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Elektrifizierung und infrastrukturelle Solidarität

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Warum der Klimakampf die Neuerfindung des Internationalismus erfordert Elektrifizierung und infrastrukturelle Solidarität

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Politik

Heute sind die Geopolitik der Arbeitsmobilität und die Energiewende zunehmend miteinander verwoben.

Umzäunter Weg, der ein Solarkraftwerk durchschneidet; Arbeiter*innen, die den umzäunten Wegs entlangschreiten; Grenzschutzbeamter mit Walkie-Talkie.
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Umzäunter Weg, der ein Solarkraftwerk durchschneidet; Arbeiter*innen, die den umzäunten Wegs entlangschreiten; Grenzschutzbeamter mit Walkie-Talkie. Foto: Colnate Group (CC-BY-NC 4.0 cropped)

Datum 22. Februar 2024
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Für die Arbeiter*innen ist es eine politische Priorität, erstens, zu verstehen, wie diese Verflechtungen funktionieren, und, zweitens, Solidarität entlang dieser Verbindungen aufzubauen, da dies die Neuerfindung des Internationalismus ermöglicht.

“Kommunismus ist Sowjetmacht plus Elektrifizierung des ganzen Landes”. In dieser Aussage von Wladimir Lenin aus dem Jahr 1920 werden Arbeiter*innenmacht und Energiewende miteinander in Verbindung gebracht. Welche Auswirkungen hat ein solches Verständnis von Kommunismus? Lenins Engagement für die Elektrifizierung beruhte auf der Idee des Aufbaus einer mächtigen Schwerindustrie mit Kraftwerken, die mit Kohle, Torf, Erdöl, Erdgas und Schieferöl betrieben wurden.

Die Elektrifizierung steht heute im Zusammenhang mit der Abkehr von fossilen Brennstoffen und einer Umgestaltung der Stromnetze, die auf die Nutzung von erneuerbaren Energiequellen zielt. Da diese Quellen variabel und oft weit von der Bevölkerung und den Industrien entfernt sind, wird die Leitung von Strom über ausgedehnte Netze, die häufig über den nationalen Raum hinausgehen, zu einer Priorität. Wenn für Lenin die Kontrolle der Industrie durch die Arbeiter*innen die Voraussetzung für ein Elektrifizierungsprogramm war, das gleichzeitig kommunistisch und auf fossile Brennstoffe ausgerichtet war, wie sieht dann die Politik der Arbeiter*innenklasse in der aktuellen Energiewende aus?

In unserem demnächst erscheinenden Buch “The Rest and the West: Capital and Power in a Multipolar World” (Der Rest und der Westen: Kapital und Macht in einer multipolaren Welt) erörtern Sandro Mezzadra und ich, wie Initiativen im Bereich der erneuerbaren Energien zu einer Neukonfiguration der Stromnetze führen, die sich nicht nur auf die Geopolitik, sondern auch auf die globale Arbeitsteilung auswirkt. Grosse grenzüberschreitende Netze waren sicherlich schon lange vor der Integration der erneuerbaren Energien ein Merkmal der Energielandschaft. Lenins Traum von einem einheitlichen sowjetischen Stromnetz wurde erst in der Breschnew-Ära verwirklicht, als das Netz bereits über Wasserkraft und Kernkraft verfügte. Im Jahr 1979 wurden die Netze Bulgariens, der Tschechoslowakei, der Deutschen Demokratischen Republik, Ungarns, Polens und Rumäniens mit dem System synchronisiert.

Heute sind die Übertragungsnetze dieser Länder, zumindest die in den Gebieten, die sie früher besetzt hielten, Teil des europäischen Netzes, des grössten Stromnetzes der Welt. Es liegt auf der Hand, dass diese Veränderungen eine geopolitische Logik haben, wie der Wechsel der Ukraine vom postsowjetischen zum europäischen Netz im März 2022 zeigt. Strategische Überlegungen sind jedoch nicht die einzigen, die den Netzverbund beeinflussen. Überall auf der Welt werden die Netze miteinander verbunden und umgestaltet, um erneuerbare Energiequellen, einschliesslich Wind- und Solarenergie, zu integrieren.

Die Geopolitik von Sun Cable

Nehmen wir das Projekt Sun Cable, das darauf abzielt, in der Wüste Australiens erzeugte Solarenergie über ein unterseeisches Hochspannungs-Gleichstrom-Kabel nach Singapur zu leiten. Da Singapur derzeit von Strom aus Erdgas abhängig ist, hat es kaum eine andere Wahl, als auf erneuerbare Energien umzusteigen, wenn es seine Wirtschaft grüner gestalten will. Die Frage ist, ob es sich auf näher gelegene, aber unsicherere Quellen, beispielsweise auf den indonesischen Riau-Inseln, verlassen kann. Sun Cable plant den Bau der weltgrössten Solaranlage auf dem indigenen Land Warlmanpa, aber der Wohlstand und die Arbeitsplätze, die das Projekt zu schaffen verspricht, werden wahrscheinlich an den Menschen und Arbeitskräften vor Ort vorbeigehen. Um eine Energieversorgung zu schaffen, die stabil genug ist, um Singapur zu erreichen, muss das Unternehmen mehrere Spannungsumwandlungs- und Batteriespeichereinrichtungen installieren, wobei letztere wahrscheinlich modulare Lithium-Ionen-Technologie verwenden werden. Wie alle Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien hat auch dieses Vorhaben seine Schattenseiten.

