Ungarns Regierung unter Viktor Orbán stand in den letzten Jahren unter Dauerkritik der westlichen Medien und Staaten. Seit Orbáns Machtübernahme im Jahr 2010 breitete sich in Ungarn eine Roma- und Judenhatz aus und die Medienfreiheit wurde eingeschränkt. Neonazis und Bürgerwehren wurden salonfähig. Die nationalen Kirchen Ungarns fühlten sich unter der linken Vorgänger-Regierung noch an den Rand gedrängt, jetzt geniessen sie die Protektion der rechts-konservativen Regierung. Sie sind eine wichtige Stütze von Orbáns autokratischem Regime und symphatisieren ganz offen mit ihm.
Orbán-Regierung vertrete «christliche Werte»
Diese fragwürdige Rolle der Kirchen wurde am Rande des Osteuropa-Tags bestätigt, den das Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Schweiz (HEKS) neulich im Kirchgemeindehaus Schwamendingen in Zürich veranstaltete. In einem aufschlussreichen Beitrag von «Blickpunkt Religion» auf Radio SRF 2 (siehe Link unten) gab Gusztáv Bölcskei, präsidierender Bischof der reformierten Kirche Ungarns, offenherzig Auskunft über seine Sympathien zur Orbán-Regierung. Die Empörung des Westen konnte er gar nicht verstehen, denn die Rechts-Regierung vertrete «christliche Werte» und dagegen könnten die Kirchen nichts haben. Dementsprechend stehen in der neuen Verfassung Werte wie Vaterland, Christentum, Familie, Treue, Glaube, Liebe und Nationalstolz.
Bischof Bölcskei war auf Einladung des HEKs in der Schweiz, weil das evangelische Hilfswerk in Ungarn Hilfsprojekte finanziell unterstützt und mit den reformierten Kirchen Ungarns zusammenarbeitet.
Bischof sieht «keine Einschränkung der Medien»
Andererseits sieht Bischof Bölcskei in der Einschränkung der Medienfreiheit gar keine Probleme: «Für mich ist das eigentlich keine Einschränkung der Medien», erklärte er gegenüber Radio SRF 2. Auf Oppositionskurs gegen die Regierung Orbán gingen die Kirchen erst dann, als es um die Beschränkung ihrer eigenen Rechte ging. Sie erstritten damit, dass die anglikanische und methodistische Kirche öffentlich-rechtlich anerkannt blieben und weiterhin von staatlichen Gelder profitieren konnten. Auch im Kirchengesetz wahrten die Kirchen ihre Interessen. Dazu Bischof Bölcskei: «Wir beharren darauf, dass unsere Rechte gesichert werden».
Rigides Obdachlosen-Gesetz auch kein Problem
Auf hefige Kritik des Westens stiess Ungarns rigides Obdachlosengesetz, das den Städten und Gemeinden erlaubt, Obdachlose von öffentlichen Plätzen zu weisen und sogar vor Gericht zu bringen. Auch dieses Problem spielte Bischof Bölcskei herunter. In seiner Antwort gegenüber Radio SRF 2 stellte er sich vor die Regierung Orbán und behauptete, in der Praxis sei das fast nie der Fall.