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Marxistischer Meckerfritze: Replik zu Meinhard Creydts Commons-Theorie

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Replik zu Meinhard Creydts Commons-Theorie Marxistischer Meckerfritze

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Politik

Im dem auf Untergrund-Blätte veröffentlichten Text Von Commons führt kein Weg zum „Commonismus“ von Meinhard Creydt wird eine grundsätzliche Kritik an der Commons-Theorie formuliert, die in den letzten Jahren zaghaft wieder populärer geworden ist.

Datum 20. Januar 2025
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Indigo Drau und Jonna Klick haben in ihrem Buch Alles für alle. Revolution als Commonisierung (2024) den gelungenen Versuch unternommen, den Strang sozialistisch-genossenschaftlicher Alternativökonomie mit der rätekommunistischen Linie zu verbinden.

Meinhardt Creydt wirft den Commons-Theoretiker*innen vor, „idealistisch“ zu sein. Wenngleich dies auf das leider auch in anderen Hinsichten schlechte Buch von Simon Sutterlütti und Stefan Meretz Kapitalismus aufheben (2018) zutrifft, erweist sich der Vorwurf doch als recht pauschal. Doch es gibt noch viele andere Denker*innen, wie beispielsweise Friederike Habermann, mit denen sich eine Beschäftigung sehr lohnt…

Dem Autoren zugute halten muss man, dass er seine Kritik und Argumente mit Beispielen aus sozialen Bewegungen unterlegt. Neben dem Abgleich mit der sozialen Realität (der bei selbstbezüglichen Kreis-Denkern wie etwa vom Gegenstandpunkt eben nicht mehr geschieht), sehe ich darin auch das ernsthafte Anliegen, zur produktiven Debatte beizutragen.

In dieser Hinsicht lohnt es sich, wenn jemand anderes seiner Kritik sachlich entgegnen. Ich werde dies nicht tun, weil ich ebenfalls kein überzeugter Anhänger der Commons-Theorie bin. Dies liegt aber daran, dass mir bei ihren Vertreter*innen das Bewusstsein darüber fehlt, dass sie eigentlich anarchistisch denken, dies aber nicht begreifen und ihre Überlegungen einen verkorkst-marxistischen Unterton behalten, der sie lähmt.

Meinhardt Creydt wiederum ist ganz und gar Marxist und seines Zeichens nach sehr ähnlich wie Peter Bierl ein Katheder-Sozialist. Bei dieser Erscheinung handelt es sich um ein Phänomen, welches insbesondere in Deutschland fest verankert ist und sich fortsetzt. Die Katheder-Sozialist*innen wissen es immer besser – und die Gründe dafür finden sich dann irgendwo, respektive werden irgendwie zurecht gebogen.

Eine besonders strange Ausprägung nimmt dieses hermetisch abgeschlossene Denksystem bei Ewgeniy Kasakow an, der von manchen fälschlicherweise immer noch für einen „Anarchismus-Experten“ gehalten wird. Den Katheder-Sozialist*innen ist gemein, dass sie theoretische Kategorien auf Gegenstände anwenden, die damit gar nicht erfasst werden können. In diesem Sinne erscheint der Idealismus-Vorwurf als eine blosse Projektion ihrer eigenen blinden Flecken.

Die entscheidende Frage ist nicht, ob es Commons gibt oder wie genau sie konkret funktionieren, sondern: Wie lassen sich dezentral-sozialistische Alternativökonomien denken, die eine glaubhafte Alternative zur Erosion des kapitalistischen Nationalstaates bilden?

Der Katheder-Sozialist hat seine Antworten schon parat: Wenn Creydt schreibt, es brauche einen Begriff von „Gesellschaft“, so meint er implizit eigentlich, es brauche den Nationalstaat. Wenn der Autor den Commons-Theoretiker*innen vorwirft, mit ihrem Ansatz könne keine ernstzunehmende Alternative zum Kapitalismus etabliert werden, so meint er damit eigentlich, dass es keine Alternative zum Kapitalismus geben kann. Denn an die Einführung des Kommunismus durch die politische Revolution glaubt er berechtigterweise natürlich auch nicht mehr.

Somit beisst sich das Festhalten an gesellschaftlichen Totalitäten in den Schwanz: Weil es per se keine sozialistische Alternative mehr gibt, die das gesellschaftliche Ganze nach den fetischisierten Ansprüchen der Katheder-Sozialisten entsprechend ersetzen kann, werden alle Bestrebungen zur Gesellschaftstransformation insgesamt kritisiert und belächelt. Fragt sich nur, warum man dann noch linke Theorie betreibt? Vermutlich als eine Art Hobby.

Hinter der marxistischen, vermeintlichem Fundamentalkritik, steckt nichts anderes als eine marxistisch-orthodoxe Besserwisser-Haltung. Sie lädt nicht zum Handeln und Ausprobieren ein, sondern begnügt sich damit, Fatalismus zu näheren und sich selbstgenügsam einzurichten. Wenn es besonders schlimm kommt, stellt sie ihre Gartenzwerge noch im Glauben an die Verelendungstheorie auf. – Gegen derartige Einstellungen haben sich beispielsweise Rudolf Rocker und Gustav Landauer vehement gewandt. Denn der damit produzierte Fatalismus dient letztendlich zur Einhegung revolutionären Begehrens in sozialdemokratische Parteipolitik, sowie zur Diskreditierung von selbstorganisierten Alternativen zu ihr.

Wenn die Strukturen des bestehenden kapitalistischen Nationalstaates in unserer Umgebung weiter zusammenbrechen, wäre ich sehr froh, Konzepte zur Organisierung von Alternativökonomien zu haben.

Die Frage, wie Produktionsstätten, Landwirtschaft, Krankenhäuser, Schulen, Verkehrbetriebe, Wasser- und Energieversorgung kommunal und dezentral organisiert werden können, damit die Bevölkerung ihre Grundversorgung in die eigenen Hände nehmen kann, bleibt dann nämlich keine Spekulation darüber, inwiefern damit der Kapitalismus überwunden werden kann oder nicht. Dies wird zu einer Notwendigkeit – und dahingehend blockieren die marxistischen Gedankenkonstrukte mit ihrem national-sozial-staatlichen Rahmen und ihren unsinnigen Totalitäts-Kategorien.

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