Sun Cable ist geopolitisch brisant. Das Kabel, das sich durch den indonesischen Archipel schlängelt, würde durch die Lombokstrasse verlaufen, einen wichtigen Zugang zum Südchinesischen Meer. Dieser Tiefwasserkanal bietet Öltankern, die vom Nahen Osten nach China fahren und zu gross sind, um durch die Malakka- oder Sunda-Strasse zu passen, eine Durchfahrt. Die Strasse von Lombok ist eine strategische Kontrollzone und ein potenzieller Krisenherd bei einer Seeblockade oder Zugangsverweigerung im Zusammenhang mit einem Konflikt um Taiwan oder anderen militärischen Szenarien im Indopazifik. Zusammen mit anderen Seelinien, die in das Südchinesische Meer münden, wird die Strasse von Lombok regelmässig in politischen Dokumenten und Medienberichten über das AUKUS-Abkommen zur gemeinsamen Nutzung von Technologie zwischen Australien, Grossbritannien und den USA erwähnt. Die Patrouille und die Aufrechterhaltung der Sicherheit von Schiffen und Unterwasserinfrastrukturen, die dieses Gewässer durchqueren, ist eine der Hauptaufgaben der U-Boote mit Nuklearantrieb, die Australien im Rahmen dieses Abkommens erwerben möchte.

Die finanziellen Turbulenzen von Sun Cable haben Schlagzeilen gemacht. Das Anfangskapital für Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien übersteigt bei weitem die Kosten für Stromerzeugungsinfrastrukturen, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden. Im ersten Fall fallen fast alle Kosten im Voraus an, während im zweiten Fall zwischen 40 und 70 Prozent der Kosten auf die Betriebs- und Brennstoffkosten entfallen, die durch Verkäufe auf den Terminmärkten abgesichert werden können. Da die Energiewende “grundlegend kapitalistisch ist und bleiben wird”, schreibt Brett Christophers, “geht es bei der Energiewende und der Frage 'fossile Brennstoffe versus erneuerbare Energien' im Kern um Investitionen, nicht um den Preis.”

Diese finanziellen Erwägungen wirken sich entsprechend auf die Beschäftigung aus, die sich zu Beginn der Projekte verdichtet und dann abnimmt. Sun Cable schätzt die Zahl der Beschäftigten im Baubereich auf etwa 1.750, die Zahl der Beschäftigten im Betrieb auf nur 350. Wie andere Projekte des grünen Kapitals wird das Projekt vor allem prekäre Arbeitsplätze schaffen und überwiegend männliche Arbeitskräfte beschäftigen.

Arbeitstopologien

Die Frage nach der durch Sun Cable und ähnliche Projekte geschaffenen Beschäftigung geht über die Aufzählung der durch diese Initiativen allein geschaffenen Arbeitsplätze hinaus. Es müssen auch die sekundären Beschäftigungsmuster berücksichtigt werden. Sun Cable will Singapur mit fünfzehn Prozent seines Strombedarfs versorgen, und Singapur wiederum verbraucht sieben Prozent seiner verfügbaren elektrischen Energie zur Versorgung von Rechenzentren.

Nach der Aufhebung des Moratoriums für den Bau von Rechenzentren versucht Singapur, seine Position als Drehscheibe zu festigen, indem es den Bau neuer Einrichtungen fördert, die den Zielen der Dekarbonisierung entsprechen. Es ist kein Zufall, dass das Kapital hinter Sun Cable aus Investitionen der Technologiebranche stammt. Das Projekt weist nicht nur einen hohen Automatisierungsgrad auf, bei dem Datenproduktion und -analyse die physische Infrastruktur ergänzen, sondern die Solarenergie, die es exportieren will, speist eine Wirtschaft, die ihre digitale Expansion auf erneuerbare Technologien und die moralische Wende der grünen Rhetorik stützt.

Diese technischen und regulatorischen Vorkehrungen verlagern die Arbeitsteilung über nationale Grenzen hinweg. Auf Singapur entfallen 40 Prozent der Rechenzentrumskapazitäten Südostasiens, was bedeutet, dass die dort gehosteten Server Kunden in der gesamten Region verbinden. Wie die Solaranlage von Sun Cable erfordern auch die Rechenzentren in Singapur nur einen minimalen Arbeitsaufwand. Aber sie verbinden Benutzer und Arbeitskräfte über einen riesigen räumlichen Bereich.

