlichten Daniel und Nadim auf ihrem bekannten Podcast 99 zu 1 eine weitere Folge mit Ewgeniy Kasakow zur „Kritik des Anarchismus“.

Ne Tanri Ne Devlet - Kein Gott kein Staat.
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Ne Tanri Ne Devlet - Kein Gott kein Staat. Foto: Ingo Neu (CC-BY 3.0 unported - cropped)

Datum 14. Juni 2023
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Das Kasakow ein augeblasener Scharlatan ist, der es sich aus ganz persönlichen Gründen offenbar zur Lebensaufgabe gemacht hat, den Anarchismus falsch darzustellen und zu diffamieren, entgeht, Daniel, welcher mit ihm das Interview führt geflissentlich. Selbstverständlich ist eine echte Kritik am Anarchismus legitim und wichtig für seine Weiterentwicklung.

Kasakow entwickelt seit Jahren jedoch keine theoretisch fundierte und kohärente Position, sondern reiht Pseudo-Argumente aneinander, wie es ihm in den Kram passt. Zweifellos ist er Profi darin, sich diese hermetisch abgeschlossene Sichtweise zurecht zu konstruieren mit aus dem Kontext gerissenen und wild assoziierten Aussagen, die bisweilen schlichtweg falsch sind.

Idioten sind es, die sich von derartiger Selbstbeweihräucherung blenden lassen und Unwissende, die ihre Vorurteile darin bestätigt sehen. Dies zu erklären würde verlangen, dass skurrile Bedürfnis zu verstehen, anarchistische Positionen kritisieren zu wollen. Ich vermute es resultiert vor allem aus der Ohnmachtserfahrung derjenigen, welche sich aus Frustration an ihrer eigenen Praxis Scheinwelten in der reinen Theorie-Beschäftigung aufbauen – was schon erkenntnistheoretisch zu Fehlschlüssen führen muss. Theoretische Entwicklungen, welche rein um sich selbst kreisen, bleiben wirkungslose Selbstbespassung, mit welchen ein paar einsame Jungs masturbieren.

Zunächst ist es schlichtweg falsch, dass es keine zeitgenössische anarchistische Theorie gäbe, die eigenständige Perspektiven aufzeigt, Argumentationsstränge entfaltet und Positionen verdeutlicht. Inwiefern diese im Detail für plausibel erachtet werden und welchen Gehalt sie aufweisen, ist dabei eine Frage, die am jeweiligen Fall diskutiert werden müsste. Eva von Redeckers Revolution für das Leben, Milo Probsts Für einen Umweltschutz der 99%, Jedediah Purdy Die Welt und wir. Politik im Anthropozän, David Wengrows und David Graeber Anfänge. Eine neue Geschichte der Menschheit oder Paul Sörensens Präfiguration. Zur Politizität einer transformativen Praxis bezeugen dies anschaulich. Nichts davon kommt in der Podcast-Folge von 99 zu 1 – man erwähnt diese Entwicklungen nicht einmal. Es mag sein, dass es sich um tendenziell akademische Schriften handelt – dies trifft auf verschiedene Werke, die dann für kommunistische Positionen herangezogen werden (z.B. zur sogenannten „Staatsableitungsdebatte“) aber ebenfalls zu.

Wirklich hanebüchen wird es, wenn Kasakow immer wieder darauf insistiert, dass es Schnittpunkte zum sogenannten „Nationalanarchismus“ und „Anarcho-Kapitalismus“ geben würde. Dies ist eine gezielte Falschdarstellung, weil unter ersterem eine strategische Entwicklung unter Faschisten verstanden wurde, welche in der Realität anarchistischer Szenen keinerlei Rolle spielt. Die irreführende Assoziation mit Bakunins Eintreten für den Panslawismus, welcher vielmehr eine anti-koloniale Bestrebung seiner Zeit ist, grenzt dabei an Debilität. Zweiteres ist wiederum eine gezielte Entwicklung durch Autoren wie Murray Rothbard, die von Stefan Blankertz im deutschsprachigen Raum bekannt gemacht wurde. Letzterer zitiert dabei öfters Anarchist*innen und interpretiert deren Denken bewusst falsch (indem er etwa Kropotkins Konzeption der „gegenseitigen Hilfe“ völlig unzutreffend als Bewegungen auf „freien Märkten“ liest). Ebenfalls spricht er ähnlich wirr wie Kasakow vom „linken“ und „rechten“ Anarchismus – und blendet dabei eben mal die umfangreichen Debatten über Politik und Parlamentarismus aus. Dies macht den ganzen Quatsch aber weder politisch-theoretisch, ideengeschichtlich noch in der Realität sozialer Bewegungen irgendwie „anarchistisch“.