Ob als Produktion, Datenbereitstellung oder Reproduktion von Wissen und Leben verstanden, Arbeit geht in diesem Zusammenhang weit über die Mauern der Fabrik und des Büros hinaus. Die damit verbundenen komplexen Netzwerktopologien ergeben sich nicht nur aus den Mustern der Kabelverbindungen, sondern auch aus den Peering-Beziehungen innerhalb der Rechenzentren, die den Datenaustausch zwischen den Unternehmen ermöglichen und ihre Extraktionskapazitäten vervielfachen. Die sich daraus ergebenden Netzarchitekturen schaffen infrastrukturelle Verbindungen zwischen ansonsten unverbundenen Arbeitskräften, die Unterschiede in Bezug auf Raum, Geschlecht, Rasse, Staatsangehörigkeit, Beruf, Beschäftigungsstatus und soziale Identität überwinden.

Infrastrukturelle Solidaritäten

Für Arbeiter*innen ist es in Zeiten der Datenökonomie und der Energiewende eine politische Priorität, zu verstehen, wie diese Verbindungen funktionieren, und entlang dieser Verbindungen solidarische Beziehungen aufzubauen. Unter den skizzierten Bedingungen ist es unwahrscheinlich, dass Arbeitsteilungen, -beziehungen und -prozesse den Modellen der Lieferkette oder des Produktionsnetzwerks standhalten, die dazu neigen, die Muster der digitalen Verbindung und Elektrifizierung zu ignorieren oder in den Hintergrund zu drängen. Folglich müssen sich die Taktiken und Handlungsweisen ändern.

Die Grenzen der Identifizierung von logistischen Engpässen in Lieferketten und der Durchführung von Blockaden werden bereits deutlich. Die Besetzung von Fabriken durch Arbeiter*innen wird weiterhin von symbolischer und praktischer Bedeutung sein, insbesondere in Europa, wo sich soziale Wege zwischen Arbeiter*innen- und Klimagerechtigkeitsbewegungen geöffnet haben. Aber diese Aktionen laufen Gefahr, Einzelfälle zu bleiben. Wenn solche Bemühungen über geopolitische und koloniale Grenzen hinweg Resonanz finden sollen, müssen sie Organisationsformen entwickeln, die nicht nur darauf abzielen, die vom grünen Kapitalismus geschaffenen infrastrukturellen Verbindungen zu kapern. Vielmehr geht es um den Versuch, Technologien der Übertragung, Verarbeitung und Speicherung mit einer Politik der Übersetzung zu verbinden, die danach strebt, Kämpfe und Arbeitssolidaritäten über verschiedene Räume, Massstäbe und Subjektivitäten hinweg zu artikulieren.

Damit soll nicht behauptet werden, dass die gesamte zukünftige Arbeitsorganisation von der Energiewende abhängt. Grosse grenzüberschreitende Mobilitäten von Menschen scheinen unabhängig von diesem Wandel und den damit einhergehenden Prozessen der Digitalisierung zu verlaufen, auch wenn Migrant*innen bei der Organisation ihrer Bewegungen auf Smartphone-Verbindungen angewiesen sind. Doch wie eine Betrachtung der Situation im Mittelmeerraum zeigt, sind die Geopolitik der Arbeitsmobilität und die Energiewende zunehmend miteinander verwoben.

Italiens sogenannter Mattei-Plan etwa zielt darauf ab, das Land aufgrund seiner Nähe zu Nordafrika als Energiedrehscheibe zu positionieren. Teil des Plans ist der Bau von Hochspannungs-Gleichstrom-Kabeln, die Algerien und Tunesien mit Italien verbinden und angeblich die Übertragung erneuerbarer Energien nach Europa verbessern sollen. In pragmatischer und politischer Hinsicht hängen diese Initiativen jedoch von der stärkeren Einbindung Algeriens und Tunesiens in die Migrationskontrolle und -verhinderung ab, insbesondere durch die Finanzierung ihrer Küstenwache und Grenzpolizei.

Unter diesen Umständen kann die Elektrifizierung nicht mehr als eine Verbindung zwischen der Politik der Arbeiter*innenklasse und der Energiewende auf der Ebene des “ganzen Landes” verstanden werden. Dennoch ist Lenins Einsicht aktuell, dass der Kommunismus sich um den Nexus von Arbeit und Energie dreht. Heute haben sich die ökologischen Debatten über den Kommunismus aufgespalten. Die Degrowth-Politik zielt auf lokalisierte Muster der Energieerzeugung, der Nahrungsmittelproduktion und des öffentlichen Nahverkehrs ab, während die Ökomodernisten dazu aufrufen, dass die Arbeiter*innenklasse die Mittel der Energieproduktion an sich reisst, notfalls auch auf nationaler Ebene. Doch wie auch immer die Politik des Massstabs aussehen mag, die infrastrukturellen Realitäten verweisen uns auf umfassendere Perspektiven der Verbindungen und Anfechtungen. Der Klimakampf artikuliert notwendigerweise die Neuerfindung des Internationalismus.

Brett Neilson
berlinergazette.de

Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons (CC BY-NC-ND 3.0) Lizenz.