Trotz der süffisanten Art, mit welcher Kasakow vor sich hinseiert und seinem Gesprächspartner Honig ums Maul schmiert, der darauf offensichtlich ziemlich steht, zeigt sich, dass der „Anarchismus-Kritiker“ letztendlich wenig Plan von seinem Gegenstand hat. Ja, sicherlich hat er haufenweise Texte zum Thema gelesen. Verstanden hat weder diese hinreichend, noch gelingt es ihm einen Bezug zum real-existierenden Anarchismus ausserhalb seiner Schädelwände herzustellen. Kasakow ist ein trauriges Beispiel dafür, dass man sich tatsächlich dumm lesen kann. Und mit dieser Dummheit, also mit seinem eigenen idiotischen Unverständnis des Anarchismus, kann er dann scheinbar nicht anders umgehen, als sie den Anarchist*innen selbst vorzuwerfen.

Selbst in seiner Behauptung, die Gemeinsamkeit der pluralen anarchistischen Strömungen bestünde darin, dass sie alle den Staat ablehnen würden, zeigt sich, wie hängengeblieben der Typ wirklich ist. Dass es permanent weiter seine Beiträge unterbringen kann, sagt allerdings ebenfalls etwas über die Beteiligten an selbstreferenziellen linker Debatten und ihrer mangelnden Haltung aus. Als wäre alles relativ zeigt sich gerade in der Beliebigkeit, mit welcher Daniel sich an seinem eigenen Gedankenrauschen ergötzt, dass die vermeintlich kommunistischen Kritiker ganz Produkt der postmodernen Zeiten sind, in welchen sie leben. Selbstverständlich gibt es Gemeinsamkeiten anarchistischer Strömungen über die unterstellte „Staats-Ablehnung“ hinaus – insbesondere im Streben nach Autonomie, der Betonung von Selbstorganisation und dem Begriff der sozialen Freiheit – ebenso wie es in ihnen verschiedene Stränge differenzierter Herrschaftskritik (Kritik an Strukturen, Hierarchie, Bürokratie, Ideologie, Ausbeutung, Unterdrückung, Entfremdung) gibt, welche sich bisweilen gut ergänzen lassen.

Dies führt unter anderem zum vom Kasakow völlig unverstandenen Set anarchistischer Prinzipien. Jene stellen eben keine dogmatisch gesetzten Wahrheiten dar, welche für sich selbst sprechen würden. Ethische Werte wie Freiheit, Gleichheit, Solidarität, Vielfalt und Selbstbestimmung, Organisationsprinzipien wie Föderalismus, Autonomie, Freiwilligkeit, Horizontalität und Dezentralität, auch die theoretischen Konzepte wie Selbstorganisation, gemeinschaftliche Individualität, freie Vereinbarung, Kooperation usw. haben deswegen einen Wahrheitsgehalt, weil sie Begrifflichkeiten darstellen, die sich immer wieder aus den Erfahrungen und der Praxis von Aktiven in sozialen Bewegungen mit Leben gefüllt werden.

Nein, Evgeniy, du laberst einfach Scheisse – Es ist keine anarchistische Herangehensweise davon auszugehen, dass es in der Autonomie einer Gemeinschaft liegt, sich einen König zu wählen. Ebenso wenig führt das Prinzip der Dezentralität dazu, dass es keine planerischen Elemente in einer dezentral sozialistischen Wirtschaftsform geben kann. Und auch die im Ominösen gehaltenen angeblichen Schnittpunkte des Anarchismus mit dem Faschismus sind an den Haaren herbeigezogen. Faschisten bezogen sich auf anarcho-syndikalistische Denker wie George Sorel, weil diese konsequent und auch verkürzt den Klassenkampf als Selbstzweck propagierten, damit einen ekelhaften Maskulinismus und verkürztem Anti-Parlamentarismus anhingen. Daraus ergeben sich aber keine „Schnittpunkte“ zwischen Anarchismus und Faschismus, wie Kasakow suggeriert.

Über die blosse Diffamierung und selbstreferenziellen Realitätsverkennung hinaus verdeutlicht der Podcast aber tatsächlich, dass es zu wenig anarchistische Theorie gibt. Viel wäre notwendig, sie weiterzuentwickeln und Anarchist*innen das Selbst-Bewusstsein zu eröffnen, ihre eigenen Grundlagen theoretisch zu erschliessen und zu durchdenken. Dies ist durchaus möglich, aber eine Frage des Engagements für die anarchistische Sache – und nicht eine der idiotischen und unsolidarische Rede über den Anarchismus, welcher von Kasakow mehr als zur Hälfte als Strohpuppe aufgebaut wird. Wer solche „Freunde“ hat braucht keine Feind mehr.

barrikade